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Rugby-Spektakel in KölnTriumphaler Tag im Matsch und ein Abschied unter Tränen

Lesezeit 4 Minuten
23.03.2024, Köln: Rugby Bundesliga Spiel RSV Köln  ( rot-weisse Trikots)vs. RK Heusenstamm ( gtün-rote Trikots). Foto:Dirk Borm

Vorbereitung aufs Gedränge im Schlamm: Der RSV Köln (rechts) steht dem RK Heusenstamm gegenüber.

Der RSV Köln hat das Kellerduell gegen Heusenstamm gewonnen und hofft auf den Klassenerhalt. Ein Nationalspieler verabschiedete sich.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit ist die Sonne über dem Kölner Rugby-Park wieder verschwunden. Der Regen feiert sein Comeback, dazu pfeift der Wind durch die Sportanlage am Militärring. Der RSV Köln führt im wegweisenden Kellerduell der Bundesliga 8:0 gegen den RK Heusenstamm. Doch im Rugby ist das keine beruhigende Führung. Mit allen Mitteln versuchen die 15 Kölner, ihren Vorsprung über die Zeit zu bringen oder ihn für eine Vorentscheidung auszubauen.

Ein Gedränge nahe des Malfelds des RSV steht an. Jener Zone, die um jeden Preis verteidigt werden muss. Pro Team klemmen sich acht Spieler ineinander und drücken nach vorne, um ihrer Mannschaft nach einem Einwurf den Ball zu sichern. Bei fast zwei Tonnen Rugbyspielern auf einem Fleck wirken außerordentliche Kräfte.

Die Spieler beider Mannschaften sind inzwischen rein äußerlich kaum noch voneinander zu unterscheiden. Sowohl die grün-roten Trikots der hessischen Gäste als auch der bordeaux-weiße Dress der Kölner ist von einer fast blickdichten Schlammschicht bedeckt. Die Gesichter, vor allem jene der Angreifer, sind ebenfalls braun. Ab und zu glänzen helle Augen oder Zähne hervor. Der Rasen ist nach dem Dauerregen in der Nacht zum Samstag und der heftigen Hagelschauer vom Morgen an vielen Stellen komplett umgegraben.

RSV Köln verteidigt seine Führung lange gut

In dieser Schlammschlacht bekommen die Kölner ihr Malfeld lange gut verteidigt und bauen ihre Führung aus – ehe Abwehrpatzer und eine Strafzeit Heusenstamm zurück ins Spiel und bis auf 17:21 heranbringen. Nach einem weiteren Ballverlust haben die Gäste in der packenden Schlussphase sogar die Chance auf den Sieg. Wann genau die 80 Spielminuten rum sind, weiß nur der Schiedsrichter. Eine Zeitanzeige gibt es im Sportpark nicht. Wie lange die jeweiligen Unterbrechungen dauern, kann auf der Kölner Bank nur gemutmaßt werden.

„Noch zwei Minuten, vielleicht drei“, sagt RSV-Teammanagerin Hannah Jacoby, die auf der Kölner Bank die Spieldaten erfasst und mit ihrem Handy die Zeit stoppt – zumindest Pi mal Daumen. Chefcoach Melvin Smith nickt und feuert seine Spieler an, die Ruhe zu bewahren. Nach zwei erfolgreichen Tacklings ist es tatsächlich geschafft. Trainer und Spieler reißen die Hände in die Luft, das Spiel ist vorbei. Der RSV darf weiter auf einen Bundesliga-Verbleib hoffen.

Oh my goodness. Ich bin sehr zufrieden und erleichtert
Kölns Chefcoach Melvin Smith

„Oh my goodness“, sagt der südafrikanische Coach und atmet tief durch. „Ich bin sehr zufrieden und erleichtert. Wir müssen jetzt den Kopf oben behalten und weiter hart arbeiten.“ Nach neun von 14 Spieltagen ist Köln Vorletzter, nur das Schlusslicht steigt ab. Am 6. April (15 Uhr/Kölner Rugby-Park) gibt es das nächste wegweisende Kellerduell, Gegner ist Tabellennachbar Offenbach.

