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Kölner Kreisliga DSchimpfen, grätschen und jubeln im Schatten der JVA Ossendorf

Lesezeit 4 Minuten
Ossendorfs Kapitän Jonathan Sittel, genannt Johnny

Ossendorfs Kapitän Jonathan Sittel, genannt Johnny

Beim SC Germania Ossendorf geht es in der Regel rustikal zur Sache. Mit überschaubarem Erfolg. Zuletzt setzte es ein 1:17.

Die JVA Ossendorf ist nur einen paar Gehminuten entfernt. Verbindungen zum „Klingelpütz“ gebe es allerdings keine, versichert Karl-Heinz-Löffler (70). „Bei uns sind alle sauber“, meint der Präsident des SC Germania Ossendorf und lächelt. Überprüfen lässt sich das auf die Schnelle natürlich nicht. Aber der freundliche Rentner macht irgendwie nicht den Eindruck, dunkle Geheimnisse in sich zu tragen.

Der 70-Jährige gehört, soviel scheint klar, zu den Ossendorfer Insidern. Bekannt und beliebt. Es geht von Plausch zu Plausch. Das Veedel ist genau sein Ding. Mit einem ungefragten wie leichten „es ist schön hier“ bestätigt er dies wie auf Zuruf. Ein paar Augenblicke später macht dann irgendwie alles einen Sinn. Der Rentner hat fast sein gesamtes Leben in Ossendorf verbracht.

Beide Teams von Germania Ossendorf spielen in der Kreisliga D

Dem Sport-Club Germania Ossendorf von 1894 steht er in seinem zweiten Jahr vor. 2024 ist zum 130-jährigen Bestehen des Vereins ein großes Fest geplant. Obwohl der sportliche Erfolg der Feierabendfußballer überschaubar ist. Beide Seniorenmannschaften, mehr Teams stellt der Verein nicht, spielen in den untersten aller Ligen. In der Fußball-Kreisliga D. Während die zweite Mannschaft in der Staffel 3 von Sieg zu Sieg eilt und mit 51 Punkten den Aufstieg schon so gut wie sicher hat, bereitet ihm Team 1 etwas Sorgen, könnte man meinen. Jüngst setzte es sogar ein niederschmetterndes 1:17.

Ein Heimspiel-Stammgast der Germania, offenbar mit ausbaufähigem Halbwissen vertraut, wollte das Debakel mit fehlendem Spielermaterial erklären. Er habe gehört, dass man bei Grün-Weiß Nippes nur mit acht Spielern angetreten sei. Der Präsident hatte eine andere Version parat: „Wir hatten schon elf Spieler dabei.“ Nur ein Torwart sei eben nicht darunter gewesen. Dann könne so ein Ergebnis schon mal vorkommen. Der Mann ist die Lässigkeit in Person. Dies lässt sich – an diesem Tag zumindest – vom spielenden Ossendorfer Personal im Duell mit der vierten Mannschaft von Blau-Weiß Köln nicht behaupten.

Jonathan Sittel und Adolf Lemoine haben den Laden im Griff

Kapitän Jonathan Sittel, den alle nur „Johnny“ nennen, grätscht, schimpft und wütet ohne Unterlass, geht allerdings immer voran. Meistens dahin, wo es wehtut. Und Fragen stellt der Capitano. Meistens dann, wenn alles gelaufen ist und der Ball im eigenen Tor liegt. Und wenn Johnny mal pausieren muss, weil er gerade in einen heftigen Pressschlag verwickelt war und sich vor Schmerzen krümmt, übernimmt Abwehrchef Adolf Lemoine, der Kantige.

Bevorzugt in der Schusslinie: Linksverteidiger Alexander Trzeschewski, der eifrig, aber mit mäßigem Ertrag die Linie rauf und runter marschiert. Eine halbwegs brauchbare Aktion des schmächtigen und etwas ungestümen jungen Mannes lässt Lemoine, der wohl auf die 50 zugeht und seinerseits keineswegs fehlerfrei agiert, unkommentiert. Lob muss sich Trzeschewski an anderer Stelle holen. Die Rollen sind klar verteilt. Lemoine, ein Kerl wie ein Baum, ist für laut und die Abteilung Keule zuständig. Natürlich ist nach 90 Minuten plus Nachspielzeit alles vergessen. Das ist auch gut so.

Stürmer Sven Hemmersbach war einst ein guter Kreisliga-Torwart

Ein Mittelding zwischen den beiden verbal-offensiven Protagonisten von Ossendorf ist Sven Hemmersbach. Engagiert, emotional, fokussiert. Über den 41 Jahre alten Mittelstürmer lässt sich am spärlich mit Zuschauern besetzten Spielfeldrand des Kunstrasenplatzes an der Rochusstraße einiges erfahren.

Ossendorfs Abwehrchef Adolf Lemoine (rechts) in Aktion

Ossendorfs Abwehrchef Adolf Lemoine (rechts) in Aktion

In jüngeren Jahren sei er ein ziemlich guter Kreisliga-Torwart (!) gewesen und habe seinerzeit für den traditionsreichen VfL Köln 99 gespielt. Inzwischen führt er die Klubgastronomie und das Büdchen. Die Pommes müssen der Hit sein. Hin und wieder spiele er mit, wenn es seine Zeit erlaube, bevorzugt im Angriff, erzählt der Präsident. Und das nicht einmal schlecht. Unter Berücksichtigung seines fortgeschrittenen Fußballeralters sogar ziemlich ordentlich.

Gegen Blau-Weiß Köln trifft er zweimal sehenswert. Zunächst versucht er sich mit einem Flugkopfball knapp über der Ossendorfer Grasnarbe. So viel Akrobatik hätte fraglos einen Treffer verdient gehabt. Der zweite Versuch sitzt dann und offenbart Hemmersbachs technische Fertigkeiten. Perfekte Ballannahme mit der Brust, kurze Ballkontrolle, Kopf hoch und rein damit. Die Becker-Faust gibt es obendrauf. Nicht minder hochwertig ist sein Treffer zum zwischenzeitlichen 2:2: Hemmersbach schraubt sich in die Luft und wuchtet eine präzise Flanke sehenswert per Kopf ins Tor.

Ismail Tan erzielt einen Dreierpack für Blau-Weiß Köln

Mit der Picke setzt Ömer Faruk Evci sogar noch einen drauf. Sein Schuss, ein regelrechtes Kunstwerk, wenn er denn so gewollt war, landet im oberen rechten Toreck. Blau-Weiß-Torwart Darius Bernstein kann nur noch hinterherschauen.

Dass die Gäste vom Militärring trotz aller Ossendorfer Bemühungen am Ende eines umkämpften und phasenweise nahe an der Entgleisung befindlichen Spiels mit 4:3 die Nase vorn hatten, war den Blau-Weiß-Torschützen Kolapo Michael Are und Ismail Tan geschuldet. „Das ist mein Platz hier“, kommentierte der bullige Mittelstürmer seinen Dreierpack an der Rochusstraße.