Fortunas Neuzugang Jannik Löhden„Köln hat den Ausschlag gegeben“
- Jannik Löhden wechselte vor wenigen Wochen von Rot-Weiß Oberhausen zum SC Fortuna.
- Der Verteidiger wohnt schon länger in Köln – aber nun muss er endlich nicht mehr einige Stunden täglich auf der Autobahn verbringen.
- Im Interview spricht der 31-Jährige über seine Ziele mit der Fortuna. Zudem blickt er kritisch auf seine Zeit beim FC Viktoria Köln zurück.
Köln – Herr Löhden, warum verlässt man als Kapitän, Leistungsträger und Identifikationsfigur einen Spitzenklub wie Rot-Weiß Oberhausen und schließt sich dem „Projekt“ Fortuna Köln an?
Ausschlaggebend war definitiv der Standort Köln und damit die Lebensqualität. Ich habe endlich einen kurzen Arbeitsweg nachdem ich nun drei Jahre von Köln nach Oberhausen gependelt bin. Also 80 Kilometer pro Strecke. Sonntags ist der Verkehr überschaubar und es dauert 50 Minuten. Aber montags im Berufsverkehr – da startet die Fahrt um 7.10 Uhr, um gegen 9 Uhr am Trainingsplatz zu sein. Davor bin ich noch zwei Jahre von Köln nach Aachen gependelt. Also habe ich fünf Jahre mehr oder weniger auf der Autobahn gelebt. Mit 31 Jahren habe ich nun nicht mehr den Nerv dafür.
Es ist ja auch keine optimale Vorbereitung auf ein Training.
Genau. Es macht sich in der Leistung bemerkbar. Wenn ein Spieler so lange im Auto sitzt, ist er mit dem Kopf nicht sofort im Training. Den Unterschied habe ich hier in Köln sofort gemerkt: Ich fahre mit dem Rad etwa 15 Minuten durch den Grüngürtel zum Training. Das ist schon eine Auflockerung für die Beine. Außerdem fahre ich gemeinsam mit Roman Prokoph und Dennis Brock, die bei mir um die Ecke wohnen. Und am Ende macht es so viel aus, in der Stadt Fußball zu spielen, in der ich lebe. Zum einen spiele ich für die Stadt und kann mich viel mehr in die Mannschaft einbringen. In Oberhausen war das schwierig. Denn da bin ich nicht am freien Tag 80 Kilometer gefahren, nur um mit den Jungs etwas zu unternehmen.
Zur Person
Jannik Löhden, geboren am 16. Juli 1989 in Buxtehude, wechselte aus der Reserve-Mannschaft von Hannover 96 2013 zum FC Viktoria Köln. Nach zwei Jahren zog es den kantigen Innenverteidiger zu Alemannia Aachen. Der Klub ging 2017 insolvent und Löhden wechselte zu Rot-Weiß Oberhausen. Zur neuen Saison konnte die Fortuna den 31-Jährigen verpflichten. Der Abwehrspieler absolvierte 201 Regionalliga-Einsätze und erzielte dabei 28 Tore.
Doch der Wechsel hatte mit Sicherheit auch sportliche Gründe.
Natürlich. Der Ausdruck „Projekt“ Fortuna Köln trifft es ganz gut. Ich wusste, dass hier etwas entstehen kann. Ich weiß, dass es Spaß machen wird, denn den habe ich jetzt schon. Ich bin mit großen Ambitionen hierher gewechselt und hatte zuvor mit Stefan Puczynski (Fortunas Leiter Fußball, d. Red.) gute Gespräche. Später dann auch mit Alexander Ende und ich wusste, dass in Oberhausen ein Umbruch stattfinden würde.
Kontakt zwischen Ihnen und der Fortuna gab es schon, bevor klar war, dass Alexander Ende der neue Trainer wird.
Das stimmt, aber mir wurde gesagt, welche Trainerkandidaten es gibt – unter anderem Alexander Ende. Ich habe mich bei ehemaligen Mitspielern, die schon unter ihm trainiert haben oder ihn kennen, über ihn informiert. Und bisher habe ich noch kein negatives Wort über Alexander Ende gehört. So habe ich ihn in den ersten Wochen auch erlebt. Er ist ein Super-Typ, der mit der Mannschaft arbeiten möchte. Er hatte natürlich auch Einfluss darauf, dass ich mich für die Fortuna entschieden habe.
Merkt man dem Trainer an, dass er gerade seine Ausbildung zum Fußballlehrer abgeschlossen hat?
(lacht) Man redet unter Spielern schon mal darüber, dass manche Trainer kurz nach ihrem Abschluss irgendwie den Fußball neu erfinden möchten. Sie haben viele Ideen im Kopf. Aber bei Alex merkt man, dass er weiß, welches Spielermaterial er hat und was er damit umsetzen kann. Es ist kein Geheimnis, dass noch zwei oder drei Spieler zum Kader stoßen sollen und so lange die nicht da sind, muss er mit dem Kader arbeiten, der da ist. Und das macht Alex sehr gut. Er hat schon vieles umsetzen können, was er sich vorgenommen hat – und die Mannschaft hat es auch gut angenommen.
