Der 58-jährige Mike Tyson boxt wieder. Sein Kampf gegen Influencer Jake Paul ist zwar eher ein Show-Event, doch die Übertragung bei Netflix macht ihn besonders. Genau wie der Auftritt von «Iron Mike».
Box-Ikone kehrt zurückComeback von Mike Tyson: Für Netflix, Geld und das Boxen
Die brennende Frage nach dem Warum beantwortete Mike Tyson mit leicht verstörenden Sätzen. „Wenn ich gewinne, werde ich unsterblich sein“, sagte der einstige Box-Superstar vor seiner vieldiskutierten Rückkehr in den Ring mit ernster Miene. „Wenn ich es aber schlecht mache, möchte ich nicht in einem Krankenhausbett sterben. Ich möchte im Ring sterben.“
Die Aussagen stammen aus einer dreiteiligen Netflix-Dokumentation, die als Appetizer für den vom Streaming-Giganten übertragenen Kampf des Ex-Weltmeisters im Schwergewicht gegen Influencer Jake Paul dient. Und zumindest da liefert Tyson ab. „Ich könnte mich auch ausruhen“, sagte der 58-Jährige, „aber ich will gegen diesen Kerl kämpfen und ihm in den Arsch treten“.
Promoter: Meistgesehenes Boxevent der Geschichte
Sportlich ist das Duell des Megastars der 80er- und 90er-Jahre mit dem 31 Jahre jüngeren Konkurrenten in der Nacht zu Samstag (gegen 02.00 Uhr/Netflix) zwar nicht wirklich ernst zu nehmen. Aber die Tatsachen, dass „Iron Mike“ für einen offiziellen Kampf wieder in den Ring steigt und dass die Reichweite und Vermarktungs-Power von Netflix dahinter stehen, lässt es zu einem Mega-Event werden. Pauls Promoter Nakisa Bidarian prophezeite gar „das meistgesehene Boxereignis der modernen Boxgeschichte“.
Im AT&T Stadium in Arlington/Texas, dem Stadion der Dallas Cowboys in der NFL, werden 80.000 Fans dabei sein. Netflix will mit dem Event das Potenzial von Sport-Übertragungen austesten. „Ich finde es sensationell“, sagte Axel Schulz der Deutschen Presse-Agentur, „weil es dadurch wieder Aufmerksamkeit für die Sportart gibt. Das ist weltweit gut fürs Boxen“.
Und die Gage stimmt auch. Experten gehen davon aus, dass Tyson als großes Zugpferd der Nummer zwischen 50 und 100 Millionen Euro kassieren wird. Und das dürfte auch der Hauptgrund für seine Rückkehr sein.
Tiger in der Villa? Das war einmal
Der schillernde Boxstar konnte sich zu besten Zeiten alles kaufen, was er wollte. Auch Löwen und Tiger, die sich Tyson in seiner Luxus-Villa in Maryland hielt. Eine halbe Milliarde US-Dollar habe er in seinem Leben verprasst, sagte Tyson einmal. Der extravagante Lebensstil, falsche Freunde, schlechte Entscheidungen - all das führte 2003 in die finanzielle Pleite. Die letzte Million auf seinem Konto, verriet Tyson, habe er für eine Reha gegen seine Alkohol- und Drogensucht ausgegeben.
Es ist irgendwie auch wieder typisch für Tyson, dass er sich ausgerechnet durch die Beteiligung an einer Firma für Cannabis-Produkte finanziell wieder erholt hat. Doch das ganz große Geld fließt nicht mehr, der Netflix-Deal ist verständlicherweise verlockend. Aber dafür die Gesundheit riskieren? „Ich würde es nicht tun, wenn es nicht riskant wäre und ich mich nicht blamieren könnte“, sagte Tyson: „Ich will meine Ängste überwinden.“
Wegen seines Schwächeanfalls in einem Flugzeug und den Folgen eines Magengeschwürs musste der ursprünglich für Juli geplante Kampf in den Herbst verschoben werden. Medienberichten zufolge muss sich Tyson 24 Stunden vor dem Fight einem finalen Gesundheitscheck unterziehen. Sollten Zweifel bestehen, könnte das zu einer kurzfristigen Absage führen. Oder das Event wird auch offiziell zu einem Showkampf heruntergestuft.
Tyson macht eine gute Figur
Schon jetzt gelten einige Sonderregeln, die vor allem Tysons Gesundheit schützen sollen. Geboxt wird nur über acht statt zwölf Runden, die jeweils auch nur zwei Minuten lang sind. Eine „Mädchen-Distanz“ nennt es Schulz: „Deswegen kann man nur von einem Showkampf sprechen.“ Er geht sogar von einer „abgesprochenen Nummer“ aus, „der wird den Jake Paul da nicht auseinandernehmen, obwohl er es könnte“.
Rein äußerlich gibt Tyson eine gute Figur ab. Auf seinen Social-Media-Kanälen postet er fleißig Bilder und Videos von sich beim Training. Der Körper ist austrainiert, die Schläge sind wuchtig, die Bewegungen geschmeidig. An seiner Seite ist erneut Trainer Rafael Cordeiro, der ihn schon 2020 beim Showkampf gegen Roy Jones junior betreut hatte.
Paul spuckt große Töne
Und was macht Jake Paul für Netflix als Tyson-Gegner so interessant? Seine Follower-Zahlen. Bei Instagram folgen ihm 27 Millionen Fans, bei Youtube 20,8 Millionen. Der Amerikaner, bei dessen Geburt Tyson schon zwölf Profijahre auf dem Buckel hatte, begann seine Karriere in den sozialen Medien als Influencer und steht erst seit 2020 im Ring. Großen Eindruck hat er in seinen zehn Kämpfen nicht gemacht. „Ich werde das neue Gesicht des Boxens sein“, tönte Paul dennoch: „Ich bringe Mike Tyson bei, wie man boxt.“
Über solch anmaßende Sätze kann Tyson nur müde lächeln. Der Mann hat im Boxsport alles erlebt. Den Aufstieg zum jüngsten Schwergewichts-Weltmeister der Geschichte als 20-Jähriger. Die goldenen Jahre als Champion. Die Demütigungen nach Niederlagen wie 1990 gegen den krassen Außenseiter Buster Douglas oder Aussetzern wie im „Bite Fight“ 1997 gegen Evander Holyfield. Und auch den tiefen Fall als Süchtiger und Krimineller.
Aber Mike Tyson ist immer wieder aufgestanden. „Im Boxen sagt man: Ein bewegliches Ziel ist schwer zu treffen. Und das gilt auch fürs Leben“, sagte er in der Netflix-Doku. (dpa)