AboAbonnieren

Frank GotthardtWarum der Inhaber der Kölner Haie das rechtspopulistische Portal „Nius“ gegründet hat

Lesezeit 6 Minuten
Pressekonferenz Kölner Haie Eishockey KoelnArena 2 Datum: 20.04.2017 Frank Gotthardt

Press conference Cologne Sharks Ice hockey koelnarena 2 date 20 04 2017 Frank Gotthardt

Frank Gotthardt bei einer Pressekonferenz der Kölner Haie.

Aus Reihen der Haie-Fans gibt es Kritik und Sorgen. „Nius“ wird von Experten als politisch „weit rechts“ eingeordnet.

Er sei schon immer ein „Kümmerer“ gewesen, erklärt Frank Gotthardt im Podcast „Rund ums Eck – der Koblenz-Podcast“. Gotthardt, Unternehmer, Milliardär und Besitzer der Kölner Haie, gibt selten Interviews. Auch Anfragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ lehnt er seit Jahren beharrlich ab. In dem Podcast hat er sich jedoch ausführlich geäußert – über seinen Werdegang, seine Leidenschaften. Und über sein Engagement als Gründer und Finanzier des Portals „Nius“, dessen geschäftsführender Direktor Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt ist.

Gotthard gilt als IT-Pionier

Sein Kümmern sei politisch zu verstehen, so Gotthardt. Schon als Schülersprecher seines Wuppertaler Gymnasiums habe er in den Sechzigern Sitzstreiks gegen Fahrpreiserhöhungen organisiert. In den Jahrzehnten danach habe er als Unternehmer zwar zunächst wenig Zeit gefunden, sich zu engagieren. Später war er lange Jahre Landesvorsitzender des Wirtschaftsrats der CDU in Rheinland-Pfalz.

Gotthardt, geboren 1950 in Koblenz, gilt als IT-Pionier im Gesundheitswesen. Er baute die Compu-Group Medical (CGM) auf, ein Unternehmen, das Software für das Gesundheitswesen entwickelt und vertreibt. Mehr als drei Milliarden Euro ist die Firma wert, Gotthardts Privatvermögen soll bei 1,5 Milliarden Euro liegen, eher darüber. Damit gehört er zu den 100 reichsten Deutschen. Ein intelligenter, kühler Rechner, aufgewachsen in einer Angestelltenfamilie, der es weit nach oben schaffte.

Über sein Leben abseits des Unternehmens ist nicht viel bekannt. Er soll eine gut sortierte Oldtimersammlung besitzen, ab und zu chartert er ein eigenes Flugzeug, um Zeit zu sparen. Doch grundsätzlich gilt der Milliardär als wenig kapriziös. Seine Auftritte in der Loge bei Heimspielen der Kölner Haie sind keine ausufernden Veranstaltungen. Gotthardt guckt gern Eishockey, lässt es dabei jedoch nicht krachen.

Gotthardt kaufte 96 Prozent der Anteile an den Kölner Haien

Dabei könnte er. Schließlich gehören die Kölner Haie ihm, seit er im Jahr 2010 etwa 96 Prozent der Anteile von Heinz-Hermann Göttsch übernahm. Als der Immobilienunternehmer ausgestiegen war, hätte das die Haie beinahe die Existenz gekostet. Fast ein Jahr suchten sie nach einem neuen Investor, fanden trotzdem niemanden, der Geld in den achtmaligen Deutschen Meister stecken wollte.

Bis Gotthardt einsprang. Er wurde von ehemaligen Führungskräften seiner Firma überzeugt, die seit der Weltmeisterschaft in Köln begeisterte Eishockey-Fans sind. Ein finanziell aussichtsreiches Investment sind die Haie jedoch nicht: Profi-Eishockey ist in Deutschland nach wie vor ein Zuschussgeschäft. Gotthardt gab über die Jahre 25 Millionen Euro für die Haie aus. Deutsche Eishockey-Vereine finanzieren sich durch den Verkauf von Tickets und Fanartikeln, die TV-Einnahmen sind im Vergleich zur Fußball-Bundesliga minimal. Alle Klubs brauchen deshalb Geldgeber: Mannheim hat die Hopp-Familie, Berlin die Anschutz Entertainment Group, München Red Bull.

Frank Gotthardt sitzt bei einem Haie-Spiel neben Ralf Pape in der Loge.

Frank Gotthardt mit Haie-Gesellschafter Ralf Pape bei einem Spiel der Kölner Haie

Und die Haie haben Gotthardt. Die laufenden Kosten beim KEC sind besonders hoch: Pro Heimspiel fällt eine Miete von 40 000 Euro an, auch das Trainingszentrum Kölnarena 2 ist gemietet. Dazu kommen Angestellte in Verwaltung und Marketing sowie das Trainerteam mit den Spielern. In diesem Jahr konnten die Haie Rekordzuschauerzahlen von durchschnittlich fast 17 000 Besuchern pro Spiel verbuchen, Europarekord. Dennoch: Ohne Gotthardts Zuschüsse gäbe es die Kölner Haie nicht mehr.

Nius treibt das Prinzip, seine Inhalte einer bestimmten politischen Linie unterzuordnen, ins Extreme
Benjamin Krämer, Medienwissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München

Nun ist wenig zu kritisieren an einem emotionalen Investment, das der Sportstadt Köln einen Mehrwert bringt und ein bemerkenswerter Publikumserfolg ist. Ein anderes Investment des Koblenzer Unternehmers dagegen steht in der Kritik, auch unter den Fans der Haie. Gotthardt gründete 2023 das Portal „Nius“, bei dem Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt geschäftsführender Direktor ist. Der verlor im Jahr 2021 seinen Job, weil er nach Ansicht seines Arbeitgebers ein System von auf sexuellen Gefälligkeiten gegründeten Beförderungen etabliert hatte.

