AboAbonnieren

Bora-hansgrohe-Chef Denk„Ausgang der Gespräche mit Peter Sagan ist offen“

Lesezeit 5 Minuten
4E675CB9-B547-4B26-A5F3-48E364F30138

Peter Sagan ist der Superstar im deutschen Team Bora-hansgrohe.

KölnHerr Denk, die vergangene Radsport-Saison war eine wegen der Pandemie extrem verkürzte. Wie haben Sie diese Krise finanziell verkraftet?

Natürlich hatten wir Einbußen, denn es wurden ja Rennen abgesagt, was mit Ausfällen bei Startgeldern verbunden war. Wir haben im vergangenen Jahr zwar insgesamt gut 750.000 Euro eingebüßt, sind aber doch noch ganz gut durch die erste Pandemie-Saison gekommen. Wir haben gut gewirtschaftet in den vergangenen Jahren und konnten einiges mit Eigenkapital stemmen.

So wie die Dinge stehen, kann in diesem Frühjahr der Rennkalender eingehalten werden. Wie bewerten Sie den Start für Ihr Team?

Uns hat sehr gefreut, dass Maximilian Schachmann seinen Titel bei Paris-Nizza Mitte März verteidigt hat, was deutlich schwerer ist, als den Erfolg einmal einzufahren. Auch wenn Glück dabei war. Ansonsten hatten wir Pech: Unser dreimaliger Weltmeister Peter Sagan aus der Slowakei hatte Corona, hat bei Rennen gefehlt und konnte bei seiner Rückkehr zunächst nicht wie gewohnt seine Leistung zeigen – er wurde allerdings auch schon wieder Vierter bei Mailand-Sanremo und hat zudem eine Etappe bei der Katalonien-Rundfahrt gewonnen. Hinzu kam ein Unfall im Trainingslager am Gardasee im Januar, in den der gesamte Sprintzug von Pascal Ackermann involviert war. Ackermann konnte nicht auf seine vertrauten Helfer zählen, was ihn auch den einen oder anderen Erfolg gekostet hat.

Zur Person

Ralph Denk, geboren am 1. November 1973 im bayerischen Bad Aibling, ist Teamchef der deutschen World-Tour-Mannschaft Bora-hansgrohe. Denk ist ein ehemaliger Amateurfahrer. Seit 2010 ist er aktiv als Chef, also Lizenznehmer eines Radsport-Teams. Das hieß zunächst Net-App. Seit 2017 firmiert seine Auswahl unter dem Namen Bora-hansgrohe. In den vergangenen Jahren gehörte die Mannschaft stets zu den erfolgreichsten des Pelotons. (skl)

Sie selbst hatten in dieser Saison einen skurrilen Streit mit Patrick Lefevere, dem Teamchef von Deceuninck-Quick Step. Er hat ihnen vorgeworfen, dessen ganzes Team kaufen zu wollen. Was war da los und was ist da dran?

Patrick Lefevere und ich haben uns in Brüssel getroffen, ich wollte mich nach der vertraglichen Situation des überragenden belgischen Talents Remco Evenepoel erkundigen. Das ist meine Art, mit einem Fahrer umzugehen, an dem wir Interesse haben, der aber wie Evenepoel eine besondere Beziehung zu seiner Mannschaft hat. Es stellte sich heraus, dass Lefevere Optionen an Evenepoel und drei anderen Fahrern besitzt, darunter Weltmeister Julian Alaphilippe. Patrick hat mir bestätigt, dass er keine Sicherheit für seinen Rennstall für das kommende Jahr besitzt. Er hat mir in Aussicht gestellt, dass er mir seine Optionen abtreten würde, falls er sein Team nicht retten kann. Das war der Gesprächsinhalt. Er aber schmückt das nun so aus, als wolle ich sein Team kaufen, mit der Absicht, ein zweites Team zu gründen. Das ist Quatsch. Das Reglement gibt es gar nicht her, ein zweites Team zu betreiben. Wahrscheinlich hat er da etwas missverstanden.

