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Thomas BachMachtwechsel beim IOC hinter verschlossenen Türen in einem Luxus-Ressort

Lesezeit 6 Minuten
Der scheidende IOC-Präsident Thomas Bach eröffnet am Dienstag im antiken Olympia die 144. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees.

Der scheidende IOC-Präsident Thomas Bach eröffnet am Dienstag im antiken Olympia die 144. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees.   

Der deutsche Jurist und ehemalige Fechter Thomas Bach tritt nach zwölf Jahren als IOC-Präsident ab.

Weißer Rauch wird nicht aufsteigen über der griechischen Halbinsel Peloponnes. In vielen anderen Punkten ähnelt der Führungswechsel an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aber sehr einer Papstwahl. Auch das Weltsport-Imperium regelt seine inneren Angelegenheiten gern unter sich und unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit.

109 Mitglieder zählt das IOC, ein sorgsam ausgewählter, elitärer Kreis, der im Rahmen der 144. Vollversammlung am Donnerstag einen neuen Vorsitzenden – oder zum ersten Mal eine Vorsitzende bestimmt. In geheimer Wahl hinter den verschlossenen Türen eines abgelegenen Luxus-Ressorts. 

In der nun 131 Jahre währenden Geschichte des inzwischen Milliarden schweren Unternehmens passiert das nicht oft. Bislang gab es lediglich neun Präsidenten. Am längsten war Pierre de Coubertin im Amt, von 1896 bis 1925 der zweite Präsident des IOC. Er gehörte 1894 zu den Gründungsmitgliedern des Ringeordens und gilt heute als Vater der modernen Olympischen Spiele. Seit seinem Tod 1937 ruht sein Herz in einer Stele vor dem antiken Stadion in Olympia. 

Eben dort eröffnete Thomas Bach am Dienstag das Zusammentreffen der IOC-Mitglieder, bei dem über seine Nachfolge entschieden wird. Der deutsche Jurist und ehemalige Fechter ist seit zwölf Jahren im Amt, länger geht nach heutigen Regeln offiziell nicht. Die Statuten schreiben vor: Nach seiner Wahl bleibt der IOC-Präsident zunächst für acht Jahre im Amt. Wird er dann wiedergewählt, folgt eine weitere Amtszeit von vier Jahren.

Am letzten Wochenende der Olympischen Spiele von Paris machte Bach den Spekulationen um seine Zukunft ein Ende

Dass Bach wirklich Platz machen und die Geschäfte im Juni an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin übergeben wird, ist aber erst seit dem vergangenen Sommer sicher. Am letzten Wochenende der Olympischen Spiele von Paris machte er den Spekulationen ein Ende, er könnte eine Änderung der Regularien anstreben, um weiterhin im Amt seines Lebens zu bleiben. Einige IOC-Mitglieder hatten diesen Wunsch offiziell vorgetragen. Ob aus eigenem Antrieb oder vom Chef persönlich dazu angestoßen, wird kaum jemals ans Licht kommen. Letztlich musste Bach aber wohl erkennen, doch nicht mehr genügend Strippen in der Hand zu halten für einen solchen Vorstoß. Seither lautet sein Credo: „Neue Zeiten brauchen neue Anführer.“

Am Dienstag sagte Bach in Olympia, es seien die Werte des Sports, die Olympische Spiele ausmachten, und: „Wir als Wächter haben die Pflicht, uns hinter diesen Werten zu versammeln.“ Die antiken Olympischen Spiele hätten geendet, „als politische und kommerzielle Interessen in den Vordergrund traten und die Werte des Sports beiseite stießen“. Der Noch-Präsident warnte davor, dass diese Werte auch heute wieder gefährdet seien und umriss damit den Auftrag an den künftigen Präsidenten oder die künftige Präsidentin: In einer sich aktuell rasant verändernden Weltordnung muss die olympische Bewegung ihren Platz verteidigen. 

Mehr Mitsprache für die Mitglieder ist eine immer wieder zu hörende Forderung

Thomas Bach hat das IOC in seiner Zeit als Präsident durch diverse Krisen laviert, etwa den russischen Doping-Skandal, die Corona-Pandemie, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine oder schwindendes Interesse demokratischer Staaten an der Ausrichtung Olympischer Spiele. Auf den ersten Blick ist Bach das gut gelungen. Er übergibt ein finanziell bestens aufgestelltes IOC, die Corona-Spiele von Tokio gingen glimpflich über die Bühne und in Paris feierte Olympia zuletzt eine fulminante Party. Auch die kommenden Austragungsorte der Sommerspiele, Los Angeles (2028) und Brisbane (2032), wecken Vorfreude auf großen Sport.   

Die Art, wie Bach führte, wird allerdings nicht durchweg positiv beurteilt. Er ist ein Machtmensch, der mit hölzerner Rhetorik und autokratischem Gebaren eine Mauer um sich und seine Vertrauten zog. Der innere Zirkel der IOC-Exekutive hat Entscheidungen oft vorgegeben, die das übrige Volk nur durchzuwinken hatte. Mehr Mitsprache für die Mitglieder ist eine immer wieder zu hörende Forderung. Und bei großen Fragen, dem Ausschluss russischer Athletinnen und Athleten zum Beispiel oder dem Prozedere wie mit Sportlerinnen oder Sportlern mit unklarem Geschlecht umzugehen sei, scheute Bach gern klare Ansagen und schob die Verantwortung auf die internationalen Spitzenverbände.   

