GemeinwesenarbeitMiteinander am Mönchsfeld
Roggendorf/Thenhoven – Das Engagement eines großen Netzwerks sozialer Akteure in Roggendorf/Thenhoven könnte Geschichte schreiben, Vorbildcharakter haben – und auch Strahlkraft in andere Teile der Stadt. Denn hier im 4400-Einwohner-Ort im nördlichsten Norden Kölns wird großgeschrieben, was in Fachkreisen Gemeinwesenarbeit heißt. Kurz gefasst geht es dabei darum, die Herausforderungen, vor denen der Ort steht, ganzheitlich und mit allen Beteiligten anzugehen – auch um zu verhindern, dass der beschauliche Stadtteil zu einem Ort der sozialen Ausgrenzung wird.
Kinderarmut, Drogen und Clan-Kriege
Da ist das Neubaugebiet, dem gegenüber ein Areal von Wohnungen für 240 Flüchtlinge geplant ist, es gibt den als „Angstraum“ wahrgenommenen S-Bahnhof Worringen, eine Infrastruktur mit, diplomatisch ausgedrückt: großem Nachholbedarf und die Brennpunkt-Siedlung „Im Mönchsfeld“, die wie ein fader Fremdkörper in der idyllischen Umgebung wirkt.
30 Prozent der rund 1000 Menschen, die in der tristen Plattenbausiedlung leben, sind arbeitslos. Mehr als 70 Prozent der unter 15-jährigen Kinder leben von Harz IV, sind damit von Armut betroffen. Es gibt Müll auf den Straßen, Drogen, Gewalt und Clan-Kriege.
Eine Analyse der Stadt bestätigt, dass sich die sozialen Indikatoren in dem Quartier in den vergangenen fünf Jahren deutlich verschlechtert haben – und dass eine Jugendeinrichtung dringend von Nöten ist. Die Crux: Es fehlt eine offizielle Anerkennung der Siedlung als Sozialraumgebiet. Das Städtebauförderungsprogramm des Bundes unterstützt seit 1999 die Stabilisierung und Aufwertung wirtschaftlich und sozial benachteiligter Ortsteile – mit dem Ziel, Generationengerechtigkeit, Familienfreundlichkeit und die Chancen der Bewohner auf Teilhabe und Integration zu verbessern. Schließlich geht es darum, den sozialen Zusammenhalt des gesamten Ortes zu stärken.
Es fehlt eine Jugendeinrichtung
Bislang gab es vereinzelte Anstrengungen und Angebote, die helfen sollen, die Lebensqualität der „Mönchsfeld“-Bewohner zu verbessern, Jungen und Mädchen einen Ersatz für die fehlende Jugendeinrichtung zu bieten und ihnen zu signalisieren: Ihr werdet nicht alleingelassen!
Der kunterbunte Bauwagen des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) zum Beispiel bringt nicht nur optisch Farbe in den Alltag der Jugendlichen. Seit 2010 ist er ein beliebter Ort der Begegnung inmitten der Siedlung – um die Freizeit sinnvoll zu gestalten. Gemeinsam mit SKM-Mitarbeiterin Aysun Tokgözoglu zu kochen, spielen, quatschen und im Internet zu surfen – oder unterstützt zu werden, wenn es zu Hause oder in der Schule einmal knirscht. Neben dem Bauwagen gibt eine Kindergruppe des Vereins „Kindernöte“. Die „Roggendorfer Rocker“ treffen sich ein Mal pro Woche zum Lernen und Spielen auf der Straße.
Gemeinsam in eine gute Richtung
Mit dem Veedelstreff „Treppe 2“, der seit 2010 in einer Wohnung der Siedlung beherbergt – und damit schnell, unbürokratisch und unmittelbar, kurz: niederschwellig – zu erreichen ist, bieten Anita Kreiser und ihr Team vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) zusätzlich zehn Stunden pro Woche Erziehungs- und Lebensberatung für Eltern an. Und für deren jüngere Kinder an fünf Tagen die Möglichkeit, betreut zu spielen und zu lernen. „Das alles ersetzt natürlich keine dauerhafte, regelfinanzierte Einrichtung mit verlässlichen Öffnungszeiten für die Jugend, doch es gibt sehr gute Chancen, dass wir gemeinsam etwas in eine gute Richtung bewegen“, sagt Ralf Krep, Sachgebietsleiter Offene Kinder- und Jugendarbeit des SKM.
Mit „wir“ meint er die engagierte Allianz von Vereinen, dem AK Kinder und Jugend, der katholischen Pfarrgemeinde St. Pankratius, dem Bezirksjugendamt, von Kindergarten und Grundschule und der Bürgerinnen und Bürger die gemeinsam nach besten Kräften versuchen, den Ort zusammenzuführen, Menschen zu aktivieren, ihre Bedürfnisse aufzuzeigen und ihre Zukunft in die Hand zu nehmen – also Hilfe zur Selbsthilfe zu organisieren. „Ohne die Förderung von »wir helfen«, den »Inner Wheel Clubs« oder den »Lions« hätten wir vor Ort in den vergangenen Jahren diese Arbeit nicht leisten können“, sagt SkF-Mitarbeiterin Anita Kreisel. Inzwischen ist sogar die Besitzerin der Siedlung, die Wohnungsgesellschaft Vonovia, mit im Boot.
Herzstück der Gemeinswesenarbeit
Bester Beweis, dass sich etwas in eine gute Richtung bewegt, ist die neue Begegnungsstätte, die SKM und SkF im vergangenen Winter in den Räumen des ehemaligen Schlecker-Marktes in unmittelbarer Nähe des „Mönchsfelds“ angestoßen haben. „Wir hoffen, dass sich die Begegnungsstätte zu einem Herzstück der Gemeinwesenarbeit entwickelt“, sagt Ralf Krep. Zu einem Ort, an dem möglichst alle Bewohnergruppen die Gelegenheit haben, sich zu treffen, eigenständig gemeinsame Aktionen zu planen oder Hilfe zu erhalten – quasi ein Bauwagen im Großformat. Langfristiges Ziel ist es, die Mönchsfeld-Siedlung an den restlichen Stadtteil heranführen und miteinander in einen lebendigen Kontakt zu bringen.
Engagement der Stadt ist gefragt
Der lange Atem der Träger und des Jugendamtes, die immer wieder Fördertöpfe aktiviert haben, hat sich gelohnt: Vor einigen Tagen erhielten der SkF und der SKM den Zuschlag, im Mönchsfeld die Gemeinwesenarbeit auszubauen. Das Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales fördert unter dem Titel „Kinder stärken – Zukunft sichern“ das Modellprojekt mit Mitteln des Europäischen Strukturfonds. Vier Mitarbeiter, die sich zwei Stellen teilen, werden in der ehemaligen Drogerie Beratung anbieten. Ein Teil der Angebote der Träger und der Kirchengemeinde, die es eh schon in der Siedlung gibt, werden in die neuen Räume verlagert. Ein Kicker steht parat – für die körperlichen Aktivitäten –, eine Chillecke – für danach.
Anita Kreiser: „Die EU-Mittel sind eine gute Grundlage, aber auch die Politik und die Stadt sind weiterhin gefordert, um die avisierte Quartiersarbeit zugunsten der „Mönchsfeld“-Bewohner in die Tat umzusetzen und langfristig zu gestalten.“ So könnten die Ursachen von Armut, sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung zwar nicht beseitigt werden, aber es kann mehr Gerechtigkeit entstehen.