200 Schülerinnen und Schüler haben schon von den Kinderrechte-Workshops profitiert. Jetzt fehlen Fördergelder für weitere Angebote.
KinderrechteZwei Kölner Studentinnen entwickeln Workshops für Grundschulen
„Ich darf das!“, steht auf dem Flyer, neben dem Schriftzug flattert ein bunter Kinderdrachen im Wind. „Er symbolisiert die Kinderrechte. Wir helfen unseren jungen Teilnehmern, ihren Drachen fliegen zu lassen. Die drei Farben gelb, rot, blau stehen für unsere drei Leitlinien: Empowerment, Aufklärung und Partizipation“, sagt Elnara Valiyeva.
Die ehemalige Studentin der Sozialen Arbeit an der Internationalen Hochschule (IU) hat gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Jasmin Saffari-Esfahani einen interaktiven Workshop über die zehn wichtigsten Kinderrechte entwickelt. Er streckt sich über einen Schultag, ist für vierte Grundschulklassen konzipiert und vermittelt Grundlagenwissen, wobei die Schülerinnen und Schüler aktiv in die Gestaltung einbezogen werden – etwa mithilfe von Rollenspielen, die darauf abzielen, dass Kinder lernen, wie sie sich selbstbestimmt verhalten und gegen Grenzverletzungen zur Wehr setzen können.
Hörspiele, Videos und ein Kinderrechte-Quiz
Eigens von den Studierenden erstellte Hörspiele und Videos, in denen es um den Alltag und die Risiken von Kindern geht, die aufgrund der Armut ihrer Familien in einer Kleiderfabrik arbeiten müssen, sollen die Kinderrechte spielerisch vermitteln und Einblicke in die Lebensrealitäten benachteiligter Kinder geben. Schließlich können die jungen Teilnehmenden ihr erlerntes Wissen bei einem Kinderrechte-Quiz erproben.
„Der Workshop soll Kindern beibringen, welche demokratischen Werte wichtig sind, wie sie für ihre Rechte einstehen und sie durchsetzen können. Sie sollen wissen, dass sie, genau wie Erwachsene, Rechte haben, die verbrieft sind. Es gibt Kinder, die geschlagen werden und mit niemandem darüber reden, weil sie gar nicht wissen, dass auch Kinder das Recht auf Schutz vor Gewalt haben“, sagt Elnara Valiyeva.
Die Kölnerin arbeitet ebenso wie Jasmin Saffari-Esfahani inzwischen in einer sozialen Einrichtung. Während ihres Studiums haben die beiden Kommilitoninnen erfahren, dass die Kinderrechte zwar in der UN-Kinderrechtskonvention niedergeschrieben sind, ihre Umsetzung in die Praxis aber noch stark hinterherhinkt. Die Studentinnen sahen dringenden Handlungsbedarf.
Mit der Unterstützung von Professor Kemal Bozay von der IU wurde aus ihrer Idee, Abhilfe zu schaffen, ein Projekt und aus dem Projekt ein Workshop. „Er vermittelt Kindern die Grundwerte unserer Demokratie. Wenn sie ihre Rechte kennen, sind Kinder nachweislich selbstbewusster. Sie können Ungerechtigkeiten besser reflektieren und darauf reagieren“, so Bozay, der auch als pädagogischer Leiter beim Verein „interKultur“ aktiv ist.
Stadt Köln zahlt 5000 Euro Förderzuschuss
In Kooperation mit diesem Verein haben sich die beiden Sozialarbeiterinnen beim Bundesprogramm „Demokratie leben“ beworben – und die Jury mit ihrem Workshop-Konzept „Ich darf das! Alles, was Kinder über ihre Rechte wissen sollten“ überzeugt. Von der Stadt Köln erhielten sie dafür einen Förderzuschuss in Höhe von 5000 Euro.
Mit dem Geld haben Saffari-Esfahani und Valiyeva Workshops für 120 Viertklässler an sechs Kölner Grundschule anbieten können – darunter auch für die Gemeinschaftsgrundschule Köln-Flittard. „Die beiden Leiterinnen haben das Thema Kinderrechte sehr abwechslungsreich aufgearbeitet und didaktisch perfekt an das Alter der Kinder angepasst. Es wäre optimal, wenn das Thema als fester Bestandteil in den vierten Klassen etabliert würde“, sagt Klassenlehrerin Kirsten Brunner.
