Nach dem 1:4 gegen Japan wurde der inzwischen ehemalige Bundestrainer noch stärker kritisiert. Es gibt einen Wunschkandidaten für seine Nachfolge.
Stimmen nach Japan-NiederlageDeutschland wird „nur noch vorgeführt“ – Ex-Nationalspieler kritisieren Hansi Flick
Hansi Flick hatte seit dem Vorrunden-Debakel der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der vergangenen WM in Katar keinen leichten Stand als Bundestrainer mehr. Jede Entscheidung, jede Handlung und natürlich jedes Spiel wurde seitdem mit Argusaugen verfolgt.
Genauso wie die 1:4-Niederlage am Samstag: Die Nationalelf versagte bei einem Testspiel in Wolfsburg gegen Japan. Die Mannschaft, die Deutschland im ersten Spiel bei der WM 2022 besiegte und das Vorrunden-Aus damit einleitete. Am Freitag erschien die dazugehörige Dokumentation „All or Nothing“ auf Amazon, mit der Flick nicht weitere Sympathiepunkte gesammelt haben dürfte.
Spätestens nach der Testspiel-Niederlage forderten viele nun Konsequenzen für den Bundestrainer. Flick soll am besten schon vor dem nächsten Test der Nationalmannschaft gegen Vize-Weltmeister Frankreich ersetzt werden. Dazu kam es am Sonntagnachmittag dann auch. Der DFB gab bekannt, Flick von seinen Aufgaben entbunden zu haben.
In der internationalen Presse wurde darüber bereits zuvor spekuliert. Denn Flick sei „erneut machtlos, die beste Version der Mannschaft wiederherzustellen“ gegen Japan gewesen, „seine jüngste Bilanz ist schrecklich“, wie etwa die spanische Sport-Zeitung „Marca“ schrieb. Im britischen „Guardian“ hieß es, dass „Flicks Zukunft ist in ernster Gefahr“ sei. Die „Japanische Ohrfeige“ (Schweizer „Blick“) werde Flick, „der nach einer Reihe katastrophaler Leistungen unter Druck steht, sicherlich nicht helfen“ („L'Equipe“).
Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in einem Interview bei „Welt TV“, dass er „traurig“ sei über die dritte Niederlage infolge beim DFB sei. Zur Debatte über die Zukunft von Hansi Flick wollte sich Scholz nicht äußern, denn es gebe schon genug, die das „von der Seitenlinie“ kommentieren.
Lothar Matthäus: Klopp der „ideale Trainer“ für die deutsche Nationalmannschaft
So etwa Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. Ihm falle es schwer, negativ über Flick zu sprechen, weil er ihn seit 40 Jahren kenne – „aber die Ergebnisse sprechen für sich“. „Hansi wackelt“, so Matthäus. Deutschland werde „nur noch vorgeführt“.
Der Weltmeister von 1990 hätte deshalb direkt einen kurzfristigen Vorschlag für das Amt des Bundestrainers: Matthias Sammer. Derjenige, der zuletzt zu den lautesten Stimmen gehörte, die die Situation im deutschen Fußball bemängelten. Und seit dem WM-Aus 2022 zur Task-Force gehört, um den deutschen Fußball zu retten.
„Er ist jemand, der aneckt – das ist das, was wir zurzeit nicht haben. Das kann der Mannschaft guttun“, sagt Matthäus. Matthias Sammer könnte den Trainerposten beim DFB bis zur Heim-EM 2024 übernehmen, danach solle Jürgen Klopp Bundestrainer werden. Der Teammanager des FC Liverpool hat dort noch einen Vertrag bis 2026, den er auch erfüllen möchte. Klopp sei deshalb „nicht zu bekommen, er möchte eine Erfolgsgeschichte zu Ende schreiben“ – aber für Matthäus sei er der „ideale Trainer, wenn es über die Europameisterschaft hinausgeht“.
Sich selbst sieht Lothar Matthäus jedoch nicht mehr als alternativen Bundestrainer: „Ich bin lange weg, ich habe lange Spaß gehabt als Trainer. Das kommt für mich nicht infrage, meine Lebensplanung ist ganz anders. Das ist nicht der Posten, den ich mir vorstelle.“
Lukas Podolski: „Seit 20 Jahren raus“ – Sammer und Völler keine Option für Bundestrainer-Posten
Mit FC-Ikone Lukas Podolski meldete sich ein weiterer Weltmeister (2014) zu Wort. Vorausblickend auf das Freundschaftsspiel gegen Frankreich sagte er bei „Bild-TV“: „Wenn es da jetzt keinen Erfolg gibt oder eine deutliche Leistungssteigerung erfolgt, werden die Köpfe bröseln beim DFB“.
