Wartelisten und Leistungsdruck im Kölner Jugendfußball sind Normalität. Ein Verein jedoch wählt einen anderen Ansatz.
Ballfieber ColoniaBei diesem Kölner Fußballverein wird kein Kind abgelehnt
In der Stadt Köln steigt die Nachfrage im Jugendfußball rasant. Immer mehr Kinder möchten gerne selbst kicken und ihren Idolen wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi nacheifern.
Die Aufnahme in einen Fußballverein gestaltet sich jedoch häufig nicht nur schwierig, sondern schier unmöglich. Durch die hohe Nachfrage erhalten Jugendliche und Kinder oft nur einen Platz auf einer von vielen Wartelisten, die die Vereine herausgeben. Häufig werden die Nachwuchsspieler aus Vereinen herausgehalten, damit die Jugendtrainer im Notfall Reserven haben.
Die Trainer halten die Reserven bewusst offen, damit gute Spieler den Weg in Vereine finden. Wenn ein Mitglied sich abmeldet, nicht gut genug oder verletzt ist, kann ein neues sofort nachrücken. „Selbst in der sechsten oder siebten Liga werden Kinder auf diese Wartelisten gepackt und dürfen nicht spielen – also in einem Bereich, der eigentlich nicht zum Profifußball gehört“, kritisiert Nikola Ramljak die Herangehensweise.
Bei Ballfieber Colonia steht Spaß an erster Stelle
Der Fußballverein „Bäng-Boom-Bäng Ballfieber Colonia“ verschreibt sich einer anderen Vereinsphilosophie. Wartelisten gibt es keine, jeder Fußballinteressierte kann am Training teilnehmen und dem Klub beitreten.
Gegründet von Nikola Ramljak im Jahr 2019, stellt der Verein, dem inzwischen 140 Kinder zwischen den Jahrgängen 2011 und 2017 (Bambini bis U-13-Mannschaft) angehören, nicht die sportliche Leistung, sondern Spaß an Bewegung in den Fokus, orientiert am Konzept der Heidelberger Ballschule. Dort werden die Kinder nicht wie in vielen Vereinen von den Eltern trainiert, sondern von fachlich ausgebildeten jungen Menschen. Bisher spielen die Mannschaften von Ballfieber Colonia in den Junioren-Ligen der verschiedenen Kreisklassen.
„Wir stellen nach Niederlagen sehr häufig mit den Kindern fest, dass unsere Kids mehr Torschüsse abgegeben haben, vor allem aber wesentlich mehr Spieler torgefährlich waren“, erklärt Ramljak. Dadurch wird die Zufriedenheit der Spieler deutlicher in den Vordergrund gestellt.
Pioniere des „FUNino“-Systems
Nikola Ramljak integrierte das „FUNino“- Spielsystem mit anderen Trainerkollegen zusammen in die Kölner Fußballwelt. Auch der DFB stand im Austausch mit dem Verein bezüglich der Spielsysteme, integrierte diese jedoch vorerst noch nicht als allgemeine Trainings-Methode.
Erst mit Jahren Verspätung sprang der DFB auf den Zug auf. Mittlerweile ist die Trainingsmethodik auch ein Wettspielformat im DFB. Dadurch können die Spieler unter der Woche spielerisch trainiert werden. Anfangs stieß das Spielsystem auf viel Kritik, besonders beim Dachverband: „Der DFB hatte Angst vor Veränderung, besonders im Jugendverein gab es viele unbrauchbare Argumente von Leuten, die sich nicht richtig damit auseinandergesetzt haben“, beschreibt der Vereinsgründer.
Aufgeteilt auf sechs Kleinspielfelder mit jeweils vier Mini-Toren pro Feld, spielen die Kinder drei gegen drei. Der Verlierer geht ein Feld hinunter, der Gewinner ein Feld hoch. Dabei würden die Kinder vor fußballerische Problem-Situationen gestellt, die sie selbst lösen müssen, auch unter Druck.
