Niemand im deutschen Team war in Tokio und Paris so erfolgreich wie Jessica von Bredow-Werndl. Jetzt hat die Reiterin eine ganz besondere Stute im Stall - das Pferd einer ehemaligen Konkurrentin.
Nach viermal Olympia-GoldVon Bredow-Werndls Neustart mit speziellem Pferd
Nach dem Ende der Dalera-Ära lässt es Jessica von Bredow-Werndl etwas ruhiger angehen. Mit ihrem neuen Pferd will sich die viermalige Dressur-Olympiasiegerin Zeit lassen. „Ich habe bis vor einigen Monaten gedacht, dass es dieses unmittelbare Anknüpfen mit dem nächsten Pferd braucht“, sagte von Bredow-Werndl, die ihre Gold-Stute Dalera in den sportlichen Ruhestand verabschiedet hat. „Aber ich habe mir jetzt ganz bewusst etwas Zeit zum Durchatmen genommen.“ Langfristig will sie freilich wieder vorne mitreiten und hat beim Neustart die Heim-WM 2026 im Blick. Und das könnte mit einem Pferd mit einer besonders interessanten Vorgeschichte gelingen.
Seit ein paar Wochen hat sie die Stute Kismet im Training, deren Ankunft für viel Aufsehen gesorgt hat. Denn das neunjährige Pferd wurde bisher von einer langjährigen Konkurrentin geritten, der dreimaligen Olympiasiegerin Charlotte Dujardin. Und die hatte für einen Skandal gesorgt, der vor den Olympischen Spielen hochkam. Ein Video wurde öffentlich gemacht, in dem zu sehen ist, wie die britische Dressurreiterin auf das Pferd einer Schülerin mehrfach mit einer Peitsche einschlägt.
„Wir sind alle fassungslos“
„Wir sind alle fassungslos“, kommentierte die achtmalige olympische Gold-Gewinnerin Isabell Werth die Bilder. Die Rekordreiterin kritisierte wie ihre Teamkollegin das Verhalten der britischen Reiterin, die seitdem suspendiert ist. „Wir waren geschockt und dann eigentlich nur noch wütend“, sagte von Bredow-Werndl bei einer Medienrunde in Paris.
Zwei der Pferde, die Dujardin bis zum Erscheinen des schockierenden Videos ritt, haben inzwischen den Stall gewechselt. Ihr EM-Pferd Imhotep wird jetzt von der Österreicherin Diana Porsche geritten. Und Kismet ist nun auf der Reitanlage Aubenhausen im Landkreis Rosenheim bei der Familie Werndl zu Hause.
Vier Starts, vier Siege
„Der Züchter und Besitzer Peter Belshaw hat einen neuen Reiter für dieses Pferd gesucht und ist auf uns zugekommen“, berichtete von Bredow-Werndl. „Es ist nicht von uns aktiv vorgegangen worden. Die Zusammenarbeit mit Kismet ist für mich eine weitere Zukunftschance neben den anderen Pferden, die ich seit einigen Jahren ausbilde.“ Kismet ist eine besonders vielversprechende Hoffnung: Bei bisher vier internationalen Prüfungen kam die noch junge Stute mit Dujardin viermal auf Platz eins.
Von Bredow-Werndl will sich Zeit nehmen. „Ob wir im Sommer schon wieder auf der großen Bühne sind oder im Herbst oder im Winter, das lasse ich jetzt mal auf mich zukommen“, sagte sie mit Blick auf das kommende Jahr. „Das fühlt sich gut an, und es fühlt sich so an, dass ich eine reelle Chance haben kann, bei der Weltmeisterschaft 2026 in Aachen wieder dabei zu sein.“
„Ich genieße es gerade, aus diesem höher, schneller, weiter einmal auszusteigen“, betonte die 38 Jahre alte Reiterin, die mit zweimal Doppel-Gold in Tokio und in Paris so erfolgreich war wie sonst niemand im deutschen Team. Sie will „Luft holen, mich wieder in Ruhe mit den nächsten Pferden auf die kommenden Aufgaben vorbereiten“. Die Dressur-Künstlerin sagt: „Ich hätte das alles vielmehr forcieren können, dass ich jetzt gleich mit dem nächsten Pferd in den Wettkampf einsteige, aber dieser Abstand für ein paar Monate tut mir gut.“
„Loch“ nach den Spielen in Tokio
Langweilig ist der zweifachen Mutter deshalb noch lange nicht. „Und es ist ja nicht so, dass ich nicht weiter trainiere“, betonte die Reiterin, die mehrere jüngere Pferde auf große Prüfungen vorbereitet. Außerdem kümmert sich von Bredow-Werndl weiter um die Sport-Rentnerin Dalera.
Die Reiterin lässt es aus bitterer Erfahrung etwas ruhiger angehen. Denn nach dem Doppel-Gold von Tokio war sie „in ein Loch gefallen“, wie sie berichtete. „Jetzt nach Paris habe ich besser auf mich aufgepasst, und dieses Loch ist zum Glück bisher nicht gekommen, und ich gehe auch davon aus, dass es nicht mehr kommt. Ich war wohl mental darauf vorbereitet, dass es das verhindert hat.“ (dpa)