Auch in diesem Jahr wird der Agathaberg im Bergischen eine entscheidende Rolle spielen. Vorjahressieger Nils Politt ist vorbereitet.
Rund um KölnVorjahressieger Nils Politt im Sturm der Gefühle
Der 22. Mai war im vergangenen Frühjahr ein Tag voller Sonnenschein mit hohen Temperaturen. Die Hitze hätte Nils Politt kurz vor dem Ziel fast noch den Triumph genommen, denn auf der Severinsbrücke hatte Politt bei seinem Heimrennen Rund um Köln plötzlich einen Krampf in einem seiner Beine – „wo genau, das weiß ich gar nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich dachte: Oh nein, das jetzt bitte nicht“, erzählt der in Hürth lebende gebürtige Kölner Politt. Er setzte seinen schnellen Tritt aber fort und mit der Abfahrt von der Brücke verschwand das Problem – Politt erreichte das Ziel am Rheinauhafen als Solist und schaffte etwas, das es lange nicht gegeben hatte: Ein Kölner gewinnt Rund um Köln.
Die Zuckungen im Muskel waren womöglich auch das Ergebnis einer fast 160 Kilometer langen Anschlag-Fahrerei in einem Rennen, das über eine Distanz von 200 Kilometern geht. Denn früh schon hatte sich nach der ersten Überquerung des für dieses Rennen bereits legendären Agathabergs eine Gruppe von 25 Mann gebildet, die bis zum Ende volles Tempo fuhr. 55 Kilometer vor dem Ziel schafften es Politt, sein Teamkollege Danny van Poppel (beide fahren für Bora-hansgrohe) und der Bonner Nikias Arndt, ein Veteran des Teams DSM, sich von den restlichen 22 Fahrern zu lösen. Ehe schließlich Politt fünf Kilometer vor dem Ziel der entscheidende Vorstoß gelang, und zwar mit der Startnummer „1“ in der ersten Auflage von Rund um Köln nach zweijähriger Corona-Pause.
Nils Politt: Vorjahressieger und Deutscher Meister
In diesem Jahr, das Rennen der Elite startet am 21. Mai um 10.40 am Rheinauhafen, wo die Fahrer gegen 15.30 Uhr wieder erwartet werden, ist Politt gleich mit doppelter Auszeichnung unterwegs. Als Vorjahressieger erhält er erneut die „1“ auf dem Rücken, zudem trägt er das Trikot des deutschen Meisters. Und ist hoch motiviert: „Ein Rennen würde ich schon noch gerne im Meistertrikot gewinnen“, sagt er, „Rund um Köln wäre dafür natürlich die Krönung“.
Am Sonntag ist Politt die Strecke noch mal abgefahren, vor allem auf die neuralgische Stelle am Agathaberg hinter Wipperfürth, den die Fahrer bei Kilometer 51 und 78 überqueren müssen, hat er dabei geachtet. Es handelt sich um einen Feldweg von „gut 1500 Metern Länge“, erzählt Politt, wobei auf 100 Metern eine Steigung von 21 Prozent gefordert sei.
Agathaberg: Überholen ist dort schwer
Am Sonntag ist Politt die Strecke noch mal abgefahren, vor allem auf die neuralgische Stelle am Agathaberg hinter Wipperfürth, den die Fahrer bei Kilometer 51 und 78 überqueren müssen, hat er dabei geachtet. Es handelt sich um einen Feldweg von „gut 1500 Metern Länge“, erzählt Politt, wobei auf 100 Metern eine Steigung von 21 Prozent gefordert sei. Das lasse aber sehr viele taktische Möglichkeiten, sagt André Greipel, der sportliche Leiter des Rennens: „Wenn du als Team dort vorne bist, kannst du ein paar Mann aus deiner Mannschaft abstellen, die dafür sorgen, dass das Feld reißt.“ Denn auf diesem schmalen Weg passen gerade mal drei Fahrer nebeneinander. Überholen ist dort fast unmöglich.
Es sei schon so, dass er mit seinen Teamkollegen mit 35 bis 40 Stundenkilometern in die Steigung rein presche, „darum wird richtig gekämpft“, sagt Politt, „dann hast du 600 Meter Zeit etwas Luft zu holen, ehe das Steilstück mit 21 Prozent kommt. Da fährst du im kleinsten Gang hoch mit zehn auf dem Tacho.“ Aber, klar ist: „Auf diese Stelle werde ich mein Team auf jeden Fall vorbereiten“, erklärt er.
Nils Politt: Sieg löste „einen Sturm der Gefühle“ aus
Im vergangenen Jahr habe Jordi Meeus, einer von Politts Helfern, die entscheidende Passage verpasst, „obwohl ich ihm Bescheid gesagt habe, dass es jetzt ernst wird. Er hat den Agathaberg wohl unterschätzt, hat noch mal Pipi gemacht und war dann weg.“ Das solle in diesem Jahr nicht passieren, in dem Meeus wieder an Politts Seite fahren wird, im Gegensatz zu van Poppel, der nicht für Köln gemeldet ist. „Wir sind wieder stark aufgestellt“, sagt Politt, „das könnte erneut was werden“.
Im Vorjahr erlebte Politt bei der Zielpassage seines Heimrennens „einen Sturm der Gefühle“, zumal seine Frau Annike die erste war, die ihm gratulierte. Und sein Freund André Greipel, der einst als Sprinter von Weltklasse einst elf Etappen bei der Tour de France gewann, wartete im Zielbereich auch gleich auf Politt. „Der war vorher im Auto des sportlichen Leiters genauso nervös wie ich. Wir hatten schon vor dem Rennen darüber nachgedacht, wo man wie attackieren könnte. Dass es aufging, war ein Traumszenario“, erzählt Politt.
Am Tag nach „Rund um Köln“, am kommenden Montag, begibt sich Politt zum Tour-de-France-Team seiner Mannschaft ins Höhentrainingslager nach Tignes, ehe er von dort zur Dauphiné reisen wird, einem wichtigen Vorbereitungsrennen für die Frankreich-Rundfahrt, das am 4. Juni beginnt. In Frankreich wiederum ist Politt als wichtiger Helfer für den australischen Teamkapitän Jai Hindley eingeplant, der im vergangenen Jahr den Giro d'Italia gewann und nun auch bei der Tour mit großen Ambitionen startet. „Mit ihm zu fahren, das ist eine große Ehre für mich“, sagt Politt.