Der Hengst Assistent, bekannt für seine sieben Siegesläufe, wechselt vom Weidenpesch nach Rath-Heumar, um im Gestüt Röttgen als Deckhengst arbeiten.
Rennpferd a.D.Assistent wird vom Galoppstar zum Deckhengst
Kurz vor dem Abschied stellen sich Galopptrainer Henk Grewe und Jockey Thore Hammer-Hansen am Mittwoch zu einem Erinnerungsfoto in der Stallgasse auf. In ihrer Mitte steht der Hengst Assistent, ein sehr schöner, fünfjähriger Brauner, der in seiner Karriere sieben Rennen gewonnen hat. Zuletzt ließ er am 10. November im Großen Preis von Bayern in München internationale Konkurrenz hinter sich. In wenigen Minuten wird er aus Weidenpesch in ein neues Leben starten. Hammer-Hansen, 25 Jahre alt und frisch gekürter Champion der deutschen Rennreiter, hat Tränen in den Augen. „Ich werde ihn vermissen“, sagt er.
Assistent wird von Weidenpesch nach Rath-Heumar verlegt, denn er wird einer von drei Deckhengsten im Gestüt Röttgen, dort, wo er 2019 als Fohlen der Stute Anna Kalla geboren wurde. Sein Vater ist der Derbysieger Sea The Moon. Die Röttgener Anlage, die sich im Besitz der Mehl-Mülhens-Stiftung befindet, gilt als Paradies für Rennpferde. Die Tiere haben dort nicht nur beste Betreuung, sondern auch täglichen Auslauf auf großzügigen Koppeln, müssen nicht stundenlang in ihren Boxen stehen, wie es im Alltag der Rennpferde üblich ist. Bei Grewe freuen sich alle, dass es Assistent so gut getroffen hat. „Ich habe diesem Pferd so viel zu verdanken“, sagt Hammer-Hansen. „Ohne Assistent wäre ich wahrscheinlich nicht nach Deutschland gekommen.“
Im vergangenen Jahr, im Juli, gewann der Jockey, damals noch vorwiegend in England aktiv, mit Assistent den Großen Hansa-Preis in Hamburg. Pferdebesitzer Eckhard Sauren, der Präsident des Kölner Renn-Vereins, wurde auf den Reiter aufmerksam und holte ihn Anfang 2024 schließlich als Jockey für seine etwa 25 Rennpferde nach Deutschland. Fortan saß Hammer-Hansen stets in Assistents Sattel. In Grewes Stall kam Assistent als Zweijähriger, seine ersten Rennen lief er als Dreijähriger. Im Derby 2022 wurde er beim Sieg von Sammarco Vierter. Damals gehörte er noch der Besitzergemeinschaft Liberty Racing an, die ihn am Ende seiner dreijährigen Laufbahn abgab. „Ich habe Eckhard Sauren überzeugt, ihn zu kaufen. Ich glaube, er hat es nicht bereut“, berichtet Grewe.
Das hat er sicher nicht, Sauren lobt besonders „das Kämpferherz“, das Assistent auf der Bahn zeigte: „Er hat immer alles gegeben.“ Außerdem bescherte er ihm als Besitzer mit dem Erfolg in München den ersten Sieg in einem Gruppe-I-Rennen, der Champions League im Galoppsport. Man soll gehen, wenn es am schönsten ist – und so sorgte Sauren, der Besitzer des Pferdes bleibt, dafür, dass Assistent nicht mehr rennen muss. Assistents Pflegerin Renate Beltermann wirkt am Mittwoch sehr glücklich. „Schön, dass Assistent in der Nähe bleibt. Das hat er verdient“, sagt die Kölnerin, die das Pferd „Assi“ nennt und es über all die Jahre zu seinen Rennen begleitet hat.
Der Pferdetransporter für die Fahrt ins Rechtsrheinische steht schon bereit. Beltermann führt Assistent hinein, er steigt ohne jeden Widerspruch ein. „So hat er das immer gemacht“, sagt sie. Die Fahrt durch Köln verläuft trotz Schneeregens und dichten Verkehrs fast reibungslos. Nur einmal wiehert Assistent laut auf, als Beltermann scharf bremsen muss, da ein anderer Autofahrer ohne Blinken in ihre Spur wechselt. Nach etwa einer halbstündigen Fahrt öffnet sich das Tor des Gestüts Röttgen. Gestütsleiter Frank Dorff und Hengstwärter Christian Mertens stehen bereit und nehmen das Pferd in Empfang. Beide sind ebenfalls bestens aufgelegt. „Ich war dabei, als Assistent geboren wurde“, berichtet Dorff. „Schön, dass er zurückkommt. So etwas ist nicht alltäglich.“
Nachfolger von Millowitsch
Assistent wird als Deckhengst Nachfolger des Pferdes Millowitsch, das auf das Gestüt Lünzen in Norddeutschland wechselt. Die beiden anderen Röttgener Deckhengste sind Iquitos und Windstoß. Letzterer, Derbysieger von 2017 und fünf Jahre älter als Assistent, ist draußen auf der Koppel, als der Neue an ihm vorbei in den Stall geführt wird. Windstoß begrüßt ihn aufgaloppierend mit einem lauten Wiehern – nach dem Motto: Kleiner, ich bin hier der Chef! Zusammenkommen werden sie nicht, Hengste können nur einzeln raus, andernfalls drohten gefährliche Kämpfe. Da die Decksaison im Galoppsport erst Mitte Februar beginnt, kann sich Assistent nun in Ruhe eingewöhnen. Am Donnerstagmorgen war das Pferd, wie Mertens berichtet, schon zwei Stunden auf der Koppel: „Ganz entspannt, er hat einfach nur Gras gefressen.“ Er soll nach und nach daran gewöhnt werden, länger an der frischen Luft zu bleiben. Wenn er mag, den ganzen Tag.
Außerdem wird Assistent täglich bewegt, mindestens 45 Minuten durch die Anlage geführt. Als Deckhengst bekommt er, wenn alles wie geplant läuft, ab dem Frühjahr täglichen Stutenbesuch. Im Galoppsport wird der sogenannte „Natursprung“ praktiziert, es gibt, anders als in anderen Pferdesportarten, keine künstliche Befruchtung. Gestütsleiter Dorff hat, wie er sagt, bereits zwei Röttgener Stuten für Assistent ausgesucht. Natürlich hoffen sie auch auf reges Interesse seitens anderer Züchter. Die Decktaxe beträgt 4500 Euro, was für ein Pferd seiner Klasse nicht besonders hoch ist. Wie schnell seine Nachkommen sein werden, steht noch in den Sternen. Ausgehend davon, dass Assistents erste Abkömmlinge Anfang 2026 geboren werden, wird man erst 2029, wenn sie dreijährig sind, wissen, ob er als Vererber so gut wie als Rennpferd ist.