Sie kommen als Alphatier nach Köln. In der Viererkette wird wohl ein weiteres Alphatier neben Ihnen stehen, Kapitän Franko Uzelac. Erwarten Sie da Probleme?
Nein, warum? Diese Konstellation gibt es ja nicht zum ersten Mal. In Oberhausen war es in den letzten beiden Jahren aber tatsächlich anders, da hatte ich als Kapitän einen jungen Spieler an meiner Seite. Da lastet mehr Druck auf dir, weil du auch dafür verantwortlich bist, den jungen Spieler an die Hand zu nehmen und ihn mit auszubilden. Mit Franko an der Seite ist es natürlich ein anderes Gefühl. Da bin ich nicht der, von dem das Team erwartet, dass er den Spielaufbau an sich reißt und alle jungen Spieler führt. Aber es ist ein gutes Gefühl. Ich habe Franko bisher als sehr angenehmen und fokussierten Charakter kennengelernt. Aber das trifft auf jeden Spieler zu.
In der anstehenden Saison kommen über 40 Pflichtspiele auf Sie zu. Haben Sie schon ein Gefühl, wo es mit der Fortuna hingehen könnte?
Nein, das ist schwer einzuschätzen. Niemand weiß genau, wie intensiv das wird. Und es haben einfach zu viele Vereine – unter anderem Oberhausen – einen Umbruch hinter sich. Klar ist für mich nur: Rot-Weiss Essen ist der eindeutige Favorit. Wie es dahinter aussieht, werden wir wohl erst nach ein paar Spieltagen sehen. Ich weiß aber, dass wir eine gute und stabile Mannschaft haben, die sicher für eine Überraschung sorgen kann.
Anfang August gibt es eine achttägige Vorbereitungs-Unterbrechung.
Sonst käme mental irgendwann der Punkt, an dem wir nicht mehr präsent sind – wenn auch nur für kurze Zeit. So finde ich es ideal. Wir können Kraft tanken und voller Elan in die letzten vier Wochen vor Saisonstart gehen.
Sind Urlaubsreisen erlaubt?
Da sprechen Sie ein gutes Thema an – ich habe einen Spanien-Urlaub gebucht und muss Corona-bedingt abklären, was im Rahmen des Möglichen liegt. Wenn ich nach dem Urlaub in Quarantäne müsste, darf ich das natürlich nicht machen.
Sie als erfahrener Regionalliga-Spieler werden von Ihrem Gehalt gut leben können. Haben Sie in der Corona-Krise von Fußballern gehört, die sich ernsthaft Sorgen um Ihre Existenz machen?
„Existenzangst“ ist ein großes Wort, aber es kann für Bauchschmerzen sorgen. Für Fortuna kann ich dazu nicht viel sagen. Aber ich weiß aus Oberhausen, dass bei einigen Spielern, bei denen schon Familien dahinterstehen, jeder Euro zählt. Man sieht in solchen Situationen, was ein Team ausmacht. In Oberhausen haben wir zum Beispiel die Mannschaftskasse als Unterstützung für den einen oder anderen genutzt. Unsere Mannschaft hier bei der Fortuna würde ich so einschätzen, dass sie genauso entscheidet.
In der Krise bangen viele Klubs um zwei ihrer wichtigsten Einnahme-Quellen: Ticketverkauf und Sponsoren. Spielt es im Kopf von Fußballern eine Rolle, dass solche Faktoren großen Einfluss auf den eigenen Alltag haben können?
Bewusst ist uns das natürlich. Aber ich wurde zum Beispiel auch in den Gesprächen über den Stand der Dinge informiert. Mir wurde gesagt, dass es dem Klub den Umständen entsprechend gut geht und dass die Sponsoren treu geblieben sind. Und dass die Fortuna offenbar gut gewirtschaftet hat und einer der vier oder fünf Regionalligisten ist, der in der neuen Saison normal planen kann.
Bei Ihrem ersten Kölner Verein, dem FC Viktoria, haben sich solche Finanzfragen eher nicht gestellt.
Das stimmt. Ich bin damals für das Projekt Aufstieg mit Trainer Wollitz verpflichtet worden. Es war eine Erfahrung wert – aber ich weiß auch, was ich jetzt bei der Fortuna habe. Und ich fühle mich schon jetzt wohler als damals bei Viktoria. Hier geht es mehr um die Gemeinschaft. Bei Viktoria hieß es: „Ihr müsst, ihr müsst!“ So sah dann auch der Kader aus. Sie haben eben „Alphatiere“ angesprochen – davon hatten wir damals 13 oder 14, die hunderte Zweit- und Drittliga-Spiele auf dem Buckel hatten. Da hatte alles Rang und Namen. Das kann funktionieren. Hat es aber nicht. Hier passt das Konstrukt besser zusammen.