Vor 100 Jahren wurde der Mann geboren, der mit Manchester City große Erfolge feierte und als Sportheld Engländer mit Deutschen versöhnte. Einmal spielte er mit einem Genickbruch.
Bert TrautmannWie ein Deutscher zum Nachkriegshelden in England wurde
Manchmal ist es nicht zu glauben, dass einige Menschen gar nicht wissen, was für eine besondere Begabung ihnen innewohnt. Bert Trautmann zum Beispiel, ein gebürtiger Bremer aus dem Stadtteil Walle. Er liebte sportliche Betätigung, spielte Handball, Völkerball, auch Fußball, im Feld, und war auch ein beachtlicher Leichtathlet. Doch nichts davon betrieb er derart überzeugend, dass er besonders aufgefallen wäre. Ein Talent, zweifellos, aber eines von ganz vielen.
Doch so ganz stimmt das nicht, denn es war dieser Mann, Bernhard Carl Trautmann, geboren am 22. Oktober 1923, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg in England zu einem deutschen Helden entwickelte, gefeiert im Land des Feindes, angehimmelt sogar in Manchester, wo er für City, den einen großen Klub der Stadt, eine sensationelle Karriere hinlegte – und zwar als Torwart im Fußball.
Ein kleines Wunder also, das der in England als Bert Trautmann bekannt gewordene Mann da vollbrachte. Bert wurde er genannt, weil sich das auf der Insel leichter aussprechen ließ als Bernhard, sein eigentlicher Rufname. So reichhaltig an Geschichten und Legenden ist sein Leben, dass es 2019 sogar verfilmt wurde, ein Erfolg auch das. Der am Samstag vor 100 Jahren geborene Trautmann war der Sohn des Hafenvorarbeiters Carl Trautmann und der Hausfrau Frieda Trautmann.
Bert Trautmann wurde Mitglied im Jungvolk und in der Hitler-Jugend, glaubte vieles von dem, was er dort hörte und machte nie ein Geheimnis daraus, damals begeistert gewesen zu sein. Später sagte er einmal zu diesem Kapitel seiner Vita: „Ich hatte keine Erziehung, wie man das heute kennt. Meine Erziehung genoss ich erst in England.“ Trautmann geriet kurz vor Ende des Krieges in englische Gefangenschaft. Er wurde auf die Insel transportiert, in die Nähe von Liverpool. Trautmann betonte stets die Großzügigkeit und den humanen Umgang, den er als Gefangener erlebt hatte. Außerhalb des Gefangenen-Camps gab es die Möglichkeit, Fußball zu spielen.
Trautmann, fast 1,90 Meter groß, spielte dort zunächst im Sturm, half aber auch mal im Tor aus. Dort überzeugte er mit fabelhaften Reflexen so sehr, dass er auffiel, die Folge: „Das Tor habe ich nie wieder verlassen“, erinnert er sich. Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, 1948, durfte Trautmann das Gefangenenlager als freier Mann verlassen. Er verzichtete auf eine Rückkehr nach Deutschland. Er hatte sich in seiner neuen Heimat einem Minenräumkommando angeschlossen. Ein halbes Jahr später wollte er die Insel eigentlich verlassen, doch dann, im Herbst 1948, bekam er ein erstaunliches Angebot.
Ein Klub in St. Helens, einer Nachbarstadt von Liverpool, suchte einen Torhüter und fragte bei Trautmann an, von dem sich zu jenem Zeitpunkt spektakuläre Geschichten über überragende Taten auf der Linie verbreitet hatten. Es ging auf, Trautmann überzeugte bei St. Helens in der unterklassigen Division 1. Schon ein Jahr später, im Oktober 1949, fragte Manchester City an: „Wollen Sie nicht zu uns kommen und Profi werden?“ Trautmann wollte. Aber ganz so einfach vollzog sich der Wechsel in die neue Stadt und die höchste Liga nicht – die Nazi-Vergangenheit. Bei einer Protestaktion demonstrierten 20 000 Menschen gegen eine Verpflichtung von „Traut the Kraut“. Allerdings sorgten seine Mitspieler und sein Trainer, dafür, dass Trautmann sich wenigstens mal zeigen und beweisen durfte. Es gelang.
Bei einer Protestaktion demonstrierten 20 000 Menschen gegen eine Verpflichtung von „Traut the Kraut“. Allerdings sorgten seine Mitspieler und sein Trainer, dafür, dass Trautmann sich wenigstens mal zeigen und beweisen durfte. Beim seinem Debüt, einem Match beim FC Fulham in London, überzeugte Trautmann und wurde anschließend trotz der 0:1-Niederlage der Citizens gefeiert – vom Publikum, den Gegnern und den eigenen Kollegen. „Ich wollte den Leuten zeigen, dass ich ein guter Torwart und ein guter Deutscher war, und die Dinge liefen gut für mich an diesem Tag. Aber dass die Spieler beider Mannschaften mir nach Ende des Spiels applaudierten und die Fulham-Fans mich mit Standing Ovation feierten, ist etwas, das ich nie vergessen werde“, sagte Trautmann einmal über seinen Durchbruch.
Es folgte eine Bilderbuchkarriere: Trautmann stand 545 Mal im Tor von ManCity und im Jahre 2007 wurde er von den Fans des Klubs zum besten Spieler dieses Vereins aller Zeiten gewählt. In einem Spiel wurde Trautmann sogar zur Legende: 5. Mai 1956, Wembley-Stadion, Finale um den FA-Cup, Manchester City gegen den FC Birmingham. Trautmanns Klub führte mit 3:1, ein Tor hatte der Torhüter sogar mit einem präzisen Abstoß vorbereitet, da kam es zu einer Karambolage mit Folgen: Trautmann sprang dem sich ihm nähernden Birmingham-Stürmer Peter Murphy mit dem Kopf voraus entgegen. Murphys Knie traf Trautmanns Nacken, der bekam sofort Schmerzen, taumelte, kämpfte sich aber mit Kopfschmerzen durch das letztlich gewonnene Spiel. Und erhielt drei Tage später nach dem Röntgen folgende Diagnose: Genickbruch, fünf weitere Halswirbel waren ausgerenkt. Nur eine Laune des Zufalls verhinderte seinen Tod.
Trautmann fiel nach dem Cup-Finale fünf Monate aus, vom Kopf bis zur Hüfte war er in dieser Zeit in Gips gehüllt. Im selben Jahr 1956 wurde er zu Englands Fußballer des Jahres gewählt, und es starb auch noch Trautmanns Sohn John in Folge eines Verkehrsunfalls im Alter von fünf Jahren. Sehr viel auf einmal.
Trautmann arbeitete als Trainer in aller Welt
Trautmann arbeitete sich auch aus seiner seelischen Krise heraus, auch wenn sein Eheglück trotz der Geburt der Söhne Stephen und Marc, die nach Johns Tod zur Welt kamen, zerbrach. Später, 1967, kehrte er als Trainer nach Deutschland zurück, trainierte Preußen Münster und Opel Rüsselheim, ehe es ihn in die Welt zog. Trautmann coachte Klubs in Burma, Tansanaia, Liberia, Pakistan, Nordjeman und auf Malta, ehe er sich in der Nähe von Valencia niederließ, wo er am 19. Juli 2013, fast 90-jährig verstarb.
Trautmann, der 1997 das Bundesverdienstkreuz erhielt, ist als lebendes Beispiel für Vergebung im Land des Erzfeindes auch zehn Jahre nach seinem Tod in Erinnerung geblieben. Und zwar als ein Mensch, der vor allem die Versöhnung von zwei Völkern tatkräftig angeschoben hat.