23.03.2024, Köln: Rugby Bundesliga Spiel RSV Köln  ( rot-weisse Trikots)vs. RK Heusenstamm ( gtün-rote Trikots). Foto:Dirk Borm

Schon nach wenigen Minuten sind die Kölner Rugby-Spieler von den Platzverhältnissen gezeichnet.

Die Unterstützung des Publikums kann dem RSV sicher sein. Am Samstag verfolgen rund 150 Besucher das Spektakel, hauptsächlich Freunde, Verwandte und frühere Spieler. „Wir wollen etwas entwickeln. Und zwar ohne großes Kapital, sondern durch Eigenleistung und Zusammenhalt. Das zeichnet den Verein aus. Natürlich möchten wir Erfolg – aber am Ende ist es mir egal, in welcher Liga wir spielen“, sagt einer der früheren Aktiven, genannt „Oubi“. Prominentester Ex-Spieler ist Schlager-Ikone Howard Carpendale, der in den 60er-Jahren für Köln in der Bundesliga die Schuhe schnürte. Stars gibt es heute keine beim RSV, keiner der Spieler, die aus über zehn verschiedenen Nationen kommen, erhält Gehalt oder Prämien.

Pommes gibt es beim RSV Köln für einen Euro

Der Klub gibt sich betont familienfreundlich: Der Eintritt zum Rugby-Park ist frei, Pommes kosten einen Euro, ein Kölsch 2,50 Euro. Normalerweise gibt es als Zuschauer-Service den Stadionsprecher, der Spielverlauf und Regelwerk über eine Lautsprecher-Anlage erklärt. Allerdings ist der Experte an diesem Samstag verhindert, in die Geheimnisse des Soundsystems ist niemand anders im Detail eingeweiht – weshalb die Durchsagen rudimentär bleiben. Auch sonst verbreitet der enorm anspruchsvolle Bundesliga-Sport einen sympathischen Amateur-Charme. Die kleine Anzeigetafel wird von Spielern bedient. Auch für Teile des Buffets sind die RSV-Hünen zuständig. Sie müssen Salate beisteuern, wie Teammanagerin Jacoby berichtet. Dazu gibt es einen von Spieltag zu Spieltag wechselnden Wäsche-Dienst – an diesem Samstag keine dankbare Aufgabe.

23.03.2024, Köln: Rugby Bundesliga Spiel RSV Köln  ( rot-weisse Trikots)vs. RK Heusenstamm ( gtün-rote Trikots). Foto:Dirk Borm

Die Kölner Verteidigung bringt den gegnerischen Angreifer zu Boden.

Als das Match gewonnen und die Anspannung abgefallen ist, wird es im Kölner Spielerkreis emotional. Justus Gerlach spricht zu seinen Teamkollegen, in seinem verschlammten Gesicht sind Tränen zu erkennen. Denn der bisherige RSV-Kapitän verabschiedet sich – zusammen mit seiner Partnerin geht Kölns einziger Rugby-Nationalspieler auf Weltreise. Erst Asien, dann Namibia. Ob er anschließend zurückkehrt, ist unklar. Welche Qualität mit Gerlach verloren geht, war in seinem Abschiedsmatch klar zu erkennen. Denn ohne seine verwandelten Straftritte hätte Köln das Spiel nicht gewonnen.

Während ein Hagelschauer über Klettenberg niedergeht und sich auf dem umgepflügten Platz die zweite Kölner Mannschaft auf ihr Duell mit Bonn vorbereitet (es wird ein 22:5-Sieg), macht Gerlach seinen Teamkollegen Mut: „Ich glaube an den Klassenerhalt, keine Frage. Heute war es wichtig, dass wir das Momentum auf unsere Seite ziehen und nach vorne gehen. Die Jungs müssen einfach daran glauben.“