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Kommentar

Kommentar zum DFB-Kader
Nagelsmanns mutiges Bekenntnis zur Formstärke

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Lesezeit 3 Minuten
Bundestrainer Julian Nagelsmann stellt auf einer Pressekonferenz am Donnerstag den Kader für die Testländerspiele Ende März vor.

Bundestrainer Julian Nagelsmann stellt auf einer Pressekonferenz am Donnerstag den Kader für die Testländerspiele Ende März vor.

Zahlreiche Neulinge sind berufen, Prominente wie Mats Hummels oder Leon Goretzka sind dagegen nicht dabei.

Wenn ein Bundestrainer einen Kader beruft, ist die Zahl derer, die zu Hause bleiben, naturgemäß weit größer als die der Auserwählten. Er könne schließlich nicht alle Kandidaten mitnehmen, sonst hätte man am Ende 46 Spieler und brauche vier Busse, sagte Julian Nagelsmann am Donnerstag, als er bekanntgab, wen er dabeihaben will, wenn die Nationalmannschaft zu ihren Frühjahrstests zusammenkommt. Und wen nicht.

Der Kader sieht weniger als 100 Tage vor dem Start der Heim-EM radikal aus. Sechs Neulinge bedeuten, dass Nagelsmann eine Gruppe zusammenzieht, die sich aneinander gewöhnen muss. Nicht nur fußballerisch, sondern auch menschlich. Der Bundestrainer hat die Zeichen damit deutlich auf Neubeginn gestellt. Es konnte nach den Novemberpleiten gegen die Türkei und Österreich nicht so weitergehen. Dieser wohlfeilen Feststellung hat Nagelsmann Taten folgen lassen. Das spricht für den Mut und den Gestaltungswillen des nach wie vor erst 36-jährigen Trainers.

Die Liste derer, die nicht berücksichtigt wurden, ist so prominent wie folgerichtig besetzt. Spieler wie Mats Hummels und Leon Goretzka wären derzeit bei aller Prominenz nicht als Stammspieler eingeplant. Offenbar traut Nagelsmann ihnen nicht zu, die Nationalmannschaft aus der zweiten Reihe führen zu können oder zu wollen.

Stattdessen berief Nagelsmann eine Gruppe, die sich wie die Shortlist für die Wahl zum deutschen Bundesligaspieler des Jahres liest: Der Heidenheimer Jan-Niklas Beste, Aleksander Pavlovic vom FC Bayern, Maximilian Beier aus Hoffenheim sowie die Stuttgarter Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Deniz Undav. Jeder für sich ein Spieler, der in diesem Jahr an unterschiedlichen Enden des Wettbewerbs und auf verschiedenen Wahrnehmungsstufen seine persönliche Erfolgsgeschichte geschrieben hat. Die Debatten über Turnierkader sind traditionell geprägt von der Frage, ob Formstärke höher zu bewerten sei als eine grundsätzlich vermutete Klasse, auf die zu hoffen man nicht aufgeben möchte.

Julian Nagelsmann hat zumindest mit seinem März-Kader klar beantwortet, was für ihn zählt: Er will Spieler, die den Schub aus ihren Vereinen mitbringen ins Nationalteam. Wobei sich noch erweisen muss, wer die tatsächlichen Leistungsträger in den Vereinen sind – wer den Stuttgarter, Leverkusener oder auch Heidenheimer Erfolg verantwortet. Und wer womöglich doch nur Passagier in einer Mannschaft ist, in der Stars dominieren, die während der EM für andere Nationalmannschaften auflaufen werden.

Noch weiß Nagelsmann nicht, ob sein kühner Plan aufgeht. Die mehrfach für beendet erklärte Phase des Experimentierens ist nicht abgeschlossen, die deutsche Elf bleibt eine Baustelle. Nagelsmann wird das Projekt DFB-Elf nach der EM zugunsten eines Klub-Engagements aufgeben, ein Scheitern mit der DFB-Auswahl dürfte seine weiteren Karrierechancen nicht ruinieren. Auch deshalb wurde er geholt: Er kann sich leisten, beim Umbau der Nationalmannschaft seiner Überzeugung zu folgen. Das bedeutet Chance wie Risiko gleichermaßen.