AboAbonnieren

Erste Rundfahrten vorbeiWie Pogacar und Roglic den Rest beherrschen

Lesezeit 4 Minuten
Tadej Pogacar jubelt nach seinem Sieg auf der Schlussetappe von Paris-Nizza im Gelben Trikot.

Als Solist zum Erfolg: Tadej Pogacar gewinnt die Schlussetappe von Paris-Nizza und die gesamte Fernfahrt gleich auch noch.

Die Radsport-Saison hat gerade erst so richtig begonnen – doch schon jetzt dominieren zwei Slowenen die Szene: Tadej Pogacar und Primoz Roglic.

Strahlender Sonnenschein empfing den Champion auf der Promenade des Anglais, der mondänen Strandpassage im Herzen von Nizza. Es war erneut Tadej Pogacar (24), der Sonnenkönig des Peloton, der als Erster den Zielstrich bei einer Etappe der Fernfahrt Paris-Nizza überquerte, und zwar im Gelben Trikot des Führenden, 33 Sekunden vor seinen Verfolgern Jonas Vingegaard aus Dänemark und dem Franzosen David Gaudu.

Pogacar verbeugte sich gleich hinter dem Zielstrich vor dem Publikum, vielleicht auch, um seine außergewöhnliche Frühform zu entschuldigen, mit der er Gefahr läuft, das internationale Publikum zu langweilen. Denn dieser Erfolg hier war sein achter Saisonerfolg und Platz eins der Gesamtwertung der Fahrt zur Sonne gleich schon sein neunter. Das ist unglaublich.

Tadej Pogacar verbeugt sich vor seinem Publikum.

Tadej Pogacar verbeugt sich vor seinem Publikum.

Pogacar gewann bei Paris-Nizza drei von acht Etappen, zwei in den Bergen nach unwiderstehlichen Sprinteinlagen in steilem Terrain. Am Sonntag, nach seinem Coup im Herzen von Nizza, sagte der Slowene: „Ich habe das heute sehr gut kalkuliert.“ Dagegen wird sich kein Widerspruch regen, zumal Pogacar die Strecken rund um Nizza und hinauf auf den steilen Col d’Èze, dem Ort seiner Attacke, bestens kennt. Es ist das Trainingsrevier des in Monaco lebenden Tour-de-France-Gewinners der Jahre 2020 und 2021. Dass Pogacar bereits jetzt den Tour-Sieger des Vorjahres, Jonas Vingegaard (Dritter der Gesamtwertung), abstellte wie ein Pizzabote seinen Karton, illustriert das aktuelle Kräfteverhältnis nur umso mehr: Pogacar ist zurzeit der stärkste und beständigste Radprofi der Welt.

Wobei: Konkurrenz erwächst ihm durchaus auch noch, allerdings nur im Quervergleich. Landsmann Primoz Roglic, dreimaliger Sieger der Spanien-Rundfahrt, zog seine Show bei Tirreno-Adriatico ab, der Fernfahrt der zwei Meere durch die Mitte Italiens. Dort gewann Roglic drei der sieben Etappen – und alle drei gleich hintereinander. Es waren jeweils harte Tage im Gebirge. Hinzu kommen die Gesamt-, die Punkte- und die Bergwertung. Der Deutsche Lennard Kämna schaffte immerhin auf Rang vier des Gesamtklassements.

Der Slowene Primoz Roglic gewinnt bei Tirreno-Adriatico eine Etappe.

Unwiderstehlich bei Tirreno-Adriatico: Primoz Roglic im blauen Trikot des Gesamtführenden.

Es ist schon oft gerätselt worden, wie es sein kann, dass gleich zwei Menschen aus dem Zwei-Millionen-Volk der Slowenen in der Lage sind, den Radsport derart zu beherrschen. 2020 belegten die beiden ja die ersten beiden Plätze der Tour. Damals entriss Pogacar Roglic mit einem unfassbaren Zeitfahrritt in den Vogesen am vorletzten Tag der Frankreich-Rundfahrt noch das Gelbe Trikot. Damals schon wurden Fragen laut, ob das alles mit Wasser und Brot möglich sei, zumal Pogacars Umfeld in seinem Team UAE-Emirates durchaus Teil der alten, dopingumrankten Schule des Pelotons entstammt. Und Roglics Vita, die eine Umschulung vom enttäuschten Skispringer zum famosen Ausdauersportler auf dem Rad beinhaltet, klingt einfach nur fantastisch. Ach ja: Der aktuelle Sieger des Klassiker-Monuments Mailand-Sanremo, Matej Mohoric, ist, na klar, auch Slowene.

Verdacht ja – positive Kontrolle nein

Bisher hat das Trio alle Kontrollen ohne Befund absolviert, was aber nicht viel heißt, denn das gelang ja auch Lance Armstrong, dem Oberdoper. Dem Rest sind angesichts der Kontrolldaten und der Form von Pogacar und Roglic die Beine gefesselt. Was bleibt, ist staunen. Über die Fähigkeit der beiden, bergauf die Konkurrenz zu deklassieren, sie im Falle eines Falles eben im Sprint zu erledigen und über die Frische, diese Nummer tagelang durchziehen zu können, noch dazu zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison. Die französische Sporttageszeitung „L’Équipe“ titelte am Montag in Bezug auf Pogacars Leistung schicksalsergeben: „Alle auf die Knie“.

Diese Entwicklung im Übrigen ist neu in der Gegenwart. Zuletzt war so eine Überform eines Athleten zu diesem Zeitpunkt des Jahres – Pogacars Statistik ist in diesem Frühjahr noch besser als die von Roglic – nur Eddy Merckx gegeben, dem Dauersieger mit dem Beinamen der Kannibale. Der Belgier gewann in seiner Zeit Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre alles – von den Frühjahrsklassikern bis zu den großen Rundfahrten und dem Herbst-Monument Lombardei-Rundfahrt. Merckx selbst adelte Pogacar übrigens längst schon als seinen legitimen (Sieg-)Nachfolger. Was auch Sinn ergibt, denn Pogacar ist Favorit bei Lüttich-Bastogne-Lüttich im April, bei der Tour im Juli sowieso und die Lombardei-Rundfahrt am 8. Oktober 2022 gewann wer? Richtig, der Sonnenkönig und Siege-Sammler des Frühjahrs 2023, Tadej Pogacar.