Wie kommt er darauf?

Vielleicht wollte er die Polterei haben, um Aufmerksamkeit zu erreichen, so dass seine Sponsoren wach werden und ihn doch unterstützen. Mich hat die ganze Sache allerdings sehr sauer gemacht, weil ich es nicht kenne, dass Gespräche unter Geschäftsleuten in die Öffentlichkeit getragen werden.

Wie sind Sie in Sachen Evenepoel verblieben?

Es gibt Gerüchte, dass Lefeveres Team doch gesichert ist. Wir bekommen ja mit, was auf dem Fahrermarkt so los ist. Nicht nur wir sind da sehr aktiv, sondern auch Patrick Lefevere, er kontaktiert Fahrer und Manager. Das würde er ja nicht machen, wenn es nicht weiterginge für ihn und sein Team. Daher kann Patrick seine Option auf Evenepoel auch ziehen. So dass damit das Thema Evenepoel für Bora-hansgrohe vom Tisch ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wenn Sie sich um Remco Evenepoel bemühen, bedeutet das auch, dass Sie den auslaufenden Vertrag mit Ihrem slowakischen Star Peter Sagan nicht verlängern wollen?

Mit Peter laufen aktuell Gespräche. Der Ausgang ist offen. Wir haben neue Zeitfenster avisiert, im April sollte es eine Entscheidung geben. Ich tue mich aktuell sehr schwer damit, da eine Tendenz zu erkennen. Wir sind sehr dankbar für das, was Sagan für uns geleistet hat. Die Sponsoren haben durch seine Person viel Aufmerksamkeit erhalten. Aber er geht in den Herbst seiner Karriere. Und er ist einer der am besten bezahlten Profis im Peloton. Da müssen wir einfach abwägen: Wollen wir uns das noch leisten? Oder investiert man das Geld besser die Jugend?

Und – wie werden Sie sich entscheiden: Für Sagan oder für die Jugend?

Sollte Peter nicht bei uns bleiben, habe ich viel Geld zur Verfügung. Meine Sponsoren vertrauen mir, dass ich mit dem Geld, das sie uns zur Verfügung stellen, die bestmögliche Mannschaft zusammenstelle. Ob es Peter Sagan ist oder ein adäquater Ersatz ist, ist den Hauptsponsoren eigentlich sehr egal.

imago0041038197h

Ralph Denk

Haben Sie neben Evenepoel noch andere Fahrer im Blick, die Sie gerne in Ihrem Team sehen würden?

Aktuell gibt es fünf ikonische Radprofis, das sind der Tour-Sieger Tadej Pogacar aus Slowenien, der Belgier Wout van Aert, der Niederländer Mathieu van der Poel, der französische Weltmeister Julian Alaphilippe und Egan Bernal, der kolumbianische Tour-Sieger von 2019. Ich wäre ein schlechter Teamchef, wenn ich mir nicht einen von diesen Superstars im Team wünschen würde. Es muss aber passen. Ich sehe im Moment keinen der Genannten in naher Zukunft bei uns, weil es bestehende Verträge gibt oder weil es von der Philosophie her nicht passt. Aber vielleicht kreieren wir ja unseren eigenen Star. Das wäre die coolere Geschichte.

Wer käme dafür in Frage?

Vielleicht sind ja die deutschen Profis Lennard Kämna oder Maximilian Schachmann Kandidaten für diese Rolle. Sie haben schon herausragende Leistungen gezeigt und sie haben immer noch großes Potenzial. Da lasse ich mich mal überraschen.

Sie haben Ihrem Sprinter Pascal Ackermann in den vergangenen Jahren stets damit vertröstet, dass er in diesem Sommer bei der Tour de France starten darf. Halten Sie Ihr Wort?

Ackermann kann auf mein Wort vertrauen, wenn die Leistung stimmt. Ich kann ihn allerdings nicht mitnehmen, wenn er keine Form hat. Wenn er aber die entsprechende Form hat, wird er bei der Tour dabei sein.