„Nius“ gilt ähnlich wie „Bild“ als boulevardesk. Es ist eine Plattform der knalligen Farben, der krawalligen Überschriften, der Ausrufezeichen. Der Medienwissenschaftler Benjamin Krämer sieht jedoch deutliche Unterschiede zu Reichelts früherem Arbeitgeber.

„‚Nius‘ treibt das Prinzip, seine Inhalte einer bestimmten politischen Linie unterzuordnen, ins Extreme“, sagt Krämer, der als Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München forscht. Das Nachrichtenportal biege die Deutung von Geschehnissen häufig so weit, bis sie „hundertprozentig in die eigene Agenda passt und mit der Realität nur noch oberflächlich etwas zu tun hat“, es gehe gegen „eine Politik, die auf Gleichstellung von Minderheiten zielt“ vor, sage der vermeintlichen linken Elite, der „Wokeness“ und vor allem den Grünen den Kampf an.

Krämer bezeichnet Gotthardts und Reichelts „Nius“ als populistisch im präzisen Sinne des Wortes und ordnet es politisch „weit rechts“ ein, „in einem Bereich der kulturkämpferischen Rechten, wie wir sie aus den USA kennen“.

„Nius“ wird vorgeworfen, gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen zu haben

Auch der Investor selbst sieht sein Medienunternehmen „rechts der Mitte“, will damit aber nicht als Extremist verstanden werden. „Die neue Mitte ist ja links, insofern müssen wir rechts von der Mitte sein“, beschreibt Gotthardt. Er erklärt sein Engagement mit „staatsbürgerlicher Verantwortung“: Man müsse der „Übermacht der linken Medien etwas entgegensetzen“.

Krämer sieht das anders: „Diese Diagnose ist natürlich viel älter als der Beschluss Gotthards, und konservative und extrem Rechte in zahlreichen Ländern haben seit langem daran gearbeitet, das als unumstößliche Gewissheit im öffentlichen Bewusstsein zu verankern“, so der Medienwissenschaftler. „Viele aus der Wissenschaft weisen unermüdlich darauf hin, dass es mit der angeblichen linken Dominanz in den Medien nicht so einfach ist.“

Derzeit untersucht die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (Mabb) Vorwürfe gegen das Onlineportal. Seit September 2023 seien acht Beschwerden bezüglich der journalistischen Sorgfaltspflicht eingegangen, bestätigt die Mabb auf Anfrage. „Nius“ unterliegt – anders als beispielsweise die „Bild“ oder der „Kölner Stadt-Anzeiger“ – nicht der Selbstregulierung des Presserates. Kommerzielle Angebote mit journalistischen Angeboten können von den Landesmedienanstalten darauf geprüft werden, ob journalistische Mindeststandards eingehalten wurden.

Haie-Fan veröffentlichte Brief an die Geschäftsführung

Dass er Reichelt auswählte, erklärt Gotthardt so gelassen wie schlüssig: Er habe sich „schlau gemacht“ über den Mann, der wegen Machtmissbrauchs von der „Bild“-Spitze stürzte. „Es gibt nicht beliebig viele Menschen, die eine gute Einordnung in ein Gefüge haben und sich da auch verlässlich zeigen, die gleichzeitig enorme Motivation, enormen Energieüberschuss und Charisma haben“, beschreibt Gotthardt seine Spitzenkraft.

Die Fans der Kölner Haie müssen nun damit leben, dass Gotthardt neben ihnen noch andere Investments verfolgt. Ein Fan und Dauerkarteninhaber veröffentlichte zuletzt einen Brief an die Geschäftsführung der Haie, in dem er Parallelen zog zum Potsdamer Treffen der rechtsextremistischen Szene im vergangenen November. Ob ausgeschlossen sei, dass die Kölner Haie für „Nius“ werben oder anderweitig kooperieren, wollte der Fan wissen.

KEC: Kein „Nius“-Marketing bei den Kölner Haien

Die Haie antworteten ausführlich. „Uns und Herrn Gotthardt ist sehr klar, dass es keine operative oder gar strategische Einflussnahme jeglicher Unternehmen in Richtung der Kölner Haie gibt. Die Integrität und Handlungshoheit der Kölner Haie war noch nie gefährdet und wird auch in Zukunft unberührt bleiben“, hieß es aus der Klubzentrale. „Es wird keine Marketingmaßnahmen von ‚Nius’ bei den Kölner Haien geben.“

In ihrem Schreiben betonten die Haie-Verantwortlichen, zu ihren Werten stehen zu wollen, was sich wie eine Distanzierung von Inhalten und Aufmachung von „Nius“ las: „Es geht uns darum, Menschen zusammenzubringen, Menschen zu einen, Menschen – wo es uns möglich ist – zu helfen und auch Menschen zu begeistern. Die Kölner Haie stehen für Weltoffenheit, Integration und gelebte Gemeinschaft. Als gesamte Haie-Familie lehnen wir politischen Extremismus entscheidend ab“, hieß es, doch wichtig war es den Haien offenbar auch, Frank Gotthardt als innerhalb ihres Wertesystems darzustellen. „Alle unsere Gesellschafter bekennen sich zu unseren Werten.“