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Traumspiel mit Fortuna KölnDas Wunder vom Grünwalder Stadion

Lesezeit 4 Minuten
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Fortuna Kölns Präsident Klaus Ulonska (r.), übermannt von seinen Gefühlen, liegt im Arm von Norbert Walter-Borjans.

  1. Am 1. Juni 2014 gelang dem SC Fortuna Köln auf spektakuläre Weise die Rückkehr in den Profi-Bereich.
  2. Oliver Laux traf beim Relegations-Rückspiel gegen den FC Bayern II in der 94. Minute zum 1:2 und sicherte den Aufstieg – sonst hätte die Fortuna vor dem Fall ins Bodenlose gestanden.
  3. Präsident Klaus Ulonska stand später weinend auf dem Rasen, Arm in Arm mit dem heutigen SPD-Chef Norbert Walter-Borjans.

Köln – Weinend steht Klaus Ulonska auf dem Rasen des Grünwalder Stadions. Tränen der Freude und Erleichterung fließen an den Wangen des Präsidenten von Fortuna Köln hinab. Fest im Arm des früheren CDU-Politikers Ulonska: SPD-Mann und Edelfan Norbert Walter-Borjans. Beide schwenken zum Jubel der mitgereisten Fans ihre Fortuna-Schals und können ihr Glück kaum fassen. Die Sonne strahlt über der altehrwürdigen Spielstätte im Münchener Stadtteil Untergiesing-Harlaching. Dem Südstadt-Klub war soeben Wundersames gelungen: Von einer Sekunde auf die andere wurde Fortuna Köln wiedererweckt. Durch ein Tor, das vielleicht einmalig ist in seiner Kombination aus Absurdität und Wirkung. Anstatt des Wegbrechens der finanziellen Grundlagen und der fast sicheren Einstellung des ambitionierten Fußballs steht der Verein plötzlich als Rückkehrer in den Profi-Bereich fest.

Es ist der 1. Juni 2014, ein Sonntag. Fortuna Köln, Meister der Regionalliga West, setzt sich in der Aufstiegs-Relegation zur Dritten Liga dank einer 1:2 (0:1)-Niederlage im Rückspiel gegen die Reserve des FC Bayern durch – das erste Duell im Südstadion hatte die von Uwe Koschinat trainierte Mannschaft mit 1:0 (0:0) gewonnen.

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Die knapp 8000 Zuschauer im Grünwalder Stadion werden Zeuge der dramatischen Geburt der „Südstadtlegenden“. Denn bis in die 94. Minute hinein führen die Bayern 2:0, die Fortuna scheint besiegt und zerstört. Alle Kölner Beteiligten stehen gedanklich vor den Trümmern ihrer Arbeit der vergangenen Jahre. Ein letzter verzweifelter langer Ball fliegt in den Bayern-Strafraum, eigentlich viel zu weit. Münchens bis dato souveräner Keeper Lukas Raeder will den Ball fangen, so wie er es im Training Tausende Male gemacht hat. Doch an diesem Nachmittag klappt es nicht. Der Ball rutscht ihm durch die Finger. Fortunas Oliver Laux, der den Angriff gedanklich schon beerdigt hatte, dreht sich auf Zuruf noch einmal um – und köpft den Ball ins leere Tor. Es ist der entscheidende Auswärtstreffer.

Fortuna-Spieler feiern zu Helene Fischer

„So habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr geweint“, sagt Ulonska später auf dem Rasen. Sein guter Freund und „Fortuna-Minister“ Walter-Borjans, damals ist der heutige SPD-Bundesvorsitzende NRW-Finanzminister, guckt sich strahlend um. „Das war kein Können, das war kein Glück, das war ein Wunder!“, sagt Ulonska, der den Verein in mühsamer Handarbeit aus den Niederungen des Amateurbereichs zurück in höhere Gefilde führte und sein Wirken an diesem Sonntag krönt. Denn nur dank des Aufstiegs bleibt Investor Michael W. Schwetje der Fortuna treu. Während sich der Präsident bei den höheren Mächten für das Wunder von München bedankt, lassen es die Spieler rustikaler zugehen. Nach dem Sturm der Pressekonferenz wird in der Kabine zu Helene Fischer getanzt. Die Busfahrt nach Köln zieht sich bis tief in die Nacht, da anfangs an jeder Raststätte für Bier-Nachschub gesorgt wird.

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Nach dem Schlusspfiff kennt der Jubel bei Fortuna Köln keine Grenzen. Kapitän Sebastian Zinke feiert oben ohne.

Bereits im Hinspiel spannen die Kölner die 10.000 Fans im erstmals seit Jahrzehnten ausverkauften Südstadion lange auf die Folter, Thomas Kraus trifft erst in der 87. Minute zum Sieg. Unter den Zuschauern ist auch Mitchell Weiser, einst aus der FC-Jugend zu den Bayern gewechselt und zumeist in der Regionalliga eingesetzt. Doch als es für die Reserve um den Aufstieg geht, entscheidet sich Profi Weiser für einen Monaco-Trip mit Kumpel David Alaba. So verzichtet Trainer Erik ten Hag, der 2019 ein Thema bei den Bayern-Profis werden sollte, auf Weiser. Ebenso auf Claudio Pizarro, der sich für das Rückspiel als Option ins Gespräch bringt. Die Tore von Ylli Sallahi (20./88.) und ein Platzverweis gegen Kristoffer Andersen (80.) scheinen die Bayern dennoch in Richtung Liga drei zu befördern – ehe Keeper Raeder spektakulär patzt.

Fortuna Köln steigt im Grünwalder Stadion wieder ab

Ulonska bleibt es verwehrt, eine komplette Drittliga-Saison mit „seiner“ Fortuna zu erleben. Der Präsident stirbt am 13. März 2015 völlig überraschend an den Folgen eines Herzinfarkts. Der Südstadt-Klub hält sich bis 2019 im Profi-Bereich. Der Abstieg wird am Ort des Wunders besiegelt, ein Kreis schließt sich: Die Fortuna unterliegt 1860 München am 11. Mai im Grünwalder Stadion mit 2:3 (2:2) und muss zurück in die Regionalliga.

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