Es gibt viele Zweifel am Bundestrainer - aber keine Alternative. Und die typisch deutsche Erstarkung in Turnieren funktioniert nicht mehr. Woher soll da die Euphorie kommen?
Kommentar zur Nationalmannschaft:Wir müssen mit Hansi Flick auf ein Wunder hoffen
Ein Jahr vor Beginn der Europameisterschaft in Deutschland, die ein großes Fest des Fußballs und Frohsinns werden soll, lautet die drängendste Frage: Ist Hansi Flick der richtige Bundestrainer? Das bestürzende an dieser Frage ist, dass sie keine Antwort erlaubt und jede. Es macht keinen Unterschied. Genau so gut könnte man fragen, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, denn es existiert keine Alternative. In dem Fall zu Hansi Flick. Jupp Heynckes ist zu alt, Jürgen Klopp zu jung, Julian Nagelsmann zu unreif, Lothar Matthäus hat einen anderen Beruf. Und es wäre sowieso alles viel zu spät.
Deutschland wird das letzte Länderspiel dieser Saison am Dienstag in Gelsenkirchen gegen Kolumbien mit Hansi Flick absolvieren. Man kann nur hoffen, dass es besser wird als die an Hilflosigkeit grenzenden Darbietungen gegen die Ukraine (3:3) und Polen (0:1). Und dann muss man hoffen, dass es in der Sommerpause Erkenntnisse vom Himmel regnet und neue Spieler wie der Ex-Schalker Malick Thiaw am Freitagabend aus dem Nichts erscheinen. Dass hinter dem undurchsichtigen Treiben des Bundestrainers und seines Trainerstabs irgendwann ein Plan erkennbar wird. Und dass direkt vor dem Turnier ein Wunder mit der Nationalmannschaft passiert, wie es früher die Normalität war. Weshalb jeder Bundestrainer oder Teamchef mit jedem zusammengewürfelten Haufen am Ende zumindest ins Endspiel oder zumindest Halbfinale großer Turniere einziehen konnten.
Die Überzeugung im Trainerteam ist irrelevant, es zählt die der Fans
Allerdings scheint dieser Automatismus seit dem WM-Gewinn 2014 unter Joachim Löw durchbrochen. Zuletzt haben viele Nationen die Deutschen im Deutschsein - dieser schwer zu definierenden Mischung aus Korpsgeist, Disziplin und Leidensfähigkeit bei großen Turnieren - übertroffen. Und so wären weitergehende Erklärungen als der mechanisch immer wieder geäußerte Satz „Wir sind von unserem Weg überzeugt“ (Flick) wünschenswert. Dieses „Wir“ des Bundestrainers ist verräterisch, denn es ist für das Gelingen der Sache das falsche „Wir“. Das einzig relevante „Wir“ umschließt die andere Seite: Die Fans, das Publikum, die Masse, die in einem Jahr mit ihrer Euphorie ein Fest des Fußballs und Frohsinns veranstalten soll.
Dieses „Wir“ muss überzeugt werden. Am besten schon im nächsten Spiel am Dienstag. Sonst werden womöglich bald auch die nicht überzeugenden Alternativen ein Thema.