Am Rande der U21-EM in Batumi erklärt der DFB-Sportdirektor, was er vom angeschlagenen Bundestrainer jetzt erwartet.
Kritik am BundestrainerRudi Völlers letzte Warnung an Hansi Flick
Als sich Rudi Völler im Frühjahr von den Mächtigen des deutschen Fußballs dazu überreden ließ, das Amt des Direktors für die Nationalmannschaft zu übernehmen, hatte er bestimmt nicht damit gerechnet, Ende Juni in Batumi zu sitzen und dem Bundestrainer harte Ansagen zu machen. Durch die Dauer-Krise der Nationalmannschaft ist es aber genauso gekommen.
Der Weltmeister von 1990 war zur Unterstützung der U21-Auswahl in den georgischen Schwarzmeer-Badeort gereist und sah dort Parallelen zu Hansi Flicks Team. „Es ist ein bisschen ein Spiegelbild zur A-Mannschaft, da haben wir auch schon diese Fehler begangen“, erklärte Völler nach der 1:2-Niederlage der Junioren gegen Tschechien, die den Einzug ins Viertelfinale sehr unwahrscheinlich werden lässt. Und es dauerte nicht lange, bis der langjährige Leverkusener Sportdirektor und Geschäftsführer indirekt den Bundestrainer ansprach, der ein Jahr vor EM-Start durch peinliche Pleiten fast seinen gesamten Kredit verspielt hat.
Krise beim DFB: Rudi Völler erhöht Druck auf Hansi Flick
Bei den Juni-Länderspielen hatte die DFB-Elf nach einem 3:3 gegen die Ukraine Niederlagen gegen Polen (0:1) und Kolumbien (0:2) hinnehmen müssen. „Wenn man die Ergebnisse und Statistiken sieht, ist das wirklich ein bisschen holprig im Moment“, sagte Völler und wurde konkret. „Da muss im September eine Reaktion kommen, das weiß auch Hansi Flick“, sagte Völler am Montag. Die A-Nationalmannschaft ist seit nunmehr vier Spielen sieglos und trifft nach der Sommerpause auf den neuen Angstgegner Japan und die Fußball-Macht Frankreich.
Trotz der ziemlich einhelligen medialen Aufforderung, einen Neuanfang einzuleiten, hatte Völler nach dem Tiefpunkt gegen Kolumbien erst einmal am Bundestrainer festgehalten. In Georgien machte er aber mit einer letzten Warnung klar, dass diese Treue nicht unendlich ist. „Hansi weiß natürlich auch mit seinem Trainerteam, dass er gefordert ist“, sagte Völler. Die Experimente im Juni seien nicht geglückt. Bei den nächsten Länderspielen werde man sicher mehr von der Mannschaft sehen, die den Kern bei der Europameisterschaft im kommenden Jahr bilden werde. Dass der eine oder andere Spieler nach enttäuschenden Auftritten nicht mehr dabei sei, „ist ein ganz normaler Vorgang“, sagte Völler.
Rudi Völler fordert Ende der Experimente
Direkter kann man einen Bundestrainer im Amt nicht dazu auffordern, seine von außen schwer nachzuvollziehenden Experimente zu beenden. Rudi Völler erneuerte seine Kritik an den Nationalspielern („wir sind leider auf einigen Positionen nicht mehr so top-besetzt wie früher“) und benannte strukturelle Schwächen in der Abwehr und im Angriff. „Die klassischen Torjäger fehlen uns so ein bisschen, die werden wir auch nicht neu erfinden“, sagte der einstige Weltklassestürmer. „Aber das Material ist immer noch gut genug, dass wir ab September die Kurve kriegen: Mit einer guten Grundeinstellung, mit einer guten Taktik, dass wir auch im nächsten Jahr eine gute Europameisterschaft spielen können.“
Das ist eine eindeutige Botschaft an Hansi Flick: Die Lösung aller Probleme liegt auch ohne aktuelle Weltstars in solider, seriöser Trainerarbeit. Ausreden unter Hinweis auf individuelles Spieler-Versagen sind nicht mehr möglich. Verräterisch sind die Basic-Tipps, die der frühere Teamchef der deutschen Nationalmannschaft seinem Nach-Nach-Nachfolger Flicks an die Hand gibt: „Man muss mit den kreativen Spielern, die wir trotzdem in Deutschland haben, so umgehen, dass man was Gutes zusammenstellt.“ Man müsse ein gutes Zweikampfverhalten trainieren. „Da müssen wir wieder hinkommen. Die Basis ist, Eins-gegen-Eins-Situation zu meistern - am Gegner vorbeizukommen oder den Gegner nicht vorbeikommen zu lassen. Da hapert es im Moment so ein bisschen“, sagte Völler.
Das klingt ein wenig wie Grundkurs für den Trainer C-Schein. Es wird sich zeigen, ob Hansi Flick, der 2014 als Assistent von Joachim Löw Weltmeister wurde und 2020 mit einem Luxus-Kader des FC Bayern die Champions League gewann, bereit ist, die Botschaft zu verstehen. (mit dpa)