AboAbonnieren

Peter Draisaitl über Leons Stanley-Cup-Traum„Darum geht es von morgens bis abends“

Lesezeit 4 Minuten
2958714B-3DCD-49C3-A7C0-48B73177BEB5

NHL-Superstar Leon Draisaitl (links)

KölnHerr Draisaitl, Ihr Sohn Leon spielt mit den Edmonton Oilers in den NHL-Playoffs zurzeit gegen Colorado Avalanche um den Final-Einzug. Verfolgen Sie seine Spiele?

Ich muss zugeben, dass ich es nicht schaffe, alle Spiele live zu sehen. Ich bin in Bratislava, wo ich in den letzten zwei Jahren Trainer war, jetzt habe ich ein Angebot als Sportlicher Leiter angenommen. Ich war während der Serie gegen Los Angeles da, das waren enge und interessante Spiele. Im letzten Spiel hat Leon sich leider verletzt, dass schleppt er seitdem mit.

Es handelt sich wohl um eine Verletzung am Sprunggelenk. Beißt jetzt die Zähne zusammen und ignoriert den Schmerz?

Ja natürlich, so ist das in den Playoffs.

Die Oilers haben die ersten beiden Halbfinal-Spiele auswärts in Colorado verloren, 6:8 und 0:4. Wie schätzen Sie die Chancen auf den Finaleinzug noch ein?

Jetzt sollten sie die beiden Heimspiele gewinnen. Den Oilers ist das schon zuzutrauen. Sie sind in dieser Saison eine Wundertüte, immer für Überraschungen gut. Gegen Calgary haben sie das erste Spiel mit 6:9 verloren und die Serie dann gewonnen.

Leon hat in der regulären Saison in 80 Spielen 110 Scorerpunkte gesammelt. In den Playoffs sind es bisher in 14 Spielen 28 Punkte. Ist er mit 26 Jahren schon auf dem Höhepunkt seiner Karriere?

Oh, dass weiß ich nicht. Ich bin der Meinung, dass ein Spieler, der wirklich will, sich immer verbessern kann. In Details, Nuancen, die von außen vielleicht kaum jemand bemerkt. Ich denke, das ist auch bei Leon der Fall. Er ist so aufgestellt, dass er mit dem Erreichten nicht zufrieden ist. Das Wichtigste für ihn ist, mit der Mannschaft den größtmöglichen Erfolg zu haben.

Also den Stanley-Cup zu gewinnen, die Meisterschaft in der NHL?

Das ist das Zauberwort, darum geht es von morgens bis abends. Jedes Jahr und immer wieder aufs Neue. Es gibt kein anderes Ziel, das dem irgendwie nahekommt. Ich weiß aus erster Hand, dass die persönlichen Errungenschaften oder wie man es nennen mag, ihn zwar freuen, vielleicht auch stolz machen. Aber am Ende des Tages gibt es nur eines, wonach diese Jungs streben: Sie wollen den Stanley Cup gewinnen.

In den letzten Jahren haben die Oilers die Playoffs entweder verpasst oder sind früh gescheitert. Die Teilnahme am Conference-Finale gegen Colorado ist in Leons Karriere die größte Annäherung an das große Ziel…

… Gottseidank, das Derby Edmonton gegen Calgary in der ersten Runde war schon eine große Nummer da drüben. Jetzt haben sie Colorado, das ist hart genug. Wir werden sehen, ob die Oilers noch einen Weg finden, in dieser Serie zu bestehen. Es ist aber auf jeden Fall insgesamt ein Schritt in die richtige Richtung.

In Kanada halten viele Leons Teamkollegen Connor McDavid für den besten Eishockeyspieler der NHL. Leon wurde zuletzt in Kommentaren allerdings als der beste Passgeber der Liga bezeichnet. Wie sehen Sie es?

Das sind natürlich große Worte, an solchen Diskussionen habe ich mich noch nie beteiligt. Man kann sicher sagen, dass Connor McDavid der beste Offensivspieler ist. Ob Leon der beste Passgeber ist? Sagen wir es so: Er ist sicher nicht der schlechteste.

Für seinen Spielinstinkt, für das Voraussehen von Situationen, ist Leon immer schon gerühmt worden.

Man braucht für das Spiel sicher ein gewisses Talent. Vielleicht sieht der eine auf dem Eis mehr oder besser als der andere. Aber ich kann versichern, dass man damit allein nicht weit kommt. Um jedes Jahr Leistung zu bringen, über 82 Spiele, dazu die ganze Fliegerei, dafür braucht man schon die richtige Mentalität und Härte gegenüber sich selbst. Den Willen, sich durchzubeißen und immer an sich zu arbeiten. Ohne das kommst du dort nicht an. Leon hat früh das Haus verlassen und den Wunsch gehabt, es in Nordamerika zu schaffen. Wir haben ihn dazu nicht gedrängt, es war seine Entscheidung. Er hat es hinbekommen. Ich habe seinen Weg verfolgt und weiß genau, wie viel harte Arbeit dazu gehört, wie viele Entbehrungen.

In der frühen Karrierephase waren Sie eine Art persönlicher Karriere-Berater Ihres Sohnes. Ist das noch so?

In sein Spiel quatsche ich ihm schon seit langer Zeit nicht mehr hinein. Er hat in Edmonton genug Trainer um sich herum. Wenn es sich ergibt oder wenn er das Bedürfnis hat, dann meldet er sich auch wegen einer Eishockey-Sache, wenn er etwas loswerden will oder sonst etwas. Aber ansonsten ist Eishockey bei uns schon lange nicht mehr das Hauptthema.