Durch die begrenzten Kapazitäten des Vereines spielt Ballfieber Colonia das System auf Feldern von identischer Größe, jedoch nur auf zwei Tore. Bälle werden nicht blindlings nach vorne geschlagen, der spielerische Lösungsansatz steht im Fokus. „Impliziertes Lernen heißt das Konzept – die Trainer müssen nicht mehr viel nachhelfen“, sagt Ramljak.
Die Identität von „Colonia-Ballfieber“
Jene Spielweise ist auch Teil der Identität von „Colonia Ballfieber“. Leistung steht nicht im Vordergrund, sondern der Spaß am Spiel. Das Niederreißen von kulturellen Barrieren ist ein wichtiger Grundsatz des Vereines.
Der Fußball soll eine Instanz im Leben der Kinder werden, egal aus welchen sozialen Umständen die Kinder kommen: „Wenn man etwas erlernt hat und darin kompetent bist, dann gibst du das eigentlich nicht so schnell auf. Das ist unser Ansatz“, erklärt Ramljak.
Jedes Kind, das Spaß am Fußball hat, soll seine Chance erhalten. „In den Jugendabteilungen von leistungsorientierten Vereinen geht es eben nur um die Leistung. Besonders bei Kindern geht das Teamgefüge dadurch oft verloren. Ausgrenzung von schlecht spielenden Kindern passiert“, beschreibt Tyrese Bukenya, Trainer der U13 und ehemaliger Jugendspieler bei Fortuna Köln, die Vereinsidee.
Trotz des großen Engagements gibt es viele Probleme
Trotz des Engagements seitens der Trainer, des Vorstandes und der Eltern stößt das Projekt auf logistische Probleme. Aktuell spielt der Verein auf dem Aschenplatz an der Gleueler Straße. Im Winter lassen die Begebenheiten des Platzes kaum Training und Spieltage zu. „Der Platz ist hart, vereist und dreckig. Die Verletzungsgefahr steigt“, erklärt Stefan Staub, zweiter Sportvorstand.
Die fehlenden finanziellen Mittel Vereines sowie der geringe Lohn für die Trainer sind weitere Probleme. Aktuell finanziert sich der Verein nur über die Mitgliedsbeiträge. Zwar befinden sich am Aschenplatz Duschen, doch können diese aufgrund von Wasserrohschäden nicht genutzt werden.
In wärmeren Monaten kann der Verein den unbenutzten Trainingsplatz des 1. FC Köln am „Haus am See“ nutzen. Der Platz hat jedoch weder einen Strom- noch einen Wasseranschluss. Auch Flutlichter sind keine installiert, was späte Trainings-Einheiten unmöglich macht in dunklen Wintermonaten. Eine Umkleidekabine ist ebenfalls nicht vorhanden,
„Wir haben neulich in Poll gespielt. Da sagte ein Kind in der Umkleidekabine, ihm sei kalt. Einer unserer Spieler entgegnete nur, dass wir noch nicht mal eine Kabine haben. Das war für mich ein kleiner Stich ins Herz“, erklärt Ramljak.
Klarheit bei der Platzvergabe herrscht bisweilen nicht. Ein Umbau des Spielfeldes, das mit DJK Südwest und Blau-Weiß Köln geteilt wird, in einen Kunstrasen, kostet viel Geld und müsste von der Stadt Köln genehmigt werden. Das Bauamt pflegt eine Priorisierungs-Liste. Nach dieser Liste wird bewertet, wo es wann zu Umbauten kommt. Der Aschenplatz an der Gleueler Straße liegt eher auf hinteren Positionen dieser Liste.
Wunsch nach mehr Unterstützung von der Stadt
Beryth Hardt, dritte Vorstandsvorsitzende, wünscht sich mehr Unterstützung für das Projekt – von der Stadt Köln: „Die Leute hier machen einen Super-Job und engagieren sich sozial. Die Wertschätzung dafür scheint aber eher gering auszufallen.“
Nikola Ramljak wünscht sich nicht zuletzt mehr Zusammenspiel zwischen den Jugendvereinen in Köln. „Wir wollen im Interesse der Kinder handeln und das gemeinsam. Unabhängig von Vereinsfarben – denn wir verfolgen alle dasselbe Ziel: Spaß am Fußball zu bereiten.“