Workshops verbessern das soziale Miteinander in Kölner Klasse
Infolge der Workshops hätte sich das soziale Miteinander innerhalb der Klasse verbessert, und einige Schülerinnen und Schüler seien selbstsicherer geworden. „Ich finde das Recht auf Gleichheit das Beste, weil jedes Kind mit jedem spielen sollte, egal welche Hauptfarbe oder welche Behinderung es hat“, sagt die zehnjährige Lena. Und Jana, 10, ergänzt: „Dass man mit jedem spielen kann oder darf, wusste ich, aber dass es ein geschriebenes Recht auf Gleichheit gibt, das war mir neu.“
Die Viertklässler, die den Workshop absolviert haben, klären jetzt als Multiplikatoren ihre Mitschülerinnen und Mitschüler anderer Klassen über Kinderrechte auf, darüber, dass man sich bei Streit einmischen sollte und dass man seine Meinung äußeren kann und soll, ohne bestraft zu werden. „Wir haben uns sofort für den Workshop gemeldet, weil uns die Partizipation unserer Schülerinnen und Schüler wichtig ist. Ich finde es gut, wenn Expertinnen an unsere Schulen kommen, der Impuls von außen ist für die Kinder perfekt“, sagt Dorothee Braach. Die Schulleiterin wünscht sich, dass die Workshops fortgesetzt werden.
Schon zwei Preise für die Worksop-Idee erhalten
Dorothee Braachs Wunsch wird zunächst unerfüllt bleiben, denn der Förderbetrag ist ausgegeben. „Es stehen noch mehr als 20 Grundschulen auf der Warteliste. Wir müssen sie vertrösten, da wir die Workshops nicht aus eigener Tasche finanzieren können. Wir werden weitere Fördergelder beantragen, aber Unterstützung für Soziale Arbeit an Schulen zu erhalten, ist sehr schwierig“, sagt Valiyeva.
Mit der Idee, einen Workshop anzubieten, in dem sich Viertklässlerinnen und Viertklässler auf eine Entdeckungsreise zu den zehn wichtigsten Rechten der UN-Kinderrechtskonvention begeben, haben die beiden Projektgründerinnen auch den Publikumspreis des „IU Spirit Awards 2024“ erhalten.
„Kinderrechte gehören dringend in den Lehrplan“
Zahlreiche Studien belegen, dass Erziehungsprobleme und Lernverweigerung zum Teil daraus resultieren, dass Kinder sich nicht ernst genommen und anerkannt fühlen, niemand ihre Fragen beantwortet und dass es in ihrem Umfeld keine Person gibt, zu der sie Vertrauen haben. „Die Themen Kinderrechte, Kinderschutz und Partizipation haben gesellschaftspolitisch eine große Relevanz und gehören dringend auch in die Schule“, sagt Bozay. Bei der Umsetzung in die Praxis der Bildungseinrichtungen sei aber noch großer Nachholbedarf. Sein Appell an die Politik: Innovative und bewährte Bildungsprojekte zu fördern und damit deren Nachhaltigkeit zu gewährleisten. „Jede Investition in die Bildung der nächsten Generation ist eine Win-win-Situation für eine gemeinsame Zukunft.“
Weltweit geltende Kinderrechte
- Die UN-Vertreterinnen und -Vertreter beschlossen im Jahr 1989 die Kinderrechtskonvention – ein Dokument, das die Bedürfnisse und Interessen der Kinder betont. Und ihnen besonderen Schutz und Fürsorge bieten soll, damit sie sich gesund entwickeln und voll entfalten können.
- Die vier elementaren Grundsätze der Konvention, beinhalten das Überleben und die Entwicklung, die Nichtdiskriminierung, die Wahrung der Interessen der Kinder sowie deren Beteiligung.
- Die Kinderrechtskonvention wurde am 20.November 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet, umfasst 54 Artikel und ist inzwischen von 196 Staaten ratifiziert.
- UNICEF, die Kinderrechtsorganisation der UNO, fasst den 20 Seiten langen Text in zehn Grundrechten zusammen – und zwar das Recht auf:
- 1. Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung
- 2. einen Namen und eine Staatszugehörigkeit
- 3. Gesundheit
- 4. (Aus-)Bildung
- 5. Freizeit, Spiel und Erholung
- 6. Sich zu informieren, mitzuteilen
- 7. Gehört zu werden, sich zu versammeln, eine Privatsphäre und eine gewaltfreie Erziehung im Sinne der Gleichberechtigung und des Friedens
- 8. Sofortige Hilfe in Katastrophen und Notlagen und auf Schutz vor Grausamkeit, Vernachlässigung, Ausnutzung und Verfolgung
- 9. Eine Familie, elterliche Fürsorge und ein sicheres Zuhause
- 10. Betreuung bei Behinderung