Die Familie Kapp prägt das deutsche Curling seit Jahrzehnten. Nach Opa Charlie, Papa Andy und Onkel Uli setzt nun Benjamin die Familientradition fort. Bei der WM will er sich einen Traum erfüllen.
WintersportMit Curling-Gen im Blut: Deutsche Männer wollen zu Olympia

Benjamin Kapp tritt in große Fußstapfen.
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Ob es bei Treffen der Familie Kapp auch mal ein anderes Thema als Curling gibt? Vater Andy, sein Sohn Benjamin und dessen Onkel Uli müssen bei dieser Frage schmunzeln. „Gibt es auch, aber es ist natürlich auch schon sehr viel Curling dabei“, sagt Bundestrainer Uli Kapp. Es gehöre in dieser curlingverrückten Familie aus dem Allgäu einfach dazu, darüber zu reden, räumt Benjamin ein.
Das deutsche Curling ohne einen Kapp? Seit Jahrzehnten ist das kaum vorstellbar. Erst spielte Opa Charlie, der 1991 in Chamonix in Frankreich Europameister wurde. Dann folgten die Söhne Andy und Uli, die die bislang erfolgreichste Ära im deutschen Männer-Curling in den 90er und 2000er Jahren mit mehreren EM-Titeln und WM-Medaillen prägten.
EM-Titel soll nur der Anfang sein
In die großen Fußstapfen will nun Benjamin Kapp treten. Er setzt die Familiendynastie in der Nischensportart fort, die aufgrund ihres taktisch geprägten Stils häufig auch als „Schach auf dem Eis“ bezeichnet wird. Und er hat die Erfolgsgeschichte zumindest um ein Kapitel auch schon weitergeschrieben.
Bei der Europameisterschaft in Finnland im vergangenen November war Kapp Teil des jungen Teams, das überraschend den Titel holte. Es war das erste EM-Gold für deutsche Männer seit 2004. Der Triumph könnte der Anfang einer neuen Ära mit einem Kapp sein.
Junges Team will auch bei WM auftrumpfen
Ab dem Wochenende geht es für die Mannschaft um Benjamin Kapp und Skip Marc Muskatewitz im kanadischen Moose Jaw um Medaillen bei der Weltmeisterschaft. In der Vorrunde im Modus jeder gegen jeden trifft die deutsche Mannschaft zunächst in der Nacht zum Sonntag mitteleuropäischer Zeit auf den Gastgeber.
Danach stehen elf weitere Partien auf dem Programm, ehe die besten sechs Teams die Playoff-Runde erreichen. Letztmals stand ein deutsches Team 2007 auf dem Treppchen. Bei dem Erfolg dabei: Andy und Uli Kapp, die Silber holten.
„Das Feld wird das stärkste Feld aller Zeiten sein“, sagt Andy, der dem Curling nicht nur als Vater verbunden geblieben ist. Kapp ist als Coach im Nachwuchsbereich tätig und trainierte auch seinen Sohn, als dieser noch zum Juniorenbereich zählte. „Seit einem Jahr bin ich eigentlich Zuschauer“, erklärt der 57-Jährige.
Kaum Erinnerungen ans erste Mal
„Gerade mein Papa redet oft über alte Curling-Geschichten, aber jetzt nicht gerade über Erfolge, sondern eher über lustige Storys“, sagt Benjamin Kapp, dem eine erfolgreiche Curling-Karriere quasi in die Wiege gelegt wurde.
Sein Vater nahm ihn als kleinen Jungen in die Eishalle mit. „An das erste Mal auf dem Eis kann ich mich gar nicht so richtig erinnern“, sagt der Youngster. Er sollte ein paar Steine hin- und herschieben. Es blieb auf jeden Fall nicht nur bei dem einen Mal.
Olympia-Qualifikation als Ziel
In Kanada geht es für die deutschen Männer nicht nur um eine WM-Medaille. „Das Ziel bei der WM ist natürlich die direkte Qualifikation für Olympia“, sagt Kapitän Muskatewitz mit Blick auf die Winterspiele in Mailand und Cortina d'Ampezzo, die in etwas mehr als zehn Monaten stattfinden.
Für sieben der zehn Startplätze in Italien ist ein Punktesystem ausschlaggebend, das auf den Ergebnissen von den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr und in diesem Jahr beruht. 2024 wurde Deutschland Fünfter. Die Chancen auf ein direktes Ticket stehen also gut. Nicht nur Benjamin Kapp träumt davon, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. „Das ist für die meisten Sportler das absolute Highlight“, sagt er.
Quali für deutsches Curling „sehr, sehr wichtig“
Für den Deutschen Curling Verband ist eine Olympia-Teilnahme sowohl finanziell als auch für die öffentliche Wahrnehmung mit einem Millionenpublikum vor den Bildschirmen „sehr, sehr wichtig“, wie Uli Kapp betont. Es sei „allerhöchste Zeit“, mal wieder bei Winterspielen dabei zu sein, sagt Andy. „Warum kriegt der Bob- und Schlittensport Millionen an Zuschüssen? Weil sie eine Goldmedaillen-Schmiede für Deutschland sind.“
Curling hingegen habe hierzulande große infrastrukturelle Probleme, sagt Bruder Uli. Man habe mittlerweile nur noch rund eine Handvoll reine Curlinghallen. „Wir waren da schon mal ganz anders aufgestellt.“ Mit „anders“ meint der Bundestrainer besser.
Doch in den vergangenen Jahren blieben die Erfolge aus. Für Olympia 2018 in Pyeongchang und für Peking vier Jahre später konnte sich kein einziges deutsches Team qualifizieren. Da befanden sich Uli und Andy schon im Curling-Ruhestand. Vielleicht braucht es einfach nur wieder einen Kapp in der Mannschaft, um die olympische Durststrecke zu beenden. (dpa)