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7:0-Spektakel gegen Bosnien-HerzegowinaDie neue Offensiv-Variabilität im DFB-Team – Alle Wege führen zum Tor

Lesezeit 4 Minuten
16.11.2024, Baden-Württemberg, Freiburg Im Breisgau: Fußball: Nations League A, Deutschland - Bosnien-Herzegowina, Gruppenphase, Gruppe 3, 5. Spieltag, Europa-Park Stadion, Bundestrainer Julian Nagelsmann (2.v.r) und seine Spieler Robin Koch (l) und Leroy Sané reagieren nach dem Sieg. Foto: Tom Weller/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

16.11.2024, Baden-Württemberg, Freiburg Im Breisgau: Fußball: Nations League A, Deutschland - Bosnien-Herzegowina, Gruppenphase, Gruppe 3, 5. Spieltag, Europa-Park Stadion, Bundestrainer Julian Nagelsmann (2.v.r) und seine Spieler Robin Koch (l) und Leroy Sané reagieren nach dem Sieg. Foto: Tom Weller/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Gala gegen Bosnien-Herzegowina steht stellvertretend für eine neue Stärke der deutschen Nationalmannschaft. Diese Offensiv-Variabilität führt zum Schluss: Das Team ist der Torjäger.

Die besten Mannschaften sind die, die alles können. Die nicht abhängig sind von der Magie eines einzelnen Spielers, sondern mehrere Magier im Aufgebot haben. Die nicht über die eine Stärke verfügen, sondern über mehrere. Die neben Plan A auch Plan B und Plan C abrufen können. Die nicht nur auf einem Weg zum Tor kommen, sondern auf allen möglichen Wegen.

Das Publikum in Freiburg hat einen rauschenden Abend erlebt im letzten Heimspiel der deutschen Nationalelf in diesem Jahr. Schon in der zweiten Minute stellte Jamal Musiala die Zeichen mit seinem 1:0 auf Sieg, zur Halbzeit war die Partie beim Stand von 3:0 entschieden, am Ende leuchtete ein 7:0 von der Anzeigetafel.

Dieses Ergebnis war der höchste Sieg unter dem seit September 2023 amtierenden Bundestrainer Julian Nagelsmann und bedeutete ganz nebenbei, dass es für die DFB-Auswahl beim letzten Auftritt des Jahres zum Abschluss der Nations-League-Vorrunde am Dienstag in Ungarn um absolut nichts mehr geht. Sie steht als Gruppenerster fest und kann im Viertelfinale des Wettbewerbs im März auf einen vermeintlich leichteren Gegner spekulieren. Stärker als Bosnien-Herzegowina dürfte er aber sein.

Nagelsmann gab sich Mühe, das 7:0 richtig einzuordnen. Er war stolz auf seine Fußballer, wusste aber auch, dass die Partie gegen einen in jeder Hinsicht überforderten Kontrahenten keine abschließenden Erkenntnisse darüber bringen konnte, wie weit die Deutschen schon sind auf dem Weg zu ihrem übergeordneten Ziel: Der Rückkehr in die Weltspitze und dem Gewinn der WM 2026. Die Fortschritte sind allerdings offensichtlich. Zu ihnen gehört, dass die Deutschen nicht einfach nur viele Tore schießen, sondern diese Tore auch auf alle möglichen Arten zustande bringen.

Viele Mannschaften verteidigen tief gegen uns, weil wir viele gute Fußballer haben.
Julian Nagelsmann

Die Partie in Freiburg bot dafür bestes Anschauungsmaterial. Die DFB-Auswahl traf nach Flanken, durch Konter, nach längeren Ballbesitzphasen, durch einen direkten Freistoß. Angesprochen auf diese Varianz nannte Nagelsmann den Abend ein „buntes Potpourri verschiedenster schöner Tore“ und gab der Veranstaltung damit den passenden Titel. Vor allem die Treffer nach Ballgewinnen freuten ihn, weil seine Mannschaft schon bei der EM im Sommer auf diese Art zu guten Gelegenheiten gekommen war, diese aber oft nicht vollendet hatte. Das war gegen Bosnien-Herzegowina anders. Sinnbildlich dafür stand das 5:0. Die Deutschen fingen im Mittelfeld den Ball ab, über zwei Stationen gelangte das Spielgerät nach vorne, Florian Wirtz vollendete zu seinem zweiten Treffer, nachdem er zuvor schon per Freistoß aus 20 Metern getroffen hatte - unter gnädiger Mithilfe des gegnerischen Torwarts Nikola Vasilj vom FC St. Pauli.

Dass für die Deutschen zum Ende des EM-Jahrs 2024 verschiedene Wege zum Tor führen, ist ein Beleg für die Spielfreude unter Nagelsmann und macht Mut für die Zukunft, vor allem gegen schwächere Gegner, die sich – wie Bosnien-Herzegowina – mit voller Mannschaftsstärke in der eigenen Hälfte verschanzen und keine Ambitionen haben, selbst zur Gestaltung des Spiels beizutragen. Die DFB-Auswahl kann wechseln zwischen geduldigem Ballbesitz und schnellen Gegenstößen, sie hat Flanken und Standardsituationen im Repertoire. „Viele Mannschaften verteidigen tief gegen uns, weil wir viele gute Fußballer haben“, sagte Nagelsmann, weshalb es wichtig sei, „nicht immer freiwillig“ in den gegnerischen Defensivblock zu laufen, sondern einen Strauß an Optionen beim Toreschießen zu haben.

Die Mannschaft ist der Torjäger

Das gilt auch personell: Gegen Deutschland zu spielen, insbesondere gegen Deutschland zu verteidigen, bedeutet im Moment auch, nicht zu wissen, auf welchen Spieler man sich konzentrieren soll. Die DFB-Auswahl hat nicht den einen gefährlichen Stürmer. Die Mannschaft ist der Torjäger. Beim rauschenden 5:1 zum EM-Auftakt gegen Schottland trafen fünf verschiedene Deutsche, genau genommen sogar sechs: der schottische Treffer war ein Eigentor von Antonio Rüdiger. Auch das 5:0 gegen Ungarn zum Start der Nations League im September wurde von fünf unterschiedlichen Torschützen verantwortet. Die sieben Treffer gegen Bosnien-Herzegowina hatten ebenfalls fünf verschiedene Urheber. Und das, obwohl der deutsche Angriff wegen der Verletzungen von Niclas Füllkrug und Deniz Undav aktuell ein Provisorium ist.

Bundestrainer Nagelsmann nannte diese beiden Namen, als er am Ende des Abends über die Offensive seiner Mannschaft sprach, doch die Fehlenden wurden nicht vermisst, weil im deutschen Kader auch ohne sie genug Torgefahr steckt. Dank der überragenden Musiala und Wirtz, dem schwer zu fassenden Kai Havertz oder DFB-Neuling Tim Kleindienst. Und dann traf auch noch ein Joker. Nämlich Leroy Sané, der bei seinem ersten Einsatz in den DFB-Farben seit der EM nach seiner Einwechselung nur acht Minuten für sein Tor brauchte. Übrigens ebenfalls nach einem Konter.

Der Weg zurück in die Weltspitze mag für die Deutschen noch nicht abgeschlossen sein, doch sie haben eine Eigenschaft, die große Mannschaften auszeichnet – sie kommen auf verschiedenen Wegen zu Toren.