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„Oh wie ist das nass“So erlebte ein Kölner 1974 die WM-Regenschlacht gegen Schweden

Lesezeit 4 Minuten

Spiel gedreht: Rainer Bonhof trifft in Düsseldorf zum 2:1 für Deutschland gegen Schweden bei der WM 1974.

  1. In unserer Serie „Traumspiele“ erinnern Redaktionsmitglieder und Leser an Spiele, die sie im Stadion erlebt haben und die aus unterschiedlichen Gründen unvergessen sind.
  2. Heute schildert uns der Kabarettist und Leser Didi Jünemann seine Erinnerung an einen großen Moment.
  3. Er blickt zurück auf das Duell gegen Schweden, das er bei der WM 1974 gemeinsam mit seinem Bruder live im Düsseldorfer Rheinstadion verfolgte.

Kann man dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein Spiel als „Traumspiel“ anbieten, dass im Düsseldorfer Rheinstadion stattfand? Ich denke ja. Denn es war ein ganz besonderes Weltmeisterschaftsspiel. Und ein ganz besonderes Erlebnis für meinen Bruder und mich. Wir spielten beide selber Fußball im Verein, damals B- und A-Jugend und hatten mit diesem Spiel großes Glück. Denn niemand hatte mit der Niederlage von Beckenbauer und Co. gegen die DDR gerechnet und so änderte sich der Spielplan der deutschen Nationalmannschaft entscheidend. Und auf einmal fanden zwei Spiele unerwartet in Düsseldorf statt. Und was heute unvorstellbar ist: Wir ergatterten problemlos Karten für beide Spiele.

Das erste Spiel wurde mit 2:0 gegen Jugoslawien gewonnen. Am Spieltag des Schwedenspiels goss es in Strömen! Wir machten uns auf den Weg in gelben Öljacken, dem Friesennerz zum Schutz vor den Wassermassen, die vom Himmel prasselten. Im Stadion stellten wir fest, dass fast die Hälfte aller Zuschauer genau so gekleidet war wie wir. Man hätte meinen können, die Hälfte der Stadionbesucher seien Schweden wegen der vielen gelben Jacken.

Aber damals war es noch gar nicht üblich, sich mit Fanartikeln ausstaffiert zum Spiel zu begeben. Dafür skandierten wir schon auf dem Hinweg unseren ganz besonderen Schlachtruf zur bekannten Melodie von „Oh wie ist das schön“. Wir sangen aber: „Oh wie ist das nass, Oh wie ist das nass, werden heut die Schweden nassgemacht, so nass! So nass!“

WM 1974: Schweden geht in Führung

Allerdings hielten die Schweden nicht gerade viel vom Nass werden. Nach einer schwachen Kopfballabwehr hielt Edström volley von der Strafraumgrenze drauf – ein herrliches Tor unhaltbar für Sepp Maier. Wir und mit uns die meisten Besucher im Stadion waren geschockt, aber nur kurz, dann feuerten wir vehement die deutsche Mannschaft an. Aber in der ersten Halbzeit passierte nichts mehr.

Zur Person

Didi Jünemann, geboren am 7. November 1952 in Göttingen, hat seinen Lebensmittelpunkt längst in Köln. Ursprünglich arbeitete er als Sonderschullehrer in Duisburg und Viersen, wechselte aber ins Kabarettfach und ist auch als Schauspieler und Musiker erfolgreich. Bekannt ist Didi Jünemann zudem als Mitglied der Stunksitzung, die er 1984 mitbegründete. Seitdem ist er Mitglied des Ensembles. Bekannt ist er auch für seine Radio-Satire „Frühstückspause“, die immer freitagsvormittags bei WDR 2 zu hören ist, und die er gemeinsam mit Jürgen Becker gestaltet. (ksta)

Unsere Plätze lagen seitlich in der Nordkurve. Das war unser Glück denn fünf der sechs Tore fielen direkt vor unseren Augen. Wir hatten uns ganz unten hin gestellt, und bekamen nach Wiederanpfiff ein Feuerwerk geboten. Uli Hoeneß sprintete durchs Mittelfeld und passte auf Gerd Müller, der wie üblich mit dem Rücken zum schwedischen Tor stand und versuchte, sich auf der Fläche eines Bierdeckels zu drehen, um zum Torschuss zu kommen, aber die schwedischen Verteidiger spitzelten ihm den Ball weg. Jedoch Wolfgang Overath vor die Füße, und der zog ab und setzte einen Flachschuss ins Tor. 1:1.

Deutschland dreht das Spiel in zwei Minuten

Wir waren noch gar nicht fertig mit Jubeln, da schoss Rainer Bonhof auf das schwedische Tor, der Ball klatschte an den linken Pfosten trudelte dann exakt auf der Torlinie nach rechts und entschied sich dann einfach kurz vor dem rechten Pfosten nach links ins Tor zu rollen. Innerhalb von zwei Minuten hatte sich das Spiel gedreht.

3:2 für Deutschland, Uli Hoeneß jubelt.

Aber noch gaben die Schweden nicht auf. Nur ein paar Minuten später kam plötzlich Sandberg frei zum Schuss: 2:2. Aber der Torreigen war noch nicht vorbei. Wiederum nach einer Drehung von Gerd Müller auf engstem Raum erzielte Grabowski den Führungstreffer zum 3:2. Und schließlich verwandelte Uli Hoeneß in der Schlussminute noch einen Foulelfmeter zum 4:2.

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Wir blieben noch lange im Stadion und feierten den zweiten Sieg der Deutschen nacheinander. Später stellten viele Kommentatoren fest, dass der Schlüssel zur Weltmeisterschaft 1974 wohl die Niederlage gegen die DDR war. Na ja, das kann man so sehen oder auch nicht, wir aber sahen ein packendes Spiel auf dem Weg zum Titel.

Didi Jünemann, Köln