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Nachruf auf Rosi MittermaierDie Gold-Rosi von der Winklmoos-Alm

Lesezeit 6 Minuten
Rosi Mittermaier bedankt sich nach ihrem Olympiasieg bei den Spielen 1976.

Rosi Mittermaier bedankt sich nach ihrem Olympiasieg bei den Spielen 1976.

Rosi Mittermaier, die Gold-Rosi von der Winklmoos-Alm und eine Ikone der Freundlichkeit, ist nach schwerer Krankheit im Alter von 72 Jahren gestorben.

Im Frühjahr 1976 war Rosi Mittermaier in der ZDF-„Drehscheibe“ zu Gast, 25 Jahre jung damals, aber bereits eine Heldin des deutschen Sports. Sie lächelte so freundlich und umwerfend sympathisch in die Kamera, dass zunächst gar nicht auffiel, was sie da alles mitgebracht hatte, obwohl sie ja eigentlich deshalb eingeladen worden war.

Denn was sie dabei hatte, war der Schmuck ihres Erfolges, die Folgen des Märchens, das sie bei den Olympischen Spielen von Innsbruck 1976 geschrieben hatte. Um ihren Hals baumelten also zwei goldene und eine silberne Medaille, auf einem Tischchen vor ihr standen auch noch drei Kristallpokale. Alles zeigte sie fein in die Kamera und war dabei so beseelt, wie es nur die glücklichsten Menschen sein können.

Neben allerlei Erlebnisberichten aus Innsbruck wiederholte Rosi Mittermaier auch noch mal, was sie bereits am 31. Mai 1976 verkündet hatte: „Ich trete zurück.“ Das war in jener Zeit ein heftiger Schlag für die an ihr und ihren Leistungen so interessierte deutsche Öffentlichkeit. Rosi Mittermaier war die Gold-Rosi, eingenommen von der gesamten Republik, die unverstellte Frau von der Winklmoos-Alm oberhalb von Reit im Winkl, gelegen in den Chiemgauer Alpen. Aufrichtig, immer freundlich, in sich ruhend, natürlich, mit großer Ausstrahlung gesegnet und mit all diesen Eigenschaften immer wieder auch nach der Karriere im Fernsehen zu erleben.

Was ich erleben durfte, das ist super. Das ist toll.
Rosi Mittermaier

Bei „Dalli-Dalli“ etwa, der „Telegymnastik“, als Expertin für Skirennen, in Kochsendungen oder einfach so, weil sie die Rosi war, die Frau mit der Kurzhaarfrisur, die alle nur mögen. Umso erschütternder die Nachricht, die am frühen Donnerstagmorgen verbreitet wurde: Rosi Mittermaier ist gestorben, 72-jährig.

Nach langer Krankheit, von der sie, typisch Rosi, die Öffentlichkeit nicht unterrichtete. Warum auch? Eine Nachricht, die einen Schock bei denen auslöste, die sie kannten. Eben weil diese Frau sich immer treu geblieben ist, den Fragesteller im Gespräch anlächelte und anschaute und auch die Rückfrage stellte, wie denn die Anfahrt gewesen sei und ob auch bitte schön bloß alles in Ordnung sei. Sie war unprätentiös und mochte es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, obwohl sie alles Recht dazu gehabt hätte.

Dazu passt die Geschichte, die ihr Sohn Felix Neureuther, selbst ein hochdekorierter Alpiner, einmal erzählte: Kam er also zu einem Jugend-Skirennen, ein anderer hatte ein Olympiabuch von 1976 dabei, in dem auch Bilder von Rosi Mittermaier und ihren beiden Gold-Triumphen zu sehen waren. Felix Neureuther fragte: „Was macht denn die Mama da drin?“ Es klingt surreal und unmöglich, aber die Mama hatte dem Bub, der sich ja selbst anschickte, ein Ski-Star zu werden, gar nichts von ihrem Vorleben als Ski-Größe erzählt. Und gewiss auch nichts von den Erfolgen des Vaters Christian Neureuther, auch er war ein erfolgreicher Alpiner, ausgestattet mit sechs Siegen in Slalom-Weltcup-Rennen.

Mittermaier stand mit drei Jahren erstmals auf Skiern

Schon mit drei Jahren stand die am 5. August 1950 geborene Rosa Katharina Mittermaier-Neureuther erstmals auf Skiern, es ließ sich auch kaum vermeiden in der Umgebung der im Winter tief verschneiten Winklmoos-Alm. Die war zunächst ein von den Eltern bewirtschaftetes Gasthaus und später ein Studentenheim.

