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Sommermärchen-SkandalDas Virus hilft allen, die Wahrheit für sich zu behalten

Lesezeit 2 Minuten
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Die einstigen WM-Macher von links nach rechts: Horst R. Schmidt, Theo Zwanziger, Frenz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach

  1. Der Prozess wird verjähren - die Macher der WM von 2006 geben ein klägliches Bild ab.
  2. Alle Angeklagten sind wegen Krankheit oder Quarantäne verhindert.
  3. Es geht um eine ungeklärte Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro.

Köln – Die meisten von uns erinnern sich an das Jahr 2006. Es war eine andere Zeit, um nicht zu sagen: Das Gegenteil der Zeit, die wir gerade erleben. Die Welt war voller berstender Geschäftigkeit und voller Fußball. Deutschland brummte vor Vorfreude auf ein Ereignis, das als „Sommermärchen“ in die Geschichte einging.

Ganz sicher weiß man heute über die Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Sie fand von 9. Juni bis 9. Juli statt. In 64 Spielen fielen 147 Tore vor insgesamt 3359459 Zuschauern. Italien wurde im Endspiel gegen Frankreich Weltmeister durch Elfmeterschießen, Deutschland gewann das Spiel gegen Portugal um Platz drei. Es ist statistisch erwiesen, dass kein anderes Ereignis seit Olympia 1972 dem Tourismus in Deutschland so geholfen hat wie dieses. Es gab viele Gewinner. Deshalb Sommermärchen.

Die Aufarbeitung ist ein juristischer Skandal

Man weiß inzwischen auch, dass diese WM getreu den Paragrafen so niemals hätte stattfinden dürfen, weil es bei ihrer Vergabe zu Unregelmäßigkeiten gekommen war zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und dem Weltverband Fifa. Eine Überweisung in Höhe von 6,7 Millionen Euro aus dem Jahr 2005 hatte nicht den deklarierten Weg genommen, sondern war auf dem Konto eines katarischen Funktionärs gelandet.

Seit das erwiesen ist, befinden sich alle damaligen Entscheidungsträger in Erklärungsnot. Ein Gericht im schweizerischen Bellinzona wollte nach Jahren des Eiertanzes juristische Fakten schaffen, aber das wird wohl nicht gelingen. Alle Angeklagten sind krank, Franz Beckenbauer, der die WM mit seiner globalen Werbetätigkeit erst nach Deutschland geholt hatte und als Chef-Organisator zum Erfolg werden ließ, wurde wegen mehrerer Atteste sogar aus diesem Verfahren genommen. Und der einzige Angeklagte, der selbst vor Gericht erschienen war, Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, hat sich wegen eines Corona-Falles in Quarantäne begeben. Es ist nicht vorstellbar, wie unter diesen Umständen bis 20. April ein Urteil gefällt wird. Danach ist der Fall verjährt.

Juristisch gesehen ist das ein Skandal. Alle Beteiligten haben eine klägliche Figur abgegeben. Die beteiligten Verbände ebenfalls. An der Aufdeckung der Wahrheit über die WM-Vergabe in einem damals nachweislich hoch korrupten System schien niemand interessiert zu sein. Und den Rest erledigt jetzt das Virus. Unglaublich.