Für die «Gazzetta dello Sport» war es die «schönste halbe Stunde in der Geschichte der Classicissima». Ein Happy End gibt es für Hauptdarsteller Tadej Pogacar aber nicht.
116. Mailand-SanremoPogacar verzweifelt an van der Poel: „Kann nicht zaubern“

Im Sprint holt sich Mathieu van der Poel den Sieg.
Copyright: Massimo Paolone/LaPresse/AP/dpa
Ratlosigkeit machte sich bei Tadej Pogacar breit, bevor er sich auf die einstündige Heimreise nach Monaco aufmachte. „Wir haben alles versucht. Wir haben das Rennen explosiv gemacht, aber es war nicht genug“, sagte der Straßenrad-Weltmeister nach seinem nächsten gescheiterten Angriff auf den Sieg beim Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo: „Es ist hier schwer für mich, den Unterschied zu machen. Man kann nicht zaubern.“
Attacke für Attacke hatte Pogacar auf den letzten beiden Anstiegen abgefeuert, die Cipressa war er in Rekordzeit von 8:55 Minuten auf 5,6 Kilometer hinaufgestürmt, doch in seinem Windschatten ließ sich Ex-Weltmeister Mathieu van der Poel einfach nicht abschütteln. Schließlich spielte der niederländische Klassiker-König beim Finale furioso der 116. Auflage auf der Via Roma seine Sprintqualitäten aus und siegte vor dem auf den letzten Kilometern zurückgekommenen Zeitfahr-Spezialisten Filippo Ganna aus Italien und Pogacar.

Bei den Attacken von Tadej Pogacar ließ sich Mathieu van der Poel nicht abschütteln.
Copyright: Gian Mattia D'Alberto/LaPresse/AP/dpa
„Danke Sanremo, für die schönste halbe Stunde in der Geschichte der Classicissima“, schwelgte die „Gazzetta dello Sport“ nach einem epischen Rennen, das den Alleskönner Pogacar allmählich in die Verzweiflung treibt. „Ich hasse Mailand-Sanremo nicht, aber eines Jahres muss es richtig laufen. Wir werden nächstes Jahr auf jeden Fall wiederkommen, um mehr zu erreichen.“
Fünfter Anlauf ohne Erfolg
Tour de France, Giro d'Italia, WM oder Klassiker wie Lüttich-Bastogne-Lüttich oder die Flandern-Rundfahrt hat Pogacar bereits mit scheinbarer Leichtigkeit gewonnen, aber dieses verflixte Sanremo scheint ihm nicht zu gelingen. Fünfmal hat er es schon versucht, gejubelt haben immer andere.
„Ich würde es bevorzugen, wenn der Poggio (Anm.: letzter Anstieg) fünf Kilometer lang mit zehn Prozent Steigung wäre, aber es ist, wie es ist“, so Pogacar, der bereits im Vorfeld haderte, dass ihn dieses Rennen noch ins Grab bringen werde.
Vorzuwerfen hat sich der Slowene nichts. Auch van der Poel sprach vom „perfekten Rennen“ von Pogacar. „Wenn meine Beine etwas schlechter gewesen wären, hätte er gewonnen. Er ist ein Talent, wie man es nur einmal in einer Generation sieht. Er ist so stark, dass er einen Weg finden wird, hier zu gewinnen. Er wird es jedes Jahr erneut versuchen, bis es ihm gelingt, da bin ich mir sicher“, sagte der 30-Jährige.
Sieben Siege für MvP bei den Monumenten
Van der Poel, mit neun WM-Titeln auf der Straße, im Cross und auf Kies dekoriert, ist der große Gegenspieler von Pogacar bei den Klassikern. Mit seinem zweiten Sieg in Sanremo nach 2023 bringt es MvP auch schon wie Pogacar auf eine stattliche Zahl von sieben Siegen bei den Monumenten. Fortsetzung folgt in zwei Wochen bei der Flandern-Rundfahrt, wo Pogacar womöglich wieder etwas im Vorteil sein könnte.
Und dann Paris-Roubaix? „Kann ich noch nicht sagen“, meinte Pogacar knapp. Nach dem verlorenen Duell in Sanremo versprühte der Weltmeister nur wenig Lust, sich mit van der Poel auf dem harten Kopfsteinpflaster in der Hölle des Nordens anzulegen. Dort gibt es zwischen all den tristen Rübenäckern erst recht keine Anstiege, um den Unterschied zu machen. Und die Gefahr von schweren Stürzen ist unweit größer.
Merckx und Co. bislang unerreicht
Doch Pogacar liebt Herausforderungen. Paris-Roubaix und Mailand-Sanremo fehlen ihm von den fünf Rad-Monumenten noch. Nur den früheren belgischen Größen Eddy Merckx, Rik van Looy und Roger De Vlaeminck sind Siege bei allen fünf großen Klassikern gelungen. Doch das ist schon rund 50 Jahre her.
Pogacars Verlobte Urska Zigart hatte übrigens auch ein wenig erfreuliches Sanremo-Erlebnis. Im Frauen-Rennen kam sie beim niederländischen Doppelsieg von Lorena Wiebes und Marianne Vos nicht über Platz 49 hinaus. Gut, dass die Heimfahrt nicht allzu lange dauerte. (dpa)