Der Vater Heinrich betrieb zudem eine Skischule und war der Förderer der Karrieren seiner drei Töchter Heidi (geboren 1941), Rosi und Evi (geboren 1953). Doch keine der drei Mittermaier-Schwestern war so erfolgreich wie die mittlere, die Rosi. Die war ein skifahrerisches Juwel, sie vervollkommnete die Technik, die parallel gestellten Skier geschlossen zu halten, was ihr das damals neue, enge Anfahren an Slalomstangen und Riesenslalom-Tore ermöglichte. Und damit Schnelligkeit auf der Piste.

Bis 1975 erreichte Rosi Mittermaier auf diese Weise in 28 Rennen das Podium, schaffte es aber nie bei einem Großereignis in die Medaillenränge. Doch vor dem olympischen Winter stellte sie sich um – und trainierte hart, sich nicht mehr nur auf ihr Naturtalent verlassend. Die Mischung aus Begabung und Fleiß ging in den goldenen Februar-Tagen der Olympischen Spiele 1976 in Innsbruck vollends auf.

Am 8. Februar gewann sie auf der Piste „Hoadl“ in der Axamer Lizum in den Stubaier Alpen die Abfahrt. Drei Tage später nur ging Rosis Gold-Show weiter: Am „Birgitzöpfl“, wieder in der Axamer Lizum, gewann sie den Slalom. Und im Auslauf der Pisten war nach ihren Goldrennen der berühmt gewordene Refrain „Rosi, Rosi noch einmal, es war so wunderschön“ zu hören. Am 13. Februar schließlich folgte wieder auf der „Birgitzöpfl“-Piste Silber im Riesenslalom, geschlagen wurde die Gold-Rosi um zwölf Hundertstel von der Kanadiern Kathy Kreiner. Es war der Wahnsinn.

1976 war ihr Jahr des Triumphs

Olympia-Gold war damals gleichzeitig auch WM-Gold, als WM-Titel kam sogar noch die damals nicht olympische Kombination hinzu. Und am Ende der Saison stand überdies die Bestätigung dieser Tageserfolge, ausgehändigt in Form von den Kristallpokalen, die sie auch in der „Drehscheibe“ vorführte: Gewinn des Gesamt-Weltcups, dazu Platz eins in der Slalom- und Kombinationswertung. Alles auf einmal. Puh.

Der Rücktritt nach den Triumphen war die Konsequenz aus einer Erkenntnis: Erreicht war alles. Mehr ging nicht. Mittermaier sagte einmal dazu: „Ich habe ja eigentlich aufhören müssen. Ich hatte ja schon nach Innsbruck gespürt, dass ich keine ruhige Minute mehr hatte.“ Denn es brach das Chaos aus auf der Winklmoos-Alm: 27 000 Briefe in vier Wochen, Tausende Pakete, dazu Heiratsanträge und gestohlene Wäsche von der Leine, ausgetretene Wege oben auf der Winklmoos-Alm, dem Idyll – alle wollten Rosi Mittermaier sehen, die Sensation aus den Bergen.

Jubel auf dem Podest mit den Platzierten nach dem Olympiasieg in der Abfahrt, bei dem Rosi Mittermaier die Startnummer 9 trug.

Jubel mit den Platzierten nach dem Olympiasieg in der Abfahrt, bei dem Rosi Mittermaier die Startnummer 9 trug.

Ihren sportlichen Erfolg konnte sie auch finanziell vergolden. Sie schloss sich nach der Karriere der US-Sportagentur von Mark McCormack an, als einzige Deutsche neben Sportgrößen wie Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart oder Tennis-Legende Björn Borg. Das Engagement brachte Mittermaier tatsächlich Millionen: „Ich habe halt geschaut, dass ich auch Geld verdiene. Mit dem Skifahren ging das ja nicht.“

Doch Rosi Mittermaier verschwand auch nach der Karriere nicht in der Anonymität. Sie nutzte ihre Popularität für ihre Herzensangelegenheit, den Einsatz für Bewegung als Basis der Gesundheit. Sie war zudem ein bekennender Familienmensch, Mutter von Felix (geboren 1984), dem einstigen Ski-Profi, und Amelie (geboren 1981), einer Modedesignerin. Inzwischen war Rosi Mittermaier längst auch schon Oma von drei Enkeln. Außerdem engagierte sich zudem in sozialen Projekten und war bis zuletzt in vielen Fernsehsendungen präsent.

Mittermaier – eine Ikone der Freundlichkeit

Und zwar als authentische Frau, die nichts auf ihre Siege gab oder darauf, nun auch Teil der „Hall of Fame“ des deutschen Sports zu sein. Sie war schlicht eine Bilderbuch-Normale, eine Ikone der Freundlichkeit, die jeder, der sie kannte, einfach immer nur umarmen wollte.

Mit dem Schnee fing alles an, hat sie einmal gesagt. Und: „Was ich erleben durfte, das ist super. Das ist toll.“ Was für eine Lebens-Bilanz.