Verärgerung über EU-KommissionProtestkonvoi von Landwirten startet in Swisttal
Swisttal – Frank Leber war um Viertel vor Acht einer der ersten, der mit seinem Traktor auf den Hof von Johannes Heck in Straßfeld einbog. Die Familie des Mitte 20-Jährigen hält in Disternich bei Zülpich 70 Milchkühe und bewirtschaftet zwei Hektar Land. „Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll, wenn wir gar kein Pflanzenschutzmittel mehr einsetzen dürfen“ wendet er sich gegen immer weiter steigende Auflagen: „Es ist kaum noch zu stemmen.“
Hintergrund ist ein Vorschlag der EU Kommission zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Eine Verordnung, die derzeit in Brüssel auf den Weg gebracht wird, sieht vor, sie in allen sensiblen Gebieten bis 2030 zu halbieren und den Anteil pestizidfreier Ackerflächen stetig zu erhöhen. Dazu wurden von der Bundesregierung neben den Naturschutz-, den Vogelschutz- und Landschaftsschutzgebieten sowie den Natura 2000-Gebieten auch Wasserschutzgebiete nach Brüssel gemeldet.
Pacht lohnt sich in vielen Fällen nicht mehr
„Mit diesen geplanten Verboten wird ein sinnvoller Ackerbau und die Erzeugung von Getreide auf einer Fläche von 4,6 Millionen Hektar, auf der eine Erntemenge von rund 34,5 Millionen Tonnen pro Jahr erzielt werden kann, nicht mehr möglich sein“, rechnet nun der Verein „Land schafft Versorgung“ NRW vor, der deshalb zu einer Demonstration vor dem Bundeslandwirtschaftsministerin in Bonn-Duisdorf aufrief, um bis zum Ende einer Einspruchsfrist Mitte September noch eine Änderung der Verordnung zu erreichen.
Kürzlich hatte bereits der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes, Bernhard Conzen, den Vorstoß der EU-Kommission verurteilt, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln „ohne jedes Gespür für die ackerbaulichen Belange“ in erheblichem Umfang einzuschränken. In der Brüsseler Bürokratie habe man ganz offensichtlich keine Ahnung davon, wie moderne und nachhaltige Feldbewirtschaftung funktioniere. Die Sicherstellung der Ernteerträge setze einen gezielten und wohl abgewogenen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln voraus, so Conzen.
Heimische Landwirte warnen vor Importen
Einer der Organisatoren des Protests in Bonn war Wilfried Schmitz aus Euskirchen-Schneppenheim. „Wenn hier so viele Flächen wegfallen, muss aus Gründen der Versorgungssicherheit zwangsläufig immer mehr Getreide importiert werden – auch solches, dass unter zweifelhaften Qualitätsmaßstäben produziert wird. Von der Klimabelastung durch den Transport mal ganz abgesehen“, sagte er. Der Vertreter des Vereins „Land schafft Versorgung“ hat selbst einen Ackerbaubetrieb mit Gemüseanbau und spricht von einer verantwortungslosen Politik. Selbst die Fachleute bei der Kreisverwaltung Euskirchen, die den Landschaftsschutz mit den Landwirten vereinbart haben, hätten von nichts gewusst.
Eine weite Anreise hatte Josef Rütten aus Erkelenz auf sich genommen; morgens um fünf Uhr war er losgefahren. Er hat Flächen im Landschaftsschutzgebiet, die er – sollte die Verordnung umgesetzt werden – nicht mehr bewirtschaften könne. Er müsse die Pacht dann auflösen, das Land sei dann nichts mehr wert – mit negativen finanziellen Folgen für die Besitzer der Ländereien. Schon fünf Mal war der Erkelenzer Bauer zu unterschiedlichen Anlässen bei Kundgebungen und Mahnwachen in Bonn dabei, zuletzt im Mai. „Wir kämpfen weiter“, war der Slogan auf dem Protestschild an seinem Traktor. Auch der Straßfelder Johannes Heck, der Erdbeeren, Spargel und Kartoffeln anbaut, sieht ohne Pflanzenschutzmittel keine Chance für seinen Betrieb: „Dann können wir aufhören!“ Frankreich habe der EU seine Nationalparks für die Verordnung gemeldet, was auch Sinn mache, Deutschland habe es aber „wieder mal“ übertrieben, meint er. An seinem Frontlader prangten schwarze Kreuze: „Tod der Landwirte“ stand darauf.
Demo in Bonn
Der Zug der gut 200 Schlepper, denen sich in Bonn noch Kollegen aus Bergheim und Bornheim anschlossen, wurde von Thomas Gräf aus Euskirchen-Elsig koordiniert. Er fuhr ganz hinten in dem Konvoi, der an der Stadtgrenze zu Bonn von der Polizei in Empfang genommen wurde. Die Duisdorfer Rochusstraße wurde für den Durchgangsverkehr gesperrt, auf dem Hermann-Wandersleb-Ring stellten die Teilnehmer ihre Traktoren auf den rechten Fahrstreifen ab, so dass Autofahrer die Hauptverkehrsstraße teilweise weiter nutzen konnten.