Weil gleich drei Hausärzte zum Ende des Jahres in Wipperfürth ihren Ruhestand antreten, sucht die Stadt jetzt nach Lösungswegen gegen den drohenden Ärztemangel.
Hausärzte-Mangel drohtSo stemmt sich Wipperfürth gegen die ärztliche Unterversorung
In der Hansestadt fehlen gleich drei Hausärzte: Ende des Jahres schließen Axel Kirch und Udo Buchheim ihre Praxis im Ärztehaus an der Gaulstraße, bereits seit dem 1. Oktober hat Dr. Klaus Wigger seine Praxis an der Hochstraße geschlossen. Alle drei Ärzte hören aus Altersgründen auf (wir berichteten). Das Problem: Viele Patienten dieser Ärzte stehen jetzt ohne Hausarzt da, weil die anderen Wipperfürther Hausärzte keine Kapazitäten mehr sehen und deshalb keine neuen Patienten mehr aufnehmen.
Besonders hart trifft dies chronisch Kranke und ältere Einwohner, die selbst kein Auto mehr haben. „Ich bekomme fast täglich Anfragen von neuen Patienten“, bestätigt Thomas Gliedt, Allgemeinmediziner in Wipperfeld und Sprecher der Wipperfürther Hausärzte. „Im Schnitt hat ein Hausarzt rund 800 Scheine im Quartal. Ich liege deutlich darüber, wenn ich noch mehr Patienten aufnehme, breche ich irgendwann zusammen.“ Aus seiner Sicht ist die Kassenärztliche Vereinigung in der Pflicht. Mit Geld allein lasse sich das Problem nicht lösen, so Gliedt.
Bürgermeisterin Anne Loth hat den Ärztemangel zur Chefsache erklärt und sucht nach Lösungen. „Die Hausärzte in Wipperfürth sind am Limit. Wir steuern auf eine Unterversorgung zu und müssen etwas tun“, so die Bürgermeisterin. Gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Christian Berger (CDU) fuhr Loth nach Düsseldorf zur Geschäftsstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO). Denn die KVNO hat den ärztlichen Versorgungsauftrag. Loth und Berger berichten von „konstruktiven Gesprächen“ in Düsseldorf. Man habe die Situation in Wipperfürth geschildert und um Hilfestellung gebeten.
Das erste Ergebnis: Bereits ab Januar 2023 können im Mittelbereich Wipperfürth und Hückeswagen zwei neue Kassensitze vergeben werden. Aktuell liegt die Versorgungslage in Wipperfürth und Hückeswagen noch bei 102,1 Prozent, was bedeutet, dass sich keine neuen Kassenärzte niederlassen dürfen. Mit dem Wegfall der drei Praxen sinkt der Versorgungsgrad auf 88,9 Prozent. Erst bei einer Versorgung von unter 75 Prozent liegt laut KVNO eine Unterversorgung vor.
Kassenärztliche Vereinigung soll eine der Stellen besetzen
Springt die Kassenärztliche Vereinigung ein? Nach Rücksprache mit den Wipperfürther Hausärzten will Loth außerdem beantragen, dass die Kassenärztliche Vereinigung vorübergehend selbst eine der freigewordenen Arztstellen in der Hansestadt besetzt. Räumlich sei dies etwa in der Notarztpraxis an der Helios-Klinik oder der frei werdenden Praxis Kirch/Buchheim denkbar, so Loth. Ob die KV diesem Antrag nachkommt, ist noch völlig offen. Gleichzeitig führt die Stadtspitze Gespräche mit dem Helios-Konzern, dem Eigentümer des Wipperfürther Krankenhauses.
„Auch wir sehen den Mangel an ambulant tätigen Ärzten in einigen Fachbereichen, variierend von Region zu Region“, so die Antwort von Helios auf eine Anfrage unserer Zeitung. „Hier sind alle Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der Trägerschaft und das System in Gänze gefragt, Strategien zu entwickeln. Aus unserer Sicht bedeutet das konkret, dass dort wo ein für die Patientenversorgung belastbares ambulantes und stationäres Netzwerk von Helios vorhanden ist, Möglichkeiten geprüft werden könnten, den Behandlungsbedarf zu übernehmen. Generell bedarf es jedoch flächendeckend weiterer Öffnungen und Reformen für digitale und mobile Angebote – wie Videosprechstunden, Telemedizin und mobile Praxen – um dem Arztmangel im ländlichen Raum entgegenwirken zu können.“
Der Landtagsabgeordnete Christian Berger (CDU) will die Probleme der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum auch im Landtag aufgreifen, zumal er dort ohnehin Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist.
Programm soll finanziellen Anreiz für Niederlassung von Ärzten schaffen
Er sieht Chancen auch im Hausarztaktionsprogramm (HAP) des Landes NRW, das mit finanziellen Anreizen die Niederlassung von Ärzten fördern will (siehe Kasten). Eine weitere Möglichkeit könne der Einsatz von Ärztescouts sein, die – ähnlich wie ein Headhunter – Kommunen gezielt bei der Suche nach Ärzten unterstützen können. Eine Grenze sieht der CDU-Politiker: Kommunen sollten die Niederlassung von Ärzten nicht selbst finanziell unterstützen.
Förderprogramm
Seit 2009 gibt es in NRW das Hausarztaktionsprogramm. Damit will das Land insbesondere die Niederlassung und Anstellung von Hausärzten förder, schwerpunktmäßig in Kommunen mit bis zu 25.000 Einwohnern. Hausärzte können bis zu 60.000 Euro Zuschuss vom Land erhalten, wenn sie in einer von Unterversorgung bedrohten Region eine Praxis gründen oder eine Zweigpraxis übernehmen. Nach Angaben der NRW-Landesregierung wurden bislang mehr als 260 Förderungen mit einem Volumen von rund 10 Millionen Euro bewilligt (Stand 2018).