AboAbonnieren

Iran gegen USACarlos Queiroz, ein Trainer im Dienst der Mullahs

Lesezeit 3 Minuten

Irans portugiesischer Trainer Carlos Queiroz hat alles im Blick.

Der portugiesische Fußball-Lehrer soll vom Regime auf Linie gebracht worden sein und Spieler direkt bedroht haben. Die iranischen Fußballer zeigen keine Unterstützung für die Protestierenden mehr.

Die unmittelbare Verbindung zwischen Sport und Politik ist nie sichtbarer geworden als bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar, wo der Sport angesichts der Menschenrechtsverletzungen des Gastgeberlandes und der offensichtlichen Allianz der Demokratiegegner immer noch eine Nebenrolle spielt.

Und kein Ereignis ist in diesem Tumult aufgeladener als die Vorrundenpartie zwischen dem Iran und den USA, bei der es für beide am Dienstag um 20 Uhr (MEZ) um die Qualifikation für das Achtelfinale geht. Für die fundamentalistische Führung des Iran, die täglich gewaltsam gegen die protestierenden Menschen in der Heimat vorgeht, sind die Vereinigten Staaten „der große Satan“.

Die Fußball-Fans im eigenen Land sehen das differenzierter. Sie wünschen sich einerseits den Erfolg ihres Teams, aber noch mehr wünschen sie sich Zeichen der Solidarität der Nationalmannschaft, die aber zunehmend ausbleiben, weil das Mullah-Regime seine Stars offenbar mit Gewalt auf Linie gebracht hat. Seit Sonntag sorgt in den sozialen Netzwerken des iranischen Widerstandes eine Audiodatei für Aufsehen.

Der Iran-Experte Farid Ashrafian, bekannt durch Beiträge für die Deutsche Welle und TV-Auftritte unter anderem im NDR, erklärt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Die Hackergruppe ,Black Reward’ hat enthüllt, wie der Stellvertretende Direktor der den Revolutionsgarden nahestehenden Gruppe ,Basji’ damit geprahlt hat, dass man Nationaltrainer Carlos Queiroz auf Linie gebracht habe.“

Falls das so gewesen sein sollte, bot der 69-Jährige bei der letzten Pressekonferenz vor dem Spiel in Katar eine Oscar-reife schauspielerische Leistung. Er lobte den Gegner USA, beschwor den Geist des Sports und erklärte: „Wenn wir etwas aus diesem Event lernen müssen, dann die Aufgabe, für 90 Minuten ein Lächeln zu schenken.“ Dafür erhielt er aus den Reihen der anwesenden Journalistenspontan Applaus. Gegenüber seiner Mannschaft, so die Berichte in den sozialen Medien, habe der 69-Jährige allerdings einen weniger freundlichen Ton angeschlagen.

„Es heißt, dass Queiroz einzelnen Spieler klar mit Konsequenzen gedroht habe, falls sie Zeichen der Solidarität mit den Protestierenden zeigen würden. Es wird ein unglaublicher Druck der Einschüchterung auf die Spieler ausgeübt“, sagt Fahrid Ashrafian. In dem Audiomitschnitt, so der Experte, erzählt der Paramilitär namens Ghasem Ghoreyshi, dass das Mullah-Regime zur WM 5000 linientreue Landsleute einfliegen lassen ließ, um für regimefreundliche Unterstützung im Stadion zu sorgen. Auch wurde durch den Leak bekannt, dass die politisch iranfreundlichen Katarer dem Regime in Teheran zugesichert haben, kein Symbol des Widerstandes zu dulden.

Der mutige Regimekritiker Sardar Azmoun gibt keine Zeichen mehr

Auch der für Bayer Leverkusen spielende Torjäger Sardar Azmoun, der mutigste Regimekritiker im Kreis der Nationalmannschaft, schweigt seit Tagen. Zum Zeichen der Solidarität mit den iranischen Frauen, die nach dem Tod von Mahsa Amini die treibende Kraft hinter den Protesten sind, hat er aber noch sein Profilbild in den sozialen Medien geschwärzt.

In diese aufgeheizte Atmosphäre hinein hat sich der deutsche Weltmeister und Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann ungewollt zum Verbündeten der iranischen Diktatur gemacht, als er in einem Interview mit der BBC erklärte, es sei Teil der „iranischen Kultur“, „dem vierten Offiziellen ständig in den Ohren zu liegen.“ Damit hat er für einhellige Empörung gesorgt, weil seine Beschwerde alle Iraner betraf. „Damit hat Klinsmann den Mullahs eine Steilvorlage gegeben“, sagt Fahrid Ashrafian.

Die iranischen Fans befinden sich in einer ambivalenten Gefühlswelt
Experte Farid Ashrafian

Sportlich gehen die Iraner am Dienstag mit einer einmaligen Chance in das letzte Gruppenspiel. Schon ein Unentschieden gegen die USA würde ihnen zum ersten Mal in der Geschichte den Einzug in das Achtelfinale einer Fußball-WM bescheren. „Die iranischen Fußball-Fans befinden sich in einer ambivalenten Gefühlswelt“, sagt Ashrafian, „sie wünschen ihrem Team Erfolg, wissen aber, dass es politisch instrumentalisiert wird.“ Dennoch wollen die meisten, dass diese Mannschaft Teil des Turniers bleibt, erklärt der Journalist, Lehrer und Fußball-Trainer aus Frankfurt: „So lange der Iran bei dieser WM spielt, bleibt diese Plattform für die Ausbreitung der Proteste auf einer Weltbühne bestehen. Und das ist im Interesse des Widerstandes.“