Nations LeagueDFB-Elf schenkt Sieg gegen Spanien in letzter Sekunde her
Stuttgart – Neustart mit Licht und Schatten: In einem lange zähen Fußball-Klassiker hat die Nationalmannschaft gegen Spanien zum Start in die EM-Saison ein Achtungszeichen in letzter Sekunde verpasst. Trotz Führung kam die Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw am Donnerstag nach fast zehn Monaten Auszeit beim Corona-Geisterspiel der Ex-Weltmeister zu einem 1:1 (0:0). Den Treffer von Timo Werner (51. Minute) glich Luis José Gayà (90.+6.) am Donnerstag in Stuttgart noch aus und verhinderte somit noch den ersten Pflichtspielsieg von Löw gegen Spanien.
289 Tage nach dem letzten Länderspiel war Ersatz-Kapitän Toni Kroos und den Rückkehrern Leroy Sané und Niklas Süle die fehlende Frische und Spielpraxis deutlich anzumerken. Immerhin bissen sie sich besonders in der zweiten Halbzeit richtig rein. Auf vier Münchner Triple-Sieger um Manuel Neuer hatte Löw verzichtet. Wie vor zwei Jahren gegen Frankreich startete die DFB-Elf auch in die zweite Auflage der Nations League mit einem Remis und wartet in dem Wettbewerb nach sieben Spielen noch auf einen Sieg. Die nächste Gelegenheit bietet sich bereits am Sonntag, wenn die Schweiz in Basel der Gegner ist.
Chancen aber auch Defizite in der ersten Halbzeit
Löw stand ganz in schwarz, aber mit weißen Sneakern meist am Rand seiner Coaching-Zone. Das leere Stadion hatte den Bundestrainer noch kurz vor dem Spiel ziemlich bedrückt. „Nicht das, was man als Trainer oder Spieler möchte“, sagte der 60-Jährige im ZDF, ehe mit dem Anpfiff die volle Konzentration seiner Mannschaft galt. In einer eigentlich offensiven Formation mit Dreierkette und meist zwei Spitzen versuchte das DFB-Team, die Spanier früh in deren eigener Hälfte unter Druck zu setzen. Löw klatschte bei den gelungenen Aktionen - er sah aber vor allem in der ersten Halbzeit auch Defizite.
Die Spanier spielten mit hohem Pressing und provozierten Fehler in der Abstimmung zwischen Abwehr und Mittelfeld. Ein schwacher Rückpass von Emre Can, der etwas überraschend anstelle von Matthias Ginter in der Innenverteidigung begann, führte zum Missverständnis zwischen dem aus seinem Tor herauseilenden Kevin Trapp und Süle. Gegen den gedankenschnellen Rodrigo konnte Trapp gerade so mit einer Grätsche am Strafraum klären (14.). Auch kurz vor der Halbzeitpause zeichnete sich der Frankfurter Keeper gegen den Leeds-Profi aus (45.).
DFB-Offensive zeigt ihr Potenzial
In der Offensive zeigten die jungen DFB-Profis in Ansätzen ihr riesiges Potenzial. Hinter Sané, der nach gut einer Stunde ausgewechselt wurde, und dem Neu-Londoner Werner begann etwas überraschend Julian Draxler als zentraler Mittelfeldspieler. Mit Süle, der an seinem 25. Geburtstag sein 25. Länderspiel absolvierte, dem Spanier Thiago (beide FC Bayern) und seinem Pariser Teamkollegen Thilo Kehrer war er einer von vier Profis, die vor erst elf Tagen im Champions-League-Finale gespielt hatten. Viertelfinalist Robin Gosens von Atalanta Bergamo feierte sein Länderspiel-Debüt.
Der aufgerückte Außenverteidiger Kehrer mit einem Kopfball (11.), Draxler (14.) und Sané (18.) prüften den spanischen Torwart David de Gea früh. Bis zu Werners Tor nach guter Vorarbeit von Gosens vergingen aber viele Minuten ohne nennenswerte Offensiv-Aktionen des DFB-Teams. Sané, der nach seinem Wechsel zum FC Bayern in der Königsklasse nicht spielberechtigt und deshalb fast ohne Spielpraxis nach Stuttgart gereist war, war zunächst der auffälligste Nationalspieler. Werner wurde in der zweiten Halbzeit stärker, der Chelsea-Stürmer traf nach Vorarbeit von Sané auch noch das Außennetz (61.). Süle scheiterte mit einem Kopfball an De Gea (79.).
In Abwesenheit der geschonten Münchner Champions-League-Sieger Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Serge Gnabry, die bei der EM im kommenden Jahr in der Form des Königsklassen-Turniers von Lissabon alle in der Startelf stehen würden, hatte Löw keine drei Tage, um sein Team neu aufzustellen. „Im Laufe des Spiels weiß ich auch nicht so richtig, was passieren wird. Wer wird müde? Wem gehen die Kräfte aus?“, hatte Löw gesagt. Auf den Leverkusener Kai Havertz, der unmittelbar vor einem Wechsel zum FC Chelsea stehen soll, verzichtete der Bundestrainer am Donnerstagabend gänzlich.
Die Spanier, die mit sieben Neulingen im Kader in einem großen Umbruch stecken, erwiesen sich als unangenehmer, aber bei weitem nicht übermächtiger Gegner zum Start. Nach der deutschen Führung hatten unter anderem erneut Rodrigo (58.) mit einem Schuss knapp über das Tor und Fabián Ruiz (64.), dessen Versuch Trapp parierte, gute Gelegenheiten zum Ausgleich. Auch gegen Óscar war Trapp zur Stelle (84.). (sid)