Der 16-jährige Offensivspieler setzt Maßstäbe, und niemand weiß, wohin diese Karriere führen wird.
Kommentar zu Spaniens Lamine YamalWo waren Sie am 9. Juli 2024?
Ein Ball, abgegeben aus 25 Metern, der mit 102 Kilometern pro Stunde auf gebogener Bahn am zweiten Pfosten einschlug und dabei sechsmal pro Sekunde um sich selbst rotierte. Es war ein fantastisches Tor in der 21. Minute des EM-Halbfinals von München, doch erst der Schütze gab dem Treffer die historische Dimension: Lamine Yamal Nasraoui Ebana, am Dienstag 16 Jahre und 363 Tage alt, ist nun der jüngste EM-Torschütze der Geschichte. Und er war auch jünger als Pelé bei dessen historischem ersten WM-Treffer 1958.
Das nur als vorsichtiger Versuch einer Einordnung. Grundsätzlich ist es schwierig, Fußballgötter miteinander zu vergleichen. Denn schon grundsätzlich finden sich in Halbfinalspielen großer Turniere sehr selten 16-jährige Zahnspangenträger.
Der Teenager entriss mit seinem Auftritt Kylian Mbappé den Titel des aufregendsten Spielers unserer Zeit. Und ließ den 25-jährigen Franzosen plötzlich sehr alt aussehen, zumal Mbappé vom 38-jährigen Spanier Jesus Navas abgemeldet wurde. Jenem Navas, der nicht nur Yamals Vater sein könnte. Sondern tatsächlich vier Jahre älter ist als Mounir Nasraoui.
Der veröffentlichte vor wenigen Tagen ein Foto seines Sohnes, das im Jahr 2007 für einen Wohltätigkeitskalender aufgenommen worden war. Damals badete der 20-jährige Lionel Messi den Säugling Lamine Yamal. „Der Beginn zweier Legenden“, unterschrieb Yamals Vater nun das Foto, auf dem der noch kindliche Messi aussieht, als segne der das Baby im Bade.
Man weiß nicht recht, was man anfangen soll mit derartiger Symbolik. Niemand kann heute sagen, wie weit es gehen wird mit Lamine Yamal. Sollte Spaniens Wunderspieler einst bei der EM 2044 seine Karriere beenden, werden die Menschen womöglich einander erzählen, wo sie das magische Tor gesehen haben, erzielt am 9. Juli 2024 in München, Deutschland.
Spanien erwies sich am Dienstag als der Gegner, den Frankreich verdient hatte. Die Mannschaft ist der aktuelle Goldstandard im Weltfußball, sie ist in der Lage, zwei Partien in einer zu spielen: Nach dem frühen Rückstand rissen sie innerhalb von vier Minuten gleich zweimal Frankreichs Mauern ein, die bis dahin unüberwindbar schienen. Nach der Phase furiosen Attackierens jedoch zeigten sie ihre andere Qualität: vollständige Kontrolle, ausgeübt durch die Strategen Rodri und Fabian, die dem Gegner das unlösbare Rätsel aufgaben, ein Spiel drehen zu müssen, ohne am Ball zu sein.
Doch sind diese Spanier der Gegenwart so gut wie ihre Vorgänger, die 2010 Weltmeister wurden? Damals war ihre Defensive stärker, und das Mittelfeld mit Iniesta und Xavi mindestens ebenbürtig besetzt. Deutschland hatte sie im Viertelfinale am Haken, doch zweimal holte Lamine Yamal Spanien aus der Bredouille.
Spanien hat nun den härtesten Weg nach Berlin genommen; Italien und Kroatien in der Gruppe besiegt und anschließend den Gastgeber sowie Mbappés Franzosen. Sechs Siege in Serie, und es ist schwierig vorstellbar, wer diese Mannschaft stoppen soll. Und ihren kindlichen Kaiser Lamine Yamal, der im Finale allerdings kein 16-jähriger Wunderspieler mehr sein wird.
Am Samstag wird er 17.