Der Rekordmeister präsentierte sich in Leverkusen erschütternd schlecht. Thomas Müller attackiert deshalb seine Kollegen auf dem Platz - und auch seinen Trainer.
KommentarMüllers Kritik an seinen Bayern trifft in allen Punkten den Kern
Thomas Müller, der treue Spieler und Außenminister des FC Bayern München, ist ein witziger, charmanter und vor allem kluger sowie ehrlicher Analyst der Dinge, die beim Rekordmeister sportlich geschehen. Auch wegen dieses Auftretens ist er erstens bundesweit auch bei Nicht-Bayern-Fans sehr beliebt. Und wird zweitens immer nach dem Befinden seines Klubs befragt. Auch nach der für Bayern-Verhältnisse infamen Niederlage bei Bayer 04 Leverkusen stellte sich Müller also vor ein Mikrofon und begann zu erzählen. Doch dabei gab es eine Premiere zu bestaunen, die viel aussagt, über den Zustand des Klubs, der zuletzt elfmal in Folge deutscher Meister wurde. Denn: Thomas Müller war aufgebracht und wütend.
Die vielen Baustellen des Rekordmeisters
Er ist nicht ausfallend geworden. Aber er hat im Sinne seines Klubs die Fassung verloren. Sein Monolog beinhaltete viele Kapitel des Misslingens, die in diesen Anklagepunkten mündeten: Zu viel Kopf, zu wenig Freiheit. Zu wenig Intuition, zu viel Schematik. Zu viel Druck, zu wenig Energie. Zu viel Ballgeschiebe, zu wenig Risiko. Zu wenig Spielintelligenz, Selbständigkeit, Freiheit, zu viele Bremsen im Kopf.
Leblos, ängstlich, zurückhaltend: Das ist eine brutale, gleichwohl aber sehr richtige Zustandsbeschreibung des FC Bayern der Gegenwart, der in diesem Jahr noch überhaupt nicht zu sich gefunden hat und nun einen vorentscheidenden Rückschritt im Kampf um die zwölfte Meisterschaft in Serie erlitten hat. Müller wollte ausdrücklich die Spieler in den Mittelpunkt seiner Kritik stellen und den Trainer davon verschonen. Aber letztlich sind die von ihm angesprochenen Symptome durchaus auch eine Sache, die in Richtung des Kompetenzbereichs von Thomas Tuchel geht. Dafür, dass seine Mannschaft keine einzige Torchance in einem Spitzenspiel besaß – das gab es gefühlt noch nie – sind selbstredend die viel zu passiven Spieler verantwortlich.
Für Trainer Tuchel wird es sehr ungemütlich
Aber dass der Trainer ihnen ein im Müllerschen Wortsinn verkopftes, am Gegner orientiertes System für die Leverkusen-Partie implantierte, Stichwort die plötzlich angeordnete Dreierkette, das sie aber offenbar zu viel nachdenken und zu wenig frei sein ließ, ist schon ein eklatanter Trainer-Fehler. Tuchel hat seiner Mannschaft schlicht zu viel zugemutet und ihr keine Lösungen aufgezeigt gegen das System Bayer 04 wenigstens einmal gefährlich aufs Tor zu schießen. Keinen Nachschub für den Trophäenschrank zu liefern, das ist in München, wo Titel zur DNA gehören, quasi verboten.
Tuchel aber steuert auf eine Saison ohne Feier zu. Dieser Fakt gemischt mit der Kritik-Salve des Thomas Müller lässt nichts Gutes für die Zukunft der Ehe FC Bayern-Tuchel erahnen. Es sind dort schon Trainer wegen deutlich geringerer Vergehen entlassen worden.