„Nicht richtig atmen“Blatter-Aussage bei Prozessauftakt verschoben
Bellinzona – Joseph Blatter beugte sich auf seinem Drehstuhl in der ersten Reihe langsam zum Mikrofon und sprach mit leiser, brüchiger Stimme. Wegen gesundheitlicher Probleme bat der frühere FIFA-Präsident gegen Ende des ersten Tags des Prozesses gegen ihn und Michel Platini um eine Verschiebung seiner Vernehmung. „Hohes Gericht, es geht mir nicht gut. Ich habe eine Beschwerde, die wieder zurückkommt, dann kann ich auch nicht richtig atmen“, sagte Blatter vor seiner geplanten Befragung im Flüsterton. „Ich sehe mich nicht in der Lage, zu antworten.“
Gestützt von seiner Tochter Corinne bahnte sich der 86-Jährige in der Mittagssonne vor dem Bundesstrafgericht im schweizerischen Bellinzona anschließend den Weg vorbei an mehr als einem Dutzend TV-Kameras. Er sei sehr müde, sagte er nach den ersten gut vier Stunden des mit Spannung erwarteten Prozesses. Nach Angaben von Rechtsanwalt Lorenz Erni hat sein Mandant Brustschmerzen und Atemschwierigkeiten. Damit gerät der Zeitplan, der nach Aussage der Vorsitzenden Richterin Joséphine Contu Albrizio aufgrund des Gesundheitszustands für Blatter „maßgeschneidert“ ist, früh unter Druck.
Michel Platini sagt am Donnerstag aus
So wird es erst am Donnerstag, dem zweiten von elf Verhandlungstagen, zur Aussage des ehemaligen FIFA-Präsidenten und des früheren UEFA-Chefs Platini wegen der Vorwürfe des Betrugs und weiterer Delikte kommen. „Wir schauen dem Urteil positiv entgegen“, sagte Platinis Anwalt Dominic Nellen beim Verlassen des Verhandlungssaals. „Endlich gibt es ein Gericht, das diese Geschichte auch anschaut. Die Zeugen, die jetzt kommen, sind wichtig für uns. Entsprechend positiv ist Herr Platini auch gespannt auf diese Zeuginnen und Zeugen.“
Blatter und Platini wird vorgeworfen, dass sie den Weltverband über eine angeblich noch ausstehende Forderung Platinis getäuscht haben. Blatter soll laut Anklage unrechtmäßig die Zahlung der FIFA in Höhe zwei Millionen Franken (nach heutigem Stand rund 1,92 Millionen Euro) plus Sozialversicherungsbeiträge an Platini bestätigt haben.
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Ungeklärt ist die Frage, wie die Ermittler auf den Vorgang gestoßen sind. Der Prozessauftakt stand ohne die Aussage Blatters im Zeichen des verbalen Schlagabtausches zwischen der Verteidigung Platinis und der FIFA als Privatklägerin - und der Frage zur Rolle des heutigen Weltverbandspräsidenten Gianni Infantino.
Der Gericht werde nicht an der Frage herumkommen, wer ein Interesse an diesem Strafverfahren gehabt habe, sagte Platinis Rechtsanwalt Nellen. Er forderte, dass das Gericht eine Disziplinarverfügung gegen den früheren Bundesanwalt Michael Lauber berücksichtigen müsse. Darin geht es auch um Geheimtreffen mit Infantino. Der frühere UEFA-Generalsekretär war 2016 nach dem Sturz Blatters und Platinis, dem die Nachfolge als FIFA-Chef eigentlich bereits sicher schien, zum neuen Präsidenten des Weltverbands aufgestiegen.
Catherine Hohl-Chirazi als Vertreterin der FIFA warf der Platini-Seite hingegen vor, eine „Nebelwand“ zu erzeugen und eine „Verschwörungstheorie“ aufzustellen. „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Verfahren“, betonte sie.Mehrere Anträge der Verteidigung, unter anderem die FIFA als Privatklägerin auszuschließen, wies das Gericht zurück. Ebenso wie das Begehr der FIFA-Vertreterin auf französisch plädieren zu dürfen.Platini (66) verfolgte den Auftakt des auf deutsch geführten Prozesses zwischen seinen drei Vertretern mit Kopfhörern und einer französischen Übersetzung auf den Ohren aus der zweiten Reihe schräg hinter Blatter. Vor seinen gesundheitlichen Problemen hatten vor allem der 86-Jährige noch demonstrativ Zuversicht zur Schau gestellt, gemeinsam mit Platini gescherzt und gelacht.
„Mit der schönen Sonne, die da ist, bin ich gut gelaunt. Ich bin zuversichtlich, weil ich mir nichts vorzuwerfen habe“, sagte Blatter am Mittwochmorgen bei seiner Ankunft am Gericht. „Es dauert zwei Wochen, also muss ich doch am ersten Tag guter Laune sein.“ Insgesamt sind elf Verhandlungstage bis zum 22. Juni angesetzt. Ein Urteil soll am 8. Juli verkündet werden. (dpa)