Ein Favorit für die Nachfolge ist Sebastian Coe

Einer, bei dem sie landete, ist der Brite Lord Sebastian Coe, Präsident des internationalen Leichtathletikverbandes World Athletics. Der 1500-Meter-Olympiasieger und Organisator der gelungenen London-Spiele 2012 ist einer der sieben Kandidaten für die Bach-Nachfolge – und einer der Favoriten. Der 68-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren zum charismatischen Gegenspieler Bachs entwickelt. Bei World Athletics hat er den Ausschluss russischer Athleten immer strikt durchgesetzt, er hat klare (und harte) Regeln im Sinne des Frauensports aufgestellt und bei den Spielen in Paris erstmals Preisgeld an Olympiasiegerinnen und Olympiasieger in der Leichtathletik ausgeschüttet.

Sebastian Coe, einer der Favoriten auf die Bach-Nachfolge.

Sebastian Coe, einer der Favoriten auf die Bach-Nachfolge.

Jetzt möchte der eloquente Brite IOC-Präsident werden. Doch Wahlkampf? Einen intensiven Austausch von Ideen für die Zukunft? Ein Kräftemessen der Favoriten? Alles Fehlanzeige. Kampagnen, Auftritte, intensive Reisetätigkeiten, digitale Likes von anderen IOC-Mitgliedern – das alles war den Kandidaten im Vorfeld der Wahlen verboten. Beim IOC zählt nicht, wer sich öffentlich mit Transparenz und guten Strategien am besten verkaufen kann. Sondern wer im Verborgenen die besten Deals abschließt.

Über die Präsidentschaftsanwärter ist wenig bekannt

Bei der einzigen erlaubten Wahlkampf-Veranstaltung durften sich die sieben Kandidaten im Januar für jeweils 15 Minuten den IOC-Mitgliedern präsentieren. Nachfragen waren nicht zugelassen. Anschließend gab es für jeden eine Audienz von zehn Minuten vor 30 ausgewählten Medienvertretern. Entsprechend wenig ist bekannt über die Auftritte der Präsidentschafts-Anwärter.

Will die Medien nicht als Feinde betrachten: Juan Antonio Samaranch Junior.

Will die Medien nicht als Feinde betrachten: Juan Antonio Samaranch Junior.

Als zweiter Favorit neben Coe gilt Juan Antonio Samaranch Junior. Er ist der Kandidat mit dem klangvollsten Namen. Der 65 Jahre alte Investment-Banker aus Spanien ist der Sohn von Juan Antonio Samaranch Senior, von 1980 bis 2001 siebter Präsident des IOC. Samaranch Junior hat Ideen rund um einen olympischen Investmentfond und tat zuletzt kund, man dürfe die Medien nicht länger als Feinde betrachten, was einer klaren Abgrenzung zu Bach gleichkommt. 

Bach bevorzugt Kirsty Coventry

Als dessen Favoritin gilt die einzige Frau in der Kandidatenliste: Kirsty Coventry, 41 Jahre alt, Schwimm-Olympiasiegerin und langjährige IOC-Funktionärin sowie Sportministerin aus Simbabwe. Die Geschlechtergerechtigkeit voranzutreiben, war immer ein Thema für Bach, das kann er auf der Habenseite verbuchen. Dass er nun Coventrys Bewerbung unterstützt, dürfte aber nicht ganz uneigennützig sein, da sie stets von ihm protegiert wurde und daher fest auf seiner Seite steht. Mit ihr an der Spitze des IOC würde Bachs Werk fortgeführt werden und er würde sich wohl einen gewissen Einfluss bewahren. Ob das die Mitglieder überzeugt, wird sich zeigen. 

Gilt als Bachs Wunschkandidatin: Kirsty Coventry.

Gilt als Bachs Wunschkandidatin: Kirsty Coventry.

Weiterhin zur Wahl stehen Johan Eliasch, britisch-schwedischer CEO des Sportartikelherstellers Head und Präsident des Ski-Weltverbandes Fis; Prinz Faisal bin Al Hussein, der Bruder des jordanischen Königs; David Lappartient, Franzose und Präsident des internationalen Radsportverbandes UCI sowie Morinari Watanabe, Japaner und Präsident des internationalen Turn-Verbandes. Ihnen werden allerdings eher Außenseiterchancen zugeschrieben. Wer in den Hinterzimmern welche Verbünde geschmiedet hat, bleibt aber die große Unbekannte im IOC-Universum.

Sebastian Coe zumindest scheut auch die Öffentlichkeit nicht. Nach seiner Auslegung der Nichtwahlkampf-Regeln des IOC ist das Bespielen seines Instagram-Accounts erlaubt. Dort erfährt man, dass Coe nach wie vor 40 Meilen pro Woche läuft und sich selbst für den stärksten Kandidaten für das Amt des IOC-Präsidenten hält. Was sonst? Er sagt aber auch: „Ich stehe für das Team Athleten. Sie sind das Herz und die Seele der Spiele. Ohne sie gibt es keine olympische Bewegung.“ Für sie müssten Fairness und eine gute Versorgung sichergestellt werden, vor, während und nach ihrer sportlichen Karriere. Das Problem: Sportlerinnen und Sportler wählen den IOC-Präsidenten genauso wenig wie Gläubige den Papst.