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Kölner Tennis-StarWie Andreas Mies nach der Trennung neu startet

Lesezeit 4 Minuten

Andreas Mies umarmt Kevin Krawietz nach dem erste French-Open-Sieg

Der Kölner Grand-Slam-Sieger will nach dem Abschied von Kevin Krawietz mit dem Australier John Peers ein neues Weltklasse-Doppel bilden.

Am 2. Januar wird der Kölner Andreas Mies ins Flugzeug steigen und nach Australien fliegen. Zum ersten Mal in seinem Leben als Weltklassespieler im Tennis-Doppel alleine, ohne Kevin Krawietz, mit dem er in vier Jahren zu einem der besten Duos wurde und zweimal die French Open gewann.

Die Trennung der Grand-Slam-Sieger am Ende der Saison 2022 ist ein Kapitel, über das Mies am liebsten nicht mehr viele Worte verlieren würde. Alles ist beschrieben worden: Wie das Erfolgsgespann 2021 durch eine schwere Knieverletzung des Kölners auseinandergerissen wurde, während des zu Ende gehenden Jahres wieder zusammenfand, zwei Turniere gewann und sich dann doch trennte. Kevin Krawietz hatte in Tim Pütz durch die starken Auftritte im Davis Cup einen neuen Partner gefunden, mit dem er neue Wege gehen wollte.

Es gab bei Andreas Mies Momente der Trauer, aber das Leben geht für einen Doppelspieler in dem Moment weiter, wenn er einen neuen Partner gefunden hat. Von selbst ging das allerdings auch für Andreas Mies nicht. „Ich habe mir einfach die Weltrangliste angeschaut, wer da frei ist, zu mir passen könnte und in Frage kommt“, sagt der 32-Jährige im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Suche funktionierte ein wenig wie in einem Dating-Portal auf der Suche nach dem besten „Match“. Im Fenster erschien John Peers (34) aus Melbourne, Grand-Slam-Sieger und langjähriger Partner von Größen wie Jamie Murray und Michael Venus. Seinen wichtigsten Triumph, den Sieg bei den Australian Open 2017, feierte an der Seite des Finnen Henri Kontinen.

„Es war Glück, dass John frei war. Man schaut ja auch, ob der andere dann zu einem passt, auf welcher Seite des Platzes er am liebsten spielt, was im Doppel extrem wichtig ist. Und bei uns könnte es sehr gut passen“, sagt Andreas Mies. Also hat er die frühere Nummer zwei der Doppel-Weltrangliste in Australien angerufen, und die Sache war schnell ausgemacht. Zwei ehemalige Grand-Slam-Sieger werden zu einem neuen Duo. In anderen Teamsportarten hätten bereits mehrere Workshops und Trainingslager stattgefunden. Wenn der eine Teil der Mannschaft in Köln wohnt und der andere in Melbourne, ist das allerdings etwas komplizierter.

Ein neues Doppel trifft sich, trainiert und spielt dann einfach zusammen

„Ehrlich gesagt funktioniert ein Kennenlernen im Doppel immer anders. Man trifft sich, trainiert ein paarmal zusammen und spielt dann einfach“, erklärt Andreas Mies. Etwa so, als wäre einer Rockband der Gitarrist abhandengekommen. Wichtig ist, dass die Chemie mit dem Nachfolger passt. Die Griffe und Akkorde kennt er schon selbst. Die letzte Harmonie kommt sowieso erst beim gemeinsamen Spielen auf der Bühne.

Direkt nach seiner Ankunft in Australien wird Mies nach Adelaide reisen und dort mit Peers bei einem Vorbereitungsturnier für den ersten Grand Slam des Jahres sein Debüt geben. Die Weltranglistenpositionen (Mies 24/Peers 37) sorgen dafür, dass beide Zugang zu jedem Hauptfeld finden. Mit 32 Jahren befindet sich Andreas Mies im Zenit seiner Karriere, die leicht bis 40 andauern kann. Von den zehn Doppel-Spielern der Welt ist nur einer jünger als 30 Jahre und sieben sind 33 und älter. Allerdings sind Doppel-Spezialisten zum Siegen verurteilt, denn die Preisgelder haben nicht das Niveau des Einzelwettbewerbs und müssen dann auch noch geteilt werden. Andreas Mies erklärt: „Man sagt, dass man im Einzel unter den Top 100 sein muss, um gut davon leben zu können. Im Doppel unter den Top 30.“

Trotz der Rückschläge mit seinem Knie (Knorpelschaden) hat er sich in diesem Bereich gehalten und bildet mit Oscar Otte, der 2022 zwischenzeitlich in die Top 40 vordrang, die Kölner Fraktion im Spitzentennis der Welt. Mit knapp 1,7 Millionen Dollar Karrierepreisgeld, 450 000 Dollar alleine 2022, scheint das Auskommen vorerst gesichert. Andreas Mies und Oscar Otte („Andy ist mein Freund, wir haben permanent Kontakt“) haben den Aufstieg gemeinsam auf obskuren Außenposten des Welttennis geschafft, mit fragwürdiger Betreuung irgendwo zwischen Karachi und Rabat. Oft hat das Preisgeld gerade so den Billigflug und die Spar-Unterkunft ausgeglichen.

Obwohl eine Trennung nach so langer Zeit emotional war, bleiben wir Freunde
Andreas Mies über seine Beziehung zu Kevin Krawietz

„Das war eine wilde und auch schöne Zeit“, erinnert sich Mies, der das Leben auf der Top-Bühne allerdings zu schätzen gelernt hat: „Es ist wirklich alles top organisiert für uns Profis, da fehlt es an nichts.“ Schon früh hat sich abgezeichnet, dass der smarte Rheinländer Tennis aus seinem eigenen Blickwinkel sieht. Nach dem Abitur 2009 erhielt Andreas Mies ein Stipendium auf dem College in Auburn/Alabama und studierte in den Vereinigten Staaten vier Jahre Betriebswirtschaft bis zum Bachelor. In den Ferien flog er zurück nach Köln, um zuerst in Marienburg und dann beim Tennisclub Rot-Weiss zu einem Top-Spieler zu werden. Das verletzungsanfällige rechte Knie zwang ihn allerdings zu einer Entscheidung. Er musste sich auf eine Disziplin beschränken und wurde Doppel-Spezialist. Es war nicht die schlechteste Entscheidung seines Lebens.

Wichtig ist für Andreas Mies, dass die menschliche Beziehung zu Kevin Krawietz nach vier tollen Jahren unangetastet bleibt. „Obwohl eine Trennung nach so langer Zeit natürlich emotional nicht einfach war, bleiben wir Freunde“, sagt der Kölner, „und es ist ja nicht ausgeschlossen, dass wir irgendwann noch einmal zusammen spielen.“