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Vor Halbfinale in KölnFokus auf Dänemark – Trainer Gislason ist der Architekt des DHB-Teams

Lesezeit 5 Minuten
24.01.2024, Nordrhein-Westfalen, Köln: Handball: EM, Deutschland - Kroatien, Hauptrunde, Gruppe 1, 4. Spieltag, Lanxess Arena. Deutschlands Trainer Alfred Gislason reagiert im Spiel. Foto: Tom Weller/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

24.01.2024, Nordrhein-Westfalen, Köln: Handball: EM, Deutschland - Kroatien, Hauptrunde, Gruppe 1, 4. Spieltag, Lanxess Arena. Deutschlands Trainer Alfred Gislason reagiert im Spiel. Foto: Tom Weller/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Euphorie um das deutsche Team erhielt zwar einen Dämpfer. Dennoch war Gislasons Team der Gewinner des Abends.

Vor jedem Spiel bei dieser EM marschiert Alfred Gislason nach seiner Mannschaft seiner Bank entgegen, das Kreuz im schwarzen T-Shirt durchgedrückt, zuletzt in Köln frenetisch empfangen von fast 20 000 Menschen, die in jenem Moment seinen Namen laut in die Hallenluft kreischen. Der Bundestrainer, 64 Jahre alt, ist der mit Abstand erfahrenste Gesandte im Kader des deutschen Teams. Als Spieler war der Isländer schon erfolgreich, zweimal deutscher Meister mit TuSEM Essen in den 1980er Jahren.

Als Trainer wiederum ist er eine Koryphäe, sieben Mal Meister mit dem SC Magdeburg (ein Titel) und dem THW Kiel (sechs Triumphe), hinzu kommen sechs Pokalsiege mit Kiel und drei Champions-League Erfolge, einer mit dem SCM, zwei mit dem THW. Mittlerweile ist Gislason, der einst auch den VfL Gummersbach coachte, der Architekt der deutschen Nationalmannschaft, die er in Köln ins Halbfinale der Heim-EM führte.

Dämpfer der Euphorie gegen Kroatien

Die Euphorie rund um das deutsche Team, die derzeit in der Lanxess-Arena mit vieltausendfachen Anfeuerungen und spektakulären Dezibelwerten akustisch zu bestaunen ist, erhielt gleichwohl am Mittwochabend einen Dämpfer. Erstmals waren Pfiffe zu vernehmen, während der immer höher ausfallenden Niederlage gegen die Kroaten. Am Ende stand eine deftige 24:30-Pleite.

Und dennoch waren Deutschland und Gislason die Gewinner des Abends. Denn trotz dieses Rückschlags hat die DHB-Auswahl das Halbfinale erreicht, und damit das hochgesteckte Turnierziel. Das stand schon vor ihrem letzten Spiel fest: „Wahrscheinlich lag es daran, dass wir so schwach gegen Kroatien ausgesehen haben. Die Konzentration fiel uns schwer“, mutmaßt Kai Häfner, der Mann aus dem rechten Rückraum.

Gegner im Halbfinale ist Dänemark, und um nun noch eine Stufe höher im Turnierbaum klettern zu können, müsse seine Auswahl „das beste Spiel des letzten Jahrzehnts abliefern“, sagt Gislason, so stark seien die Dänen, die zuletzt gleich drei WM-Titel hintereinander gewannen. Doch wie passt der Rückschlag gegen die Kroaten da ins Konzept?

Der Veteran Gislason hat seine Mannschaft gar nicht mehr mit dem letztlich unbedeutenden Spiel konfrontiert, auch wenn ihn der Ausgang sichtlich genervt und geärgert hat. Er hat ihn aber bewusst in Kauf genommen, indem er über eine lange Strecke seine zweite und bisweilen sogar dritte Garde auf die blaue Platte jagte, die zwar mithalten konnte, allerdings vor dem Tor zum zweiten Mal innerhalb dieses Turniers völlig versagte. Gegen Österreich ist das dem Team beim 22:22 am vergangenen Samstag auch schon passiert.

Auch Dänemark schonte seine Favoriten

Und dennoch: Am Donnerstagmorgen hat Gislason seine Mannschaft im Besprechungsraum mit Videosequenzen von Dänemarks Stärken empfangen, kein Wort mehr zu Kroatien und den Fehlerbildern vor dem Tor des Gegners. Zu der jüngsten Niederlage hat Gislason ohnehin eine klare Meinung: „Ich wäre unzufriedener, wenn wir mit unserer besten Mannschaft unentschieden gespielt oder mit einem Tor Vorsprung gewonnen hätten. Dann wäre es deutlich schwieriger geworden gegen Dänemark.“ Wegen des Kräfteverscheißes. Die Handball-Maschinen aus dem Norden hatten zuletzt beim unbedeutenden 25:28 gegen Slowenien auch ein B-Team aufgeboten und zudem einen freien Tag mehr als die Deutschen.

Am Donnerstagnachmittag gab es vom Handball-Lehrer Gislason, dem studierten Historiker, eine weitere Video-Dosis Unterricht in dem Fach Dänemark. Mentale Vorbereitung, dazu der Versuch das Gespenst mit Namen Abschussschwäche aus den Köpfen der Spieler zu vertreiben. Dazu körperliche Pflege, aber kein Training mehr in der Halle. Seit fast einem Jahr habe Gislason seine Mannschaft auf das Erreichen des Halbfinales, eingeschworen. Viel getestet habe er und ein neues Team gebildet, weshalb er nun „stolz ist, dass wir es geschafft haben“. Es dürfte ihn nicht stören, dass es bisher noch kein Team mit lediglich fünf Punkten in der Hauptrunde in die Medaillenspiele geschafft hat. Die Konstellation war günstig, die Deutschen haben das ausgenutzt.

Verbandsseite gibt deutliche Zeichen, die Zusammenarbeit mit Gislasons zu verlängern

Für ihn selbst könnte das positive Folge haben. Gislasons Vertrag läuft bis zum Olmypia-Qualifkationsturnier im Frühjahr und bei erfolgreichem Ausgang – oder Direktqualifkation bei diesem Turnier entweder als Sieger oder Dritter hinter den schon qualifizierten Franzosen oder Dänen – bis zum Turnier von Paris im Sommer. Von Verbandsseite gibt es deutliche Zeichen, die Zusammenarbeit mit Gislasons zu verlängern. Er selbst hatte sich in der Vergangenheit mehrfach positiv über seine Auswahl geäußert, das gipfelte in der Aussage: „Ich liebe diese Mannschaft.“ Bei einer derartigen Gefühlslage lässt man seine Favoritin eher nicht im Stich.

Gislason schätzt ihre Jugend und Perspektive mit Topspielern wie Andreas Wolff im Tor, Julian Köster und Johannes Golla in der Abwehr und dem Hochbegabten Juri Knorr als Spielmacher.

Nicolaj Jacobsen gab unterdessen eine Empfehlungsdepesche für Gislason ab, Dänemarks Weltmeister-Macher und aktueller Coach sagte am Donnerstag: „Alfred ist eine riesige Kapazität als Trainer. Er ist einer der besten, die es gibt. Ich schätze seine erfolgreiche Arbeit.“ Gislason saß am Donnerstag direkt neben dem Dänen, anfangs noch grimmig zuhörend, nach der Laudatio aber durchaus grinsend. Zum Abschied dann: Umarmung der beiden. Bis zum Anwurf am Freitag um 20.30 Uhr (live im ZDF) dürfte diese innige Nähe noch anhalten. Und danach wieder aufflammen.