ÄrztemangelTausende Wipperfürther suchen einen Hausarzt
Wipperfürth – Mittwochmorgen, kurz vor 9 Uhr. Im Wartezimmer der Praxis von Udo Buchheim und Axel Kirch in Wipperfürth ist es proppenvoll. Die Stimmung ist gedrückt, denn die Praxis wird Ende des Jahres geschlossen. Wer in Wipperfürth im Moment einen Hausarzt sucht, muss Geduld haben. Obwohl die Stadt auf dem Papier sogar überversorgt ist. Wie passt das zusammen?
„Liebe Patienten, mit großem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass die geplante Übernahme der Praxis gescheitert ist. Folglich wird die Praxis zum 31. Dezember geschlossen“. So steht es auf einem Aushang im Wartezimmer. Mehrere tausend Wipperfürther stehen ohne Hausarzt da. Vor allem für Senioren und chronisch Kranke ein riesiges Problem. So wie Christine Kaula, die seit Jahren an Gallensteinen leidet. „Ich habe überall herumtelefoniert, bis nach Hückeswagen, aber da hieß es ’Patienten aus Wipperfürth nehmen wir nicht’.“
Verbleibende Hausarztpraxen überlaufen
Viele Patienten sind verzweifelt. Nicht nur, weil ihr langjähriger Hausarzt aufhört, sondern vor allem, weil sie keinen anderen Arzt in der Hansestadt finden. Die anderen Praxen in der Stadt sind überlaufen. „Ich habe alle Hausärzte in Wipperfürth und Hückeswagen abtelefoniert, ohne Erfolg“, berichtet Stefan Brombach.
Schließlich habe er in Radevormwald eine Praxis gefunden, die bereit sei, ihn, seine Frau und seine beiden Kinder ab 11. Januar aufzunehmen. „Ich finde es enttäuschend, dass die Ärzte vor Ort keine Lösung für das Problem finden“, sagt Brombach. „Unsere räumlichen und personellen Kapazitäten sind erschöpft. Wir stehen für unseren bestehenden Patienten in der Pflicht, eine gute Versorgung weiter gewährleisten zu können“, heißt es hierzu etwa aus der Praxis Wippcare von Dr. Norbert Ziegler und Christiane Frackenpohl.
Die Entscheidung, ihre Praxis nach fast 30 Jahren zu schließen, war für Axel Kirch und Udo Buchheim ein schwerer Schritt. Aber die beiden Ärzte sehen keine Alternative. „Ich bin 65 Jahre alt und habe meine Leistungsgrenze erreicht“, sagt Buchheim. Kirch, drei Jahre jünger, hätte gerne noch zwei Jahre weiter gemacht, aber nur an der Seite eines Kollegen. „Alleine als Hausarzt weiterzuarbeiten, das hieße für mich mindestens eine 60-Stunden-Woche“, sagt Kirch.
Keine Nachfolge für bestehende Landarztpraxen
Dabei gab einen Nachfolger, der in die Praxis einsteigen wollte – doch der habe sich anders entschieden, „aus persönlichen Gründen“, sagen die beiden Ärzte. Es sei extrem schwierig, junge Mediziner für eine Hausarztpraxis auf dem Land zu gewinnen. Das Problem habe sich verschärft, seitdem auch der Allgemeinmediziner eine fünfjährige Facharztausbildung nachweisen muss. Kann es gelingen, die Patienten der Praxis Kirch/Buchheim auf die übrigen Praxen zu verteilen?
Udo Buchheim ist skeptisch. „Wir Ärzte haben schon zwei oder drei Treffen gehabt, ohne Erfolg.“ Verschärft wird das Problem, weil auch Dr. Klaus Wigger seine Hausarztpraxis auf der Hochstraße zum 1. Oktober geschlossen hat, aus Altersgründen, wie er erklärt. „Ich habe einen Nachfolger gesucht, aber keinen gefunden, der sich hier niederlassen wollte“, sagt Wigger. Der Arzt hat allerdings die Hoffnung, dass sei Sohn die Praxis übernehmen könnte, nicht jetzt, aber zu einem späteren Zeitpunkt, vielleicht in einem Jahr. Ansonsten verweist er auf seinen Bruder Dr. Bernd Wigger, der seine Praxis erweitert habe und zumindest seine Patienten übernehmen könne.
Marienheide, Gummersbach und Wiehl profitieren bereits von Strukturhilfen
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) ist zuständig für die ärztliche Versorgung vor Ort. Einen Ärztemangel in der Hansestadt kann man dort nicht erkennen. Aktuell liegt laut KVNO der Versorgungsgrad im Mittelbereich Wipperfürth und Hückeswagen bei 102,1 Prozent. Sollten die Praxen Kirch/Buchheim und Klaus Wigger ohne Nachfolger bleiben, sinke der Versorgungsgrad auf 88,9 Prozent. Erst bei einer Versorgung von unter 75 Prozent würde eine Unterversorgung vorliegen. Ein ähnliches Problem hat auch die Stadt Lohmar, die mit Siegburg zusammen eine Einheit bildet.
Erst bei einer Versorgung unter 75 Prozent könnte der Strukturfonds der KV finanzielle Unterstützung leisten, mit bis zu 70.000 Euro pro Arzt. Das geschieht bereits in angrenzenden Kommunen, etwa in Marienheide, Gummersbach und Wiehl. Bei der KVNO verweist man auf viele Hilfsangebote.
Man unterstützte ausscheidende Ärzte bei der Nachfolgesuche und veranstaltet regelmäßig Praxisbörsentage, bei denen sich niedergelassene Ärzte, die einen Nachfolger suchen, und junge, niederlassungswillige Mediziner kennenlernen. Auch in Oberberg gab es schon eine solche Börse. Die KVNO fördere Weiterbildungsmöglichkeiten zum Allgemeinmediziner und werbe für Niederlassungsmöglichkeiten im ländlichen Raum.
Möglichkeiten der Stadt sind begrenzt
Auch bei der Wipperfürther Stadtverwaltung ist das Problem bekannt, man sucht nach Lösungsmöglichkeiten. Ansätze gibt es auch auf Kreisebene. „Wir sind an dem Thema dran, die Politik steht hinter uns“, sagt der 1. Beigeordnete Dirk Kremer. Doch die Möglichkeiten der Stadt seien begrenzt.
Die Wipperfürther Grünen-Fraktion hatte vor einem Jahr eine Anfrage zur ärztlichen Versorgung in der Stadt gestellt, die KVNO hatte darauf detailliert geantwortet. Dort heißt es unter anderem: „Attraktive und moderne Praxisräume sind ein wichtiger Standortvorteil. (...) Die Kommune kann aktiv daran mitarbeiten, attraktive Praxisräume vor Ort zu schaffen, sei es durch die Entwicklung bestehender Bauten oder durch den Bau neuer Gebäude, zum Beispiel in Form von Gesundheitszentren.“