Der hoch verschuldete Verband war praktisch gezwungen, die Doku über sich ergehen zu lassen.
Heftige VertragsstrafeNein zu Amazon-Doku wäre für verschuldeten DFB teuer geworden
Eine neue Offenheit und Transparenz, einen Neuanfang im Verhältnis zu seinen in den vergangenen Jahren leidgeprüften Fans: Das hatte sich der Deutsche Fußball-Bund von der Amazon-Doku „All or nothing“ versprochen, die die deutsche Nationalmannschaft auf ihrem Weg zur WM in Katar und vor allem bei ihrem Scheitern filmte. Doch statt eines Volltreffers wurde sie vielmehr für die Nationalmannschaft, ihren bisherigen Cheftrainer und dem Verband zu einem veritablen Eigentor. Vor allem Inhalt und Zeitpunkt der Ausstrahlung irritierten.
Gezeigt wurde ein Verband, der nicht nur im Umgang mit der One-Love-Binde hilflos agierte. Zu sehen bekam man auch eine entrückte DFB-Direktion und Mannschaft, die sich für ein WM-Quartier fernab von jeglicher Zivilisation und fernab auch von allen anderen WM-Nationen irgendwo im Nirgendwo in der katarischen Wüste entschieden hatte und hinter sagenhaft hohen Mauern trainierte. Und deren Trainerteam dann vor dem Spanien-Spiel der Auffassung war, dass es für einen Nationalspieler unzumutbar sei, auf dem Weg zur verpflichtenden Pressekonferenz drei Stunden im klimatisierten Luxus-Auto zu sitzen.
Doku kam mit schlechtem Timing für Hansi Flick
Bei Flick blieb zudem hängen, dass er Teile der Mannschaft allem Anschein nach nicht mehr im Griff hatte und rhetorisch nicht überzeugen konnte. Zu allem Überfluss wurde die Doku nur einen Tag vor dem vor allem für den Coach so wichtigen Spiel gegen Japan erstmals ausgestrahlt. Nein, einen Gefallen hatte man dem ohnehin unter gewaltigem Druck stehenden Flick damit wahrlich nicht getan. Nach der 1:4-Pleite gegen Japan war er dann auch tatsächlich seinen Job los.
Doch der finanziell stark angeschlagene DFB war mehr oder weniger gezwungen, die Doku über sich ergehen zu lassen. Denn nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ existiert im Vertrag zwischen US-Riese Amazon und dem DFB eine Klausel, wonach eine immense Vertragsstrafe fällig wird, sollte sich der Verband nicht an die Vereinbarung halten. Fast zehn Millionen Euro hätte der DFB zahlen müssen, wäre die Doku nicht gesendet worden. Diese Summe setzt sich aus teuren Lizenzrechten und den hohen Produktionskosten zusammen.
DFB drücken Schulden in Millionen-Höhe
Den DFB drücken auch durch sportliche Misserfolge und den ungemein teuren Bau des DFB-Campus‘ bereits Schulden in Millionen-Höhe. Zuletzt wurde ein knallharter Sparkurs verkündet, der das strukturelle Defizit von derzeit jährlich 19,5 Millionen Euro deutlichen senken soll.
Nach der Demission von Flick, der bis Vertragsende 2024 weiterhin noch ein Millionen-Gehalt bezieht, und durch die Inthronisierung eines Nachfolgers (vielleicht Julian Nagelsmann) kommen weitere immense Kosten auf den Verband zu. Eine knapp zweistellige Millionen-Vertragsstrafe im Fall der Doku-Absetzung hätte sich der DFB wohl schlicht nicht leisten können.