Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Formel 1Wütender Verstappen mit Maulkorb - „Eis-Junge“ nun WM-Primus

Lesezeit 5 Minuten
Keine gute Laune beim Weltmeister.

Keine gute Laune beim Weltmeister.

Oscar Piastri gewinnt auch in Dschidda und ist nun der WM-Führende. Das sorgt aber nicht für Frust und Ärger bei Max Verstappen, der als Zweiter mehr als Schadensbegrenzung betreibt.

Max Verstappen verließ den Dschidda Corniche Circuit mit einem dicken Hals. Und der Grund hieß nicht Oscar Piastri, der den 27 Jahre alten Niederländer mit dessen Waffen bezwungen hatte. Im Gegenteil: Selbst Verstappen lobte den Mann der Stunde in der Formel 1: „Er liefert ab, wenn er es muss, er macht kaum Fehler - und das brauchst Du, wenn Du um die WM kämpfen willst.“ Die Wut des viermaligen Weltmeisters richtete sich stattdessen und einmal mehr gegen die Rennkommissare und den Verband. 

Sieg Nummer drei schon in diesem Jahr.

Sieg Nummer drei schon in diesem Jahr.

Nur reden wollte er darüber nicht - aus Angst vor den drakonischen Strafen, die in dieser Saison fürs Fluchen und auch Aussagen, die dem Internationalen Automobilverband schaden, drohen. „Alles, was ich sagen würde, könnte mir Probleme bringen“, erklärte Verstappen.

Direkt nach dem Rennen fertigte er noch völlig verschwitzt Ex-Pilot David Coulthard als Interviewer ab. „Ich will es kurz machen. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Fans hier in Dschidda bedanken.“ Gefragt hatte Coulthard, der einst selbst für Red Bull fuhr, allerdings nach der alles entscheidenden Szene und der Entscheidung der Rennkommissare. 

„Ich habe natürlich meine eigene Meinung, aber das ist egal. Darüber dürfen wir nicht reden. Wir dürfen natürlich auch nicht negativ sein“, erklärte Verstappen später immer wieder vor diversen TV-Kameras. 

Verstappen nimmt die Abkürzung

Völlig überraschend nach dem Wochenende zum Vergessen in Bahrain zuvor hatte sich Verstappen die Pole für den fünften Grand Prix der Saison gesichert. Neben ihm stand Piastri, während dessen Teamkollege Lando Norris einmal mehr Nerven gezeigt und einen Unfall in der Qualifikation gebaut hatte. Der bis dahin noch WM-Führende musste von Platz zehn losfahren.

Vorn passierte die Aufreger-Szene, die noch länger für Gesprächsstoff sorgen wird. Piastri erwischte einen etwas besseren Start und drängte sich neben Verstappen. Für den Niederländer wurde es eng, Piastri zog seine harte, aber faire Linie durch, Verstappen wich aus, verließ die Strecke in der ersten Kurve und kürzte ohne zu verlangsamen ab. 

Das ist eigentlich nicht erlaubt, wird aber immer wieder zum Streit- und Diskussionsthema. Hätte er Piastri freiwillig vorbeigelassen, hätte es keine Strafe gegeben. Doch darauf ließen sich Verstappen und Red Bull nicht ein, sie fühlten sich ja im Recht. Also musste Verstappen beim Boxenstopp fünf Sekunden abbrummen. 

Das Rennen war damit entschieden. Piastri feierte bereits seinen dritten Saisonsieg und übernahm zum ersten Mal in seiner Karriere die WM-Führung. Norris, der auch noch hinter Ferrari-Fahrer Charles Leclerc Vierter wurde, liegt nun 10 Punkte hinter Piastri, Verstappen hat 12 Zähler weniger als der Spitzenreiter. Doch vorerst deutet vieles vor allem auf einen Zweikampf zwischen Piastri und Verstappen hin. 

„Eiskalt und skrupellos“

„Oscar Piastri ist der Anführer, den McLaren braucht“, schrieb Spaniens „Sport“. Italiens „La Gazetta dello Sport“ taufte den ultracoolen Piastri bereits den „Eis-Jungen von McLaren“ und „As“ schrieb: „Aus den 'Papaya-Regeln' und der weichen Hand von McLaren ist ein eiskalter und skrupelloser Fahrer hervorgegangen, der Verstappen die Stirn bieten und ihm eine Kostprobe seiner eigenen Medizin geben kann.“

Wer glaubt, dass das Verstappens Laune verhageln könnte, täuscht sich. Auf der Strecke ist seine Welt Rennfahren. Wie bei Piastri. Dass Verstappen mit dem verhaltensauffälligen Red Bull, der auch in Dschidda zunächst nicht nach einem Wagen fürs Podest oder gar den Sieg aussah, am Ende sogar noch mal bis auf gute zwei Sekunden an Piastri rankam, belegte, zu was Verstappen in der Lage ist. Erst recht, wenn er sauer ist. 

Egal, wo er sich aber danach zu der Strafe äußern sollte, wich er aus. „Um ehrlich zu sein, ich denke, jedes Wort darüber ist einfach Zeitverschwendung für alle“, sagte Verstappen. „Bei zwei oder drei Fahrern ist das gleiche passiert und es hat Verwarnungen gegeben. Also die fünf Sekunden waren schon etwas harsch“, sagte dafür Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko.

Teamchef Christian Horner breitete anschließend sogar Fotos in seiner Medienrunde auf dem Tisch aus, die belegen sollten, dass Verstappen im entscheidenden Punkt der Kurve vorn gewesen sein soll und damit Piastri hätte zurückstecken müssen. Nur machte er genau das nicht, was die meisten anderen, wenn nicht sonst alle gegen Verstappen machen. „Als ich innen war, war mir klar: Ich werde hier nicht als Zweiter rauskommen“, betonte Piastri. So reden und handeln Champions.

Verstappens Reaktion auf die Durchsage seines Renningenieurs zur Zeitstrafe musste teils weggepiept werden. Um jegliches weiteres Strafenrisiko zu vermeiden, verpasste er sich danach nicht zum ersten Mal einen Maulkorb. Das wiederum führte zu recht eigenwilligen und skurrilen Dialogen.

Fluchen und kritisieren - im schlimmsten Fall droht Fahrverbot

Auf die Frage in der offiziellen Pressekonferenz, ob er mal erzählen könne, was am Start passiert sei, sagte Verstappen: „Der Start ist passiert. Kurve eins ist passiert und auf einmal war's schon Runde 50.“ Auf eine weitere Nachfrage entgegnete er: „Es ging alles sehr schnell.“ 

Die Zurückhaltung kommt nicht ohne Grund. Maximal 120.000 Euro können Verstöße gegen die vermeintlichen Benimm-Regeln im Wiederholungsfall die Fahrer kosten, und sogar ein einmonatiges Fahrerverbot ist vorgesehen. Dass Verstappen durch sein Fluchen über den Red Bull einst in Singapur den Fia-Präsidenten Mohammed bin Sulayem zu dessen viel kritisierten und rigorosen Kurs verleitete, macht die Angelegenheit noch pikanter. Fortsetzung folgt garantiert. Nächster Stopp Miami. (dpa)