Tim Elter trainiert am Olympiastützpunkt in Köln. Bei den Sommerspielen wird er eine der gefährlichsten Wellen der Welt reiten.
„Der Ozean überschlägt sich förmlich“Deutschlands einziger Olympia-Surfer trainiert in Köln und will Gold
Aus dem Tahitianischen übersetzt bedeutet „Teahupo’o“ so viel wie „Mauer aus Schädeln“. Und was martialisch klingt, ist tatsächlich eine Urgewalt der Natur mitten im Paradies. Doch es ist das Traumziel von Tim Elter. Der 20-Jährige hat sich als einziger männlicher deutscher Surfer für die Olympischen Spiele 2024 qualifiziert. Die Wettbewerbe der mutigen Wellenreiter finden jedoch nicht in Paris statt – sondern am anderen Ende der Welt: auf der Insel Tahiti im Südpazifik und mit seiner legendären Teahupo’o-Welle.
Tim Elter will eine olympische Medaille im Surfen gewinnen
„Ich bin unglaublich stolz, dass ich mit dabei bin“, berichtet Elter im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „es ist für mich ein Traum, ein Lebensziel.“ Mit 20 Jahren ist der 1,90 Meter große Vorzeige-Surfer der jüngste Teilnehmer im olympischen Wettbewerb. Doch Elter gibt sich selbstbewusst: „Dabeisein ist für mich nicht alles. Ich möchte auf jeden Fall eine Medaille mitbringen, am besten Gold.“
Elters Zuversicht hängt mit der Teahupo’o-Welle zusammen. „Ich werde so eingeschätzt, dass mir die Welle gut liegt. Meine Performance war immer sehr gut“, sagt der Sohn einer Kölnerin, der auf der Kanareninsel Fuerteventura geboren wurde, dort aufwuchs und noch immer lebt. Auch im Atlantik gibt es gewaltige Wellen – der Adrenalinkick hat es dem Surfer angetan.
Am 19. Juli reist Elter ins französische Überseegebiet Französisch-Polynesien, um sich auf Tahiti den letzten Schliff für den Wettbewerb zu holen. „Ich fühle mich sehr gut vorbereitet“, sagt er. Das muss er auch sein – immerhin gilt die Teahupo’o als eine der gefährlichsten Wellen der Welt. Ihr Name führt zurück auf einen alten tahitianischen König, der die Köpfe seiner Feinde gesammelt haben soll. Ein klarer Hinweis auf die Art der Gefahr für die Surfer sollten sie in den Wassermassen vom Brett geschleudert werden („Whipe Out“).
„Die Wellen reisen über tausende Kilometer im Pazifik an, kommen aus tiefem Wasser und brechen dann auf dem vorgelagerten Riff. Der Ozean überschlägt sich förmlich“, sagt Elter. Über dem scharfkantigen Riff ist das Wasser teils nur einen halben Meter tief – die Wellen darüber türmen sich drei bis fünf Meter in die Höhe. Durch die einzigartige Geografie der Bucht formt die brechende Welle eine fast perfekte Röhre. „Diesen Tunnel zu surfen, ist eines der anspruchsvollsten Manöver. Wenn man stürzt, kann das schon Konsequenzen haben“, so Elter.
Im Hobby-Bereich gab es in der Vergangenheit in dieser Bucht bereits Todesfälle. Weniger gefährliche Surfspots gibt es an der französischen Atlantikküste – doch in den Sommermonaten bilden sich dort aufgrund fehlender Tiefdruckgebiete auf der Nordhalbkugel nicht die richtigen Wellen.
Im olympischen Wettbewerb messen sich in der Herren- und Damen-Konkurrenz jeweils 24 Teilnehmende. Als einzige deutsche Frau hat Camilla Kemp (28) die anspruchsvolle Olympia-Qualifikation gemeistert. In der Vorrunde gibt es acht Matches mit jeweils drei Surfern. Jedes Match dauert 30 Minuten, in denen die Athleten und Athletinnen so viele Wellen reiten können, wie sie möchten.
Eine fünfköpfige Jury bewertet die Versuche auf einer Skala von 0 bis 10 Punkten. Das beste und das schlechteste Jury-Ergebnis werden gestrichen, aus den restlichen drei wird der Mittelwert berechnet. In die Endwertung fließen die beiden besten Wellen ein – in der Theorie gibt es also maximal 20 Punkte in einem Match zu holen. Die jeweiligen Sieger der acht Vorrunden-Duelle ziehen sofort in die dritte Runde ein, alle anderen treten in der zweiten Runde im K.o.-System gegeneinander an.
Tim Elters umjubelte Olympia-Qualifikation
Elter surft seit seiner Kindheit, auch sein Vater ist ein leidenschaftlicher Wellenreiter. Sein Talent wurde früh erkannt. Doch dass es schon für eine Teilnahme an den Sommerspielen 2024 reichen würde, war lange nicht absehbar. Denn erst Ende 2023 rückte der junge Mann in die Nationalmannschaft auf. Weil sich ein Teamkollege verletzte, trat Elter Ende Februar kurzfristig bei den Surf-Weltmeisterschaften in Puerto Rico an – am Strand von Arecibo wuchs der Deutsche über sich hinaus und wurde nach mehreren K.o.-Runden mit dem Olympia-Ticket belohnt.
„Niemand hatte von mir erwartet, dass ich mich qualifiziere, deshalb war ich relativ frei von Druck“, sagt Elter. „Noch immer ist es alles kaum zu realisieren. Erst so Events wie neulich in Köln, lassen mich verstehen, was so abgeht.“ Anfang Juli wurden Elter und weitere Olympia- sowie Paralympics-Starter vom Olympiastützpunkt NRW/Rheinland in Köln in der Flora mit einer großen Gala verabschiedet.
Der Stützpunkt ist ein wichtiger Bestandteil im Trainingsplan des Surfers – nicht immer kann an Traum-Spots in der Südsee geübt werden. „Wir haben hier ein Super-System. Der Stützpunkt bietet Athleten wie mir eine Unterkunft, Ernährungsberatung, Trainer und vieles mehr. Für eine Sportart wie Surfen ist es etwas Besonderes“, sagt Elter.
Der 20-Jährige ist ebenfalls regelmäßig am Münchener Stützpunkt. Denn in der bayerischen Landeshauptstadt wird in Kürze ein rund 40 Millionen Euro teurer Surf-Park mit künstlich erzeugten Wellen eröffnet. Elter und seine olympische Mitstreiterin Camilla Kemp durften ihn jüngst testen – und waren angetan. Auch wenn die Welle mit der „Mauer aus Schädeln“ natürlich nicht konkurrieren kann.