30 Jahre Wiedervereinigung„Ich empfinde es als Wunder, dass wir eine Nation sind“
- 1990 gab es in Split eine Leichtathletik-EM, bei der noch zwei getrennte deutsche Mannschaften antraten. Sabine Braun ist westdeutsche Europameisterin geworden.
- Erfolgreicher war damals allerdings insgesamt die DDR. Viele westdeutsche Sportler wussten: Nach der Wiedervereinigung reicht es nicht mehr für mich.
- Sabine Braun erinnert sich an diese außergewöhnliche Zeit. Ein Gespräch über Doping, Weltgeschichte und das, was geblieben ist.
Frau Braun, 30 Jahre Wiedervereinigung, was geht Ihnen da durch den Kopf? Sie waren ja damals mittendrin beim Zusammenwachsen des Spitzensports aus Ost und West.
Es war schon eine komische Zeit. Vielleicht für die ostdeutschen Athleten noch mehr als für uns. An unseren Bedingungen hat sich ja nicht so viel verändert, für die DDR-Sportler war im Prinzip alles neu. Das, was zusammengehört, ist jetzt zusammen. Ich empfinde es immer noch als Wunder, dass wir wieder eine Nation sind.
1990 gab es in Split eine EM, bei der noch zwei getrennte deutsche Mannschaften antraten. Sie sind Europameisterin geworden und haben eine von sieben westdeutschen Medaillen gewonnen. Die DDR holte 34 Medaillen und Platz eins in der Nationenwertung. Wie war das damals?
Es war außergewöhnlich. Dieses Wissen, eine internationale Meisterschaft als Gegner zu bestreiten und im nächsten Jahr dann unter einer Flagge anzutreten. Es gab sicherlich einige Athleten, die schon wussten, dass sie bei den folgenden Meisterschaften nicht mehr dabei sein würden. Weil sie einfach schlechter waren als die DDR-Athleten. Für mich war es nicht so schwierig, ich war so gut, dass ich mir sicher war, es auch in den nächsten Jahren zu schaffen.
Bei der Schlussfeier 1990 sind die Fahnenträger beider Teams Arm in Arm ausmarschiert und die Mannschaften aus Ost und West haben sich dahinter vermischt. Hat sich trotz allem doch schnell ein Zusammengehörigkeitsgefühl eingestellt?
Viele kannten sich ja schon. Klar, man durfte sich nicht groß unterhalten, aber wir hatten 1983 bei der Junioren-EM schon Kontakt zu ostdeutschen Sportlern, dann 1984 bei einer Wettkampfreise. Man sprach die gleiche Sprache, hatte Wettkämpfe gemeinsam bestritten, da waren viele gute Bekannte dabei.
Zur Person
Sabine Braun, geboren am 19. Juni 1965 in Essen, ehemalige Siebenkämpferin, heute Leichtathletik-Trainerin und Veranstaltungsmanagerin beim TV Wattenscheid. Olympiadritte 1992, Weltmeisterin 1991/1997, Europameisterin 1990/1994, hält bis heute mit 6985 Punkten den deutschen Siebenkampf-Rekord. (sro)
Gerüchte zum Thema Doping in der DDR gab es damals viele – später haben sich diese durch Aufzeichnungen in Unterlagen und Zeugenaussagen erhärtet. Wie sind Sie zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung damit umgegangen?
Das war kein Thema, das laut artikuliert wurde, man hat höchstens mal in kleinen Gruppen darüber geredet. Vermutet hat man viel, gewusst haben wir nichts. Es ist auch nicht so, dass andere Nationen von uns dachten, dass wir nichts Verbotenes tun.
Das war ja wohl auch nicht so.
Das war sicherlich nicht so. Der Gedanke: Das machen ja alle, ist ja nicht so schlimm, der war schon relativ weit verbreitet. Über die gesundheitlichen Folgen hat man sich wohl eher weniger Gedanken gemacht.
Das heißt aber, dass viele der Bestleistungen aus der damaligen Zeit nicht rechtmäßig zustande gekommen sein könnten. Sollten die alten Rekorde alle gestrichen werden?
Das beträfe dann ja auch mich. Und da muss ich ehrlich sagen: Warum soll mein Rekord gestrichen werden? Das würde bedeuten, man geht davon aus, dass alle Bestleistungen unter manipulierten Bedingungen erbracht wurden. Das ist aber nicht so.
Hat die Wiedervereinigung die Leichtathletik vorangebracht? Was ist geblieben von dem Zusammenschluss?
Es ist eine leistungsstarke neue Mannschaft entstanden. Wir haben einige tolle Athleten und Trainer dazubekommen, viel Wissen, wie man es macht und beim Thema Doping wie man es nicht macht. Ich habe Freundschaften geschlossen mit vielen ostdeutschen Athletinnen. Ich denke, wir sind im Sport gut zusammengewachsen.