Von Interimslösungen wie Matthias Sammer oder sogar DFB-Sportdirektor Rudi Völler, der von 2000 bis 2004 Teamchef der Nationalelf war, hält Podolski nicht viel. Sie seien als Trainer seit „20 Jahren raus“ und in den vergangenen Jahren eher Funktionäre gewesen. Er möchte sie allerdings „nicht schlechtreden“: „Wenn sie es sich zutrauen und dafür brennen, sind sie aber auf jeden Fall eine Option“.
Genauso wie Matthäus wäre der Wunschkandidat des 38-Jährigen für den Bundestrainer-Posten Jürgen Klopp. „Das wäre ein Trainer, der alles umkrempelt, neue Energie reinbringt“. Aber Klopp ist nun mal noch an den FC Liverpool gebunden.
Deshalb sei für Lukas Podolski nur Julian Nagelsmann derzeit „die Lösung“. „Er ist der Einzige, der auf dem Markt ist. Er kennt die meisten Jungs, hat zuletzt ein Topteam trainiert“, so Podolski über den ehemaligen Trainer des FC Bayern.
Joshua Kimmich: „In allererster Linie sind wir Spieler die Hauptverantwortlichen“
Der frühere Nationalspieler Stefan Effenberg sprach sich im „Doppelpass“ auf Sport1 deutlicher für einen Trainerwechsel beim DFB aus. Effenberg glaubt, „dass der Trainer die Mannschaft nicht mehr erreicht, dass gehandelt werden muss und dementsprechend auch ein neuer Trainer kommen muss“.
Für Mario Basler, Europameister von 1996, waren eher die Spieler hauptverantwortlich an der Niederlage im Test gegen Japan. Zwar sei natürlich auch der Trainer mitverantwortlich, „aber wenn du elf Blinde auf dem Platz hast, was soll denn ein Trainer dann machen?“, fragte er in der Talkshow „Doppelpass“. Effenberg entgegnete, dass man Flick hinterfragen müsse: „Wer gibt die Führung vor, wer ist verantwortlich für die Aufstellung, für die Einstellung, für die Taktik – und das ist der Trainer.“
Aus dem Kreis der Nationalmannschaft geht es derweil in die Richtung von Basler. Unmittelbar nach der Niederlage gegen Japan stellten sich einige Spieler hinter Hansi Flick. Der neue Kapitän İlkay Gündoğan sagte, dass sich die Mannschaft hinterfragen müssen. „In allererster Linie sind wir Spieler die Hauptverantwortlichen“, ergänzte Joshua Kimmich. Auch Marc-André ter Stegen sieht das so: „Es immer leicht zu sagen, es ist der Trainer. Wir waren verantwortlich. Wir kriegen es nicht auf den Platz“. Der Torhüter glaube weiter an Flick.
Hansi Flick will weiter „fighten“ – Völler „schockiert“ von „Blamage“
Zunächst sah es nicht danach aus, dass Flick gehen muss. Am Sonntag leitete der amtierende Bundestrainer das öffentliche Training der Nationalmannschaft. Fans am Spielfeldrand rief er dabei vielsprechend „ich fighte weiter“ zu.
Sein Chef Rudi Völler war auch vor Ort. Nach dem Schlusspfiff gegen Japan war der noch „schockiert“, die Niederlage sei eine „Blamage“, über die er eine Nacht schlafen müsse. Bei einer Durchsage in Richtung Fans sagte er beim Training am Sonntag: „Es ist selbstverständlich, dass wir uns hier alle stellen. Das gehört sich auch so. Herzlich willkommen, auch wenn es heute ein bisschen schwerer fällt“. Den Namen des Bundestrainers nahm er nicht in den Mund.
Am Sonntagnachmittag wurde dann das offiziell, was viele sich als Lösung für den Tiefflug der deutschen Nationalmannschaft wünschten: Hansi Flick wurde offiziell vom DFB von seinem Bundestrainer-Posten entbunden. Völler übernimmt einmalig gegen Frankreich.
Gerade mit Blick auf die Europameisterschaft 2024 in Deutschland bräuchte es eine „Aufbruchsstimmung und Zuversicht“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der die Entlassung Flicks selbst vorschlug.
Das sieht auch Völler so, der Flick lange Rückendeckung gab. Jetzt müsse man einen Bundestrainer finden, der „die Nationalmannschaft wieder auf das Niveau hebt, das man von ihr kennt und auch erwartet“. (rxa mit SID/dpa)