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Kommentar

Influencer im Stadion
Wenn Selbstdarstellung zum EM-Störfaktor wird

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann steht im Innenraum eines Fußballstadions und filmt sich selbst mit dem Smartphone.

Fußball-Profi und Influencer Niklas-Wilson Sommer bei einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft in München.

Nachdem Videos von den EM-Spielen von sogenannten Influencern zuletzt überhandgenommen haben, regt sich Widerstand unter den Fußball-Fans.

Junge Menschen filmen sich mit ihrem Smartphone, während sie ein Fußball-Spiel besuchen. Sie kommentieren ihr Erlebnis von Anfang bis Ende. Nicht selten ohne fundierte Kenntnis von dem, was gerade um sie herum sportlich eigentlich passiert. Zudem oft in völliger Abwesenheit jeglichen Talents, dass man braucht, um andere auf diese Weise zu unterhalten.

Influencer nennt man diese moderne Ausgabe von Selbstdarstellern. Sie wählen interessante Begegnungen aus, um ihre Abonnenten – im Fachjargon „Follower“ genannt – am Event teilhaben zu lassen. Zumeist mit einer „Sehet und staunt, wo ich wieder war“-Attitüde. Dazu werden Spielszenen mit zum Teil künstlicher Erregung kommentiert.

„Unsere Kurve“ kritisiert Influencer, die Fan-Plätze in Stadien besetzen

Kürzlich äußerte sich die Interessengemeinschaft organisierter Fußballfans „Unsere Kurve“ zu dem Thema und stieß damit eine öffentliche Diskussion an. „Wenn Fans Plätze weggenommen werden, gerade wenn wir über Dortmund, Bayern oder Schalke sprechen, wo die Stadien immer ausverkauft sind und man nur schwer an Karten kommt, dann ist das klar zu kritisieren“, sagt Sprecher Thomas Kessen.

Und weiter: „Dass hier vereinzelt Menschen Zugang zu Karten ermöglicht wird, die keinerlei Faninteresse verfolgen, sondern nur sich selber vermarkten wollen – das ist, vorsichtig formuliert, schräg“.

Die damit verbundene Forderung lautet, zu differenzieren. Kommt jemand „ins Stadion, um zu arbeiten und mit einer Art Gewinnabsicht? Dann gibt es dafür die Pressetribüne.“ In diesem Zusammenhang erklärte die Uefa, dass ihre Werbepartner während des Turniers mit Influencern zusammenarbeiten dürfen. Details mochte der Verband nicht benennen. Es gab lediglich den Verweis darauf, dass für Influencer Richtlinien gelten. Wie etwa, nicht live übertragen zu dürfen.

Berichterstattung sollte von den Profis kommen

Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass ein Stadionerlebnis für den privaten Gebrauch in Form von Fotos oder kurzen Videos per Smartphone festgehalten wird. Wird daraus der Versuch einer umfassenden Berichterstattung, werden Grenzen überschritten. Beispielsweise für die umstehenden respektive umsitzenden Fans, die das Geschehen auf dem Rasen verfolgen möchten.

Ganz nebenbei sollte eine professionelle Zusammenfassung und Einordnung eines Fußball-Spiels ausgebildeten Journalisten überlassen werden. Nicht umsonst sitzen Sportreporter in separaten Bereichen der Tribüne, in denen sie selbst konzentriert arbeiten können – und dabei ihrerseits niemanden stören.

Selbstdarstellung ist kein neues Phänomen in Fußball-Stadien

Selbstdarstellerei auf den Stadiontribünen ist keine neue Erscheinung. Durch die allgegenwärtige mediale Aufmerksamkeit fühlen sich viele Fans befleißigt, für einen kurzen Moment in den Fokus der Öffentlichkeit zu kommen. Sei es durch mehr oder weniger originelle T-Shirts, schräge Verkleidungen oder Plakate. Selbstverständlich bleibt es jedem selbst überlassen, so zu agieren.

Wenn damit aber, wie bei den meisten Influencern der Fall, handfeste wirtschaftliche Interessen verbunden sind, sollten Verbände und Vereine klare Regeln für diese Personengruppe einführen. Möglicherweise unter Berücksichtigung bestimmter Parameter zur Relevanz, wie etwa eine Mindestzahl an Followern. Zur Wahrung der unterschiedlichen Bedürfnisse für einen störungsfreien Stadionsbesuch. Für Fans, Reporter und – wenn es denn unbedingt sein muss – für Influencer.