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Sieg gegen Alba BerlinTelekom Baskets Bonn spielen sich wie im Rausch zur Tabellenführung

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Bonns TJ Shorts II jubelt nach der Partie.

Bonns TJ Shorts II jubelt nach der Partie.

Die Telekom Baskets Bonn feiern mit einem 84:77 gegen Alba Berlin die Tabellenführung.

Nach außergewöhnlichen Erfolgen darf die Feier auch mal etwas länger dauern. Deshalb war es wenig überraschend, dass die Spieler der Telekom Baskets Bonn ihren 84:77 (46:38)-Sieg im Topspiel der Basketball-Bundesliga gegen Alba Berlin in vollen Zügen ausgekostet haben.

Immer wieder versammelten sich die Profis am Dienstagabend zum Tanz, ihr Lächeln war auch in den letzten Reihen der mit 6000 Zuschauern ausverkauften Arena zu sehen. Die Ehrenrunde hat mancher noch ein zweites Mal angetreten, während die Fans ein Jubellied nach dem anderen anstimmten. Es war ein Abend wie im Rausch für das rheinische Publikum.

„Es war von Anfang an ein großartiges Spiel von uns“

Nach dem Triumph über den Titelverteidiger ist die Mannschaft des finnischen Trainers Tuomas Iisalo (40) Tabellenführer. Sie hat nur zwei ihrer 30 Begegnungen verloren und jedes ihrer 15 Heimspiele gewonnen. Vor den in der regulären Saison verbleibenden Aufgaben gegen Braunschweig, in Göttingen und Bamberg sowie gegen Ulm werden sich die Bonner Rang eins vor den Playoffs nicht mehr nehmen lassen. Sie haben zwei Punkte Vorsprung auf Berlin und nach dem 76:81 im Hinspiel auch den bei Punktgleichheit entscheidenden direkten Vergleich mit Alba auf ihrer Seite. Sollten die Bonner erwartungsgemäß als Spitzenreiter in die Endrunde starten, hätten sie nicht nur in allen drei Runden Heimrecht, sondern sie würden auch bis zum Endspiel den Top-Favoriten aus Berlin und München aus dem Weg gehen. Zwei enorm wertvolle Privilegien.

„Es war von Anfang an ein großartiges Spiel von uns“, sagte Iisalo glücklich. „Man hat in vielen Bereichen gemerkt, dass es sehr wichtig für uns war. Nicht nur im Hinblick auf die Tabelle, sondern auch, damit wir sehen, wo wir im Vergleich mit einem der besten Klubs Europas stehen.“

Vor allem die internationale Perspektive hat noch einmal massiv an Bedeutung gewonnen, da die Baskets auch in Europa für Furore sorgen: In der Champions League haben sich die Bonner für das Final-Four-Turnier in Malaga qualifiziert. Im Halbfinale treffen sie dort am 12. Mai auf das Team der Gastgeber, weitere Teilnehmer sind Hapoel Jerusalem und Lenovo Teneriffa. Nach dem Aus von Bayern München und Alba Berlin in der Euroleague sind sie – analog zu den knapp 50 Kilometer flussabwärts beheimateten Fußballern von Bayer 04 Leverkusen – der letzte verbliebene deutsche Klub in einem internationalen Wettbewerb.

„Ich wünsche mir, dass Bonn die Champions League gewinnt, weil sie mit ihrer Art zu spielen sehr wichtig für den deutschen Basketball sind“, ließ Berlins Trainer Israel Gonzalez höflich wissen. Es schwang die aufrichtige Anerkennung des fairen Verlierers mit. Schließlich hatten die Alba-Profis erfahren, was es bedeutet, mit dem Bonner Stil konfrontiert zu werden. Die Gastgeber setzten Berlin mit hoher physischer Intensität unter Druck und entschieden das wichtige Rebound-Duell mit 40:35 für sich.

Telekom Baskets Bonn könnten im Sommer ihren ersten Titel holen

In der Offensive erwies sich der nur 1,75 Meter große TJ Shorts, der in der vergangenen Saison mit durchschnittlich 20,6  Zählern für die Crailsheim Merlins BBL-Topscorer war, mit 20 Punkten und sieben Assists erneut als sicherster Werfer. Doch die Bonner sind qualitativ zu ausgeglichen besetzt, um von den Qualitäten ihres Aufbauspielers abhängig zu sein. Telekom steigt aus nach einer Baskets-Führung von 17 Punkten verkürzte Berlin auf 73:71 (37.), bevor eine Aktion, in der sich das gesamte Bonner Selbstbewusstsein spiegelte, die Vorentscheidung herbeiführte: Statt einen Schnellangriff selbst abzuschließen, warf der starke Tyson Ward (18 Punkte, neun Rebounds) den Ball als Brett, ehe Javontoe Hawkins den Abpraller per Dunking auf spektakulärste Art verwandelte.

Möglicherweise holen die Bonner nach fünf Vizemeisterschaften (1997, 1999, 2001, 2008, 2009) in diesem Sommer ihren ersten Titel. Es könnte eine der letzten Chancen sein, denn nach der Saison 2023/2024 beendet die Telekom nach mehr als 30 Jahren die Zusammenarbeit mit den Basketballern. Schon in der nächsten Spielzeit wird der Konzern seine Zuwendungen reduzieren. Den Baskets eröffnet sich vom 1. Juli 2023 an die Option, einen Partner für das Namens- und Hallensponsoring zu präsentieren, aber die Suche gestaltet sich schwierig.

Diese Sorgen gingen den Spielern am Dienstag wohl nicht mehr durch den Kopf. Sie saßen noch lange in der Halle und vermutlich haben sie das empfunden, was Trainer Tuomas Iisalo in Worte fasste: „Es war nur ein Sieg, aber ich werde mich lange an diesen Abend erinnern.“