Wenig Zeit und viele Probleme. Vor dem doppelten Italien-Kracher empfängt der Bundestrainer die Nationalspieler mit einer speziellen Ansprache. Mit einem Kniff will Nagelsmann die Emotionen schüren.
Fußball-NationalmannschaftSpanien-Schmerz als Antrieb: Nagelsmann macht Tempo

Im NFL-Look: Jamal Musiala kommt beim DFB-Hotel an.
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Als Bayern-Star Jamal Musiala im Football-Shirt von NFL-Profi Amon-Ra St. Brown im Dortmunder Wellnesshotel eincheckte, war Julian Nagelsmann längst da. Mit einem grauen Laptop-Rucksack auf dem Rücken schrieb der Bundestrainer fleißig Autogramme für die wartenden Fans.
„Wenn das so weitergeht, komme ich nie nach Mailand“, scherzte der vor dem doppelten Italien-Kracher ungeduldige Nagelsmann und verschwand dann flott in dem eigentlich auf Erholung ausgerichteten DFB-Teamquartier.

Julian Nagelsmann startet die Vorbereitung für die Viertelfinal-Spiele der Nations League.
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An Sauna und Massage war für Nagelsmann natürlich nicht zu denken. Für Kapitän Joshua Kimmich und dessen Kollegen um Rückkehrer Leon Goretzka hatte der DFB-Chefcoach vor dem brisanten Nations-League-Viertelfinale gegen die Squadra Azzurra gleich am Ankunftstag eine ganz spezielle Ansprache vorbereitet.
EM-Aus als besonderer Antrieb
Nagelsmann will die Nationalspieler vor den Partien am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD) in Mailand und drei Tage später in Dortmund emotional packen. Der 37-Jährige greift dabei nicht auf die bewegte Italien-Historie der Fußball-Nationalmannschaft zurück, sondern auf den immer noch großen und auch frischeren Spanien-Schmerz des zurückliegenden EM-Sommers. Der Viertelfinal-K.o. gegen den EM-Triumphator soll Antrieb sein für den eigenen Titelhunger.
„Man wird in der Vorschau auf die beiden Spiele auch mit der Szene der EM konfrontiert, meistens auch mit der Szene von dem Spanien-Spiel oder mit Szenen aus dem Spanien-Spiel, und es löst bei mir ein gewisses Gefühl aus“, sagte Nagelsmann. Er meinte damit - ohne es explizit auszusprechen - auch das vieldiskutierte und nicht geahndete Handspiel von Spaniens Marc Cucurella aus dem unglücklich verlorenen EM-Viertelfinale in Stuttgart.
Nagelsmann will maximale Energie durch Trotz aus Enttäuschung. „Wenn ein Großteil der Mannschaft das gleiche Gefühl entwickelt, dann sind wir auf einem perfekten Weg. Wenn wir uns alle entwickeln, dann sind wir bereit, auch die großen Ziele, die wir haben, erreichen zu können“, sagte der Bundestrainer.

Völler warnt als Italien-Kenner vor dem Viertelfinal-Gegner.
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Das Ziel ist klar: Im Juni soll der Titel in der Nations League her, quasi als Warm-up für den WM-Triumph 2026. Erzrivale und Angstgegner Italien darf da nicht wieder einmal zum Stolperstein werden, wie ausgerechnet auch in Dortmund beim tränenreichen WM-Halbfinale 2006.
Aus seinem eigenen großen italienischen Erfahrungsschatz sprach Rudi Völler eine Warnung aus. „Bei allem Optimismus: Wir wollen natürlich weiterkommen, aber wir sind uns im Klaren, dass ähnlich wie Inter Mailand die italienische Nationalmannschaft schwer zu bespielen ist“, sagte der DFB-Sportdirektor bei seiner Ankunft am Teamhotel. Italien sei halt wie immer „ein harter Brocken“.
Nagelsmann muss im Schnelldurchlauf mehrere Personalien klären. Wer ersetzt die verletzten Offensiv-Koryphäen Florian Wirtz und Kai Havertz? Wie soll die zentrale Defensive ohne Aleksandar Pavlovic aussehen? Und wen macht er zur Nummer 1? Völler macht jedenfalls schon klar: Als Ausrede darf die schwierige Personallage nicht herhalten.
„Natürlich tut das weh. Aber in so einer Phase der Ligen und der Champions League, da gibt es Ausfälle und Verletzte, das haben andere Verbände auch. Das müssen wir auffangen. Und das werden wir auffangen! Wir werden trotzdem zwei gute Spiele abliefern“, versprach der DFB-Sportdirektor. Nagelsmann sucht nun nach Lösungen und Antworten.
Die Offensivfrage
Bei der Torproduktion muss der Bundestrainer ohne die „Qualitätsspieler“ Wirtz und Havertz Kreativität beweisen. Einziger verbliebener Fixpunkt in der Offensive ist Bayern-Magier Musiala. Dazu sollte der Gladbacher Tim Kleindienst als Mittelstürmer ganz vorne gesetzt sein.

Im NFL-Look: Jamal Musiala kommt beim DFB-Hotel an.
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Erster Nachrücker für die verletzten Stammkräfte dürfte Bayerns Leroy Sané sein. Der Stuttgarter Deniz Undav ist leistungsmäßig gerade „nicht am Peak“, also in Bestform, wie Nagelsmann nachdenklich anmerkte. Für Undav spricht seine Quote (3 Tore in 5 Länderspielen). Als perfekte, weil hungrige Joker bezeichnete der Bundestrainer die Mainzer DFB-Rückkehrer Nadiem Amiri und Jonathan Burkardt sowie Stuttgarts Jamie Leweling.
Vielleicht hätte Nagelsmann doch Nick Woltemade als Neuling berufen sollen. Wie gut der 23 Jahre alte Stuttgarter gerade drauf ist, zeigte er beim 3:4 gegen Leverkusen nicht nur bei seinem Tor. Doch Woltemade ist noch für die U21-Junioren vorgesehen.
Die zentrale Defensive
16 Monate liegt das 57. Länderspiel von Leon Goretzka zurück. Nach dem 0:2 gegen Österreich sortierte Nagelsmann ihn aus. Und jetzt? Soll der beim FC Bayern wieder zur Stammkraft aufgestiegene Goretzka die Mittelfeldprobleme lösen. Der 30-Jährige kam ganz entspannt mit Sonnenbrille am Teamhotel an.
Youngster Pavlovic ist am Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt und fällt aus. Die Routiniers Pascal Groß und Robert Andrich sind weit entfernt von der EM-Verfassung 2024. Das veranlasste Nagelsmann zur Kehrtwende bei Goretzka: „Leon ist sportlich in einer sehr guten Phase.“ Beide führten „ein klärendes Gespräch“ und schufen eine neue Arbeitsbasis.
Die Torwartfrage
Marc-André ter Stegen, den Nagelsmann nach der EM zur neuen Nummer eins nach Manuel Neuers DFB-Rücktritt ausgerufen hatte, fällt seit Monaten verletzt aus. Das Wechselspiel im Tor zwischen Hoffenheims Oliver Baumann und dem Stuttgarter Alexander Nübel bei den letzten vier Länderspielen endet nun. „Stand jetzt ist geplant, dass wir für die beiden Spiele eine Nummer eins haben“, kündigte Nagelsmann an. Den Namen nannte er noch nicht. (dpa)