FlüchtlingszentrumFliehkraft in Not
Köln – An diesem Freitag herrscht eine muntere Sprachenvielfalt in der Turmstraße 3-5. Die Stimmung ist aufgeräumt, die Frauen sitzen hinter ihren Nähmaschinen. Joyce, die in Nigeria unter den Milizen der Boko Haram gelitten hat, arbeitet an einem Schal, schneidet dafür ein Stück rosarotes Tuch ab. Ihr Kind David hat sie natürlich mitgenommen und wird während der Arbeit im Zentrum von Hilfskräften betreut.
Von wir helfen gefördert
Joyce und die anderen Teilnehmer besuchten den Kurs „Kochen, Nähen, Deutsch lernen“, eines von vielen Projekten des Flüchtlingszentrums „Fliehkraft“ in Nippes. Nun ist das Flüchtlingszentrum, das unter anderem von „wir helfen“ gefördert wird, selbst in Not. In diesem Jahr fehlen den Unterstützern vom Kölner Flüchtlingsrat und dem Verein „Zurück in die Zukunft“ ungefähr 18 000 Euro. Im kommenden Jahr rechnet Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat mit einer finanziellen Lücke von 20 000 Euro.
Verdoppelte Mieten
Schuld an der Misere sind die steigende Kosten: Die Mieten hätten sich von 15000 auf 30000 Euro verdoppelt, die Personalkosten von 49000 Euro auf 141000 Euro fast verdreifacht. Bezahlt werden davon zwei halbe Stellen und die Honorarkräfte. Allein für die Räume an der Turmstraße in Nippes müssen 22000 Euro aufgewendet werden.
Nahezu gleichgeblieben ist seit der Eröffnung des Flüchtlingszentrums „Fliehkraft“ im Jahr 2007 die finanzielle Unterstützung der Stadt, die ihre Hilfe von 71000 auf 75000 Euro erhöht hat. Aufgefangen wurde das Defizit durch Sponsoren wie „wir helfen“. Diese Spendengelder erhöhten sich in den vergangenen zehn Jahren von 15000 auf 71000 Euro.
Einzigartig in Deutschland
„Wenn nichts passiert, müssen wir unser Angebot deutlich reduzieren“, sagt Prölß. Und das kann sich bislang sehen lassen. Das Flüchtlingszentrum sei die einzige Einrichtung dieser Art bundesweit, sagt Gaby Strahl vom Verein „Zurück in die Zukunft“. Angeboten werden unter anderem Deutsch- und Integrationskurse – auch für Flüchtlinge, die laut Gesetz keinen Anspruch haben, wie etwa geduldete Flüchtlinge. Hinzu kommen Kurse im Bereich Frauenarbeit sowie ein Müttercafé.
So erhalten Kinder und Jugendliche in Kleingruppen Deutschunterricht, werden minderjährige Flüchtlinge betreut, Schwimmkurse, Yoga und Gymnastik für Frauen angeboten. Es gibt Ausflüge für Familien, psychosoziale Beratungen für Eltern und Theaterprojekte für Jugendliche. Dolmetscher übersetzen für die bis zu 350 Menschen, die pro Woche in die Turmstraße kommen.
Politik soll einschreiten
Der Kölner Flüchtlingsrat hat nun die Politik gebeten, zu helfen. Die Linke hat im jüngsten Sozialausschuss eine Anfrage an die Stadt gestellt, ob die Mietkosten für die Räume an der Turmstraße, die der städtischen Gebäudewirtschaft gehören, nicht reduziert oder sogar gestrichen werden könnten.
Das Bürgerzentrum Nippes, das das gleiche Gelände nutze, zahle nur einen symbolischen Euro. Andererseits sei es vorstellbar, dass die Stadt ihre finanzielle Unterstützung erhöhe.
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