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Kölner HaushaltGeplante Kürzungen treffen Kinder- und Jugendhilfe hart

Lesezeit 2 Minuten
Ein kleiner Junge steht hinter einem bunten Plastikspielzeug, das ausschaut wie ein großes Netz.

Das Hilfenetz für bedürftige Kinder ist auch in Köln durch Haushaltskürzungen in Teilen bedroht.

Verantwortliche erklären, wie sich der Haushaltsentwurf der Stadt Köln konkret auf Kinderschutzprojekte auswirken könnte.

Als „wir helfen“, wie jedes Jahr im Frühjahr, im April dieses Jahres rund 20 Vertreterinnen und Vertreter der Kölner Wohlfahrtsverbände, der freien Kinder- und Jugendhilfe, der Verwaltung, Politik und Kirchen zum Runden Tisch einlud, um gemeinsam über aktuelle Problemlagen, Bedarfe, mögliche Lösungswege für Kinder und Jugendliche zu diskutieren, war die Lage schon sehr angespannt. So lautete das einhellige Credo der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: „Es ist nicht kurz vor zwölf, es ist Viertel vor eins, das System kann den Kinderschutz kaum noch gewährleisten.“

Als Hauptursachen nannten die Verantwortlichen der (freien) Kinder- und Jugendhilfe steigende Personal- und Energiekosten, einen massiven Personal- und Fachkräftemangel oder die zunehmende – mittlerweile auch sichtbare – Kinderarmut. Gleichzeitig würde aufgrund der vielfältigen, vor allem aber psychosozialen Folgen von Pandemie, Krieg und sinkenden Reallöhnen der Bedarf an Hilfsangeboten für Kinder, Jugendliche und deren Familien erheblich zunehmen.

Not-wendige Angebote statt Innovation

Statt Energie und Ressourcen in neue Hilfsangebote und Projekte investieren zu können, mit denen die Träger der (freien) Kinder- und Jugendhilfe den zusätzlichen Problemlagen begegnen könnten, hat damals schon die Sicherung eines im wahrsten Sinne des Wortes „Not-wendigen“ Angebots im Mittelpunkt nahezu aller Einrichtungen gestanden.

Nun bedrohen die geplanten Kürzungen im Haushaltsentwurf der Stadt sowie die faktischen Kürzungen für soziale Dienste auf Bundes- und Landesebene viele Angebote der Kinder- und Jugendhilfe in Köln und der Region. Hier veröffentlichen wir in den nächsten Wochen in loser Reihenfolge Statements von Vertreterinnen und Vertretern der „wir helfen“ unterstützten Verbände, Vereine und Initiativen, wie konkret sich der Rotstift auf ihre Arbeit leisten wird.


SkF: „Die Kürzungen treffen Kinder und Jugendliche in Krisen“

Dem Haushaltsentwurf ist das Bemühen zu entnehmen, die soziale Struktur in Köln zu erhalten. Festzustellen bleibt aber auch, dass eine fehlende Anhebung der Zuschüsse im Gießkannenprinzip durch die enormen Kostensteigerungen über kurz oder lang dazu führt, dass Angebote ungesteuert eingeschränkt oder aufgegeben werden müssen. Die Kürzungen von Zuschüssen für die Drogen- und Suchtarbeit mit Jugendlichen oder betroffenen Familien, bei der Jugendberufshilfe oder den Angeboten für Betroffene von häuslicher Gewalt, treffen Kinder und Jugendliche in Krisen ganz besonders. Was wir dringend brauchen, ist ein vertrauensvoller Dialog aller Akteure zur Frage, wie wir mit immer weniger werdenden finanziellen und auch personellen Ressourcen trotzdem ein gutes Aufwachsen für Kinder und Jugendliche gewährleisten können. Das sind wir ihnen schuldig. Ute Theisen ist Vorstandsvorsitzende des Sozialdiensts katholischer Frauen (SkF) Köln.
Ute Theisen ist Vorstandsvorsitzende des Sozialdiensts katholischer Frauen (SkF) Köln

Caritas Köln: „Ergebnis werden gescheiterte Lebensläufe sein“

Die faktischen Kürzungen für soziale Dienste auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene senden ein fatales Signal. Dadurch, dass wir im Sozialen sparen, wird menschliches Leid in Kauf genommen und es entstehen Folgekosten, die wir als Gesellschaft tragen müssen. Dass von diesen Kürzungen insbesondere auch unsere Arbeit für Kinder und Jugendliche betroffen ist, ist nur sehr schwer nachvollziehbar – unter anderem mit Blick auf die Corona-Folgen und den erhöhten Bedarf an Unterstützung junger Menschen. Ein besonderes Augenmerk werfen wir als Caritas auf eine besonders vulnerable Gruppe junger Menschen, nämlich die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten. Das Land NRW plant, die Beratung für diese jungen Menschen komplett zu streichen. Es gibt weder auf Bundes- noch auf Landesebene ein Pendant hierzu und die vielen Betroffenen sowie ihre Vormünder blicken auf einen dramatischen Strukturabbau. Ergebnis werden gescheiterte Lebensläufe von jungen Menschen, Isolation und Frustration sein. Leider in manchen Fällen auch Radikalisierung, denn dort wo die Gesellschaft sich nicht mehr verantwortlich fühlt, übernehmen das manchmal die Falschen.
Markus Peters ist Vorstandssprecher des Caritasverbandes für die Stadt Köln

Kölner Flüchtlingsrat: „Kindeswohl wird nicht vorrangig berücksichtigt“

Von den geplanten Kürzungen im Kölner Haushalt ist auch die Arbeit mit geflüchteten Kindern betroffen. Zum Beispiel würde die Beratung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die gerade auch vom Jugendamt angefordert wird, nur noch sehr eingeschränkt erfolgen können. Durch die beabsichtigte Schließung des Flüchtlingszentrums „FliehKraft“ hätte vor allem unser Jugendbereich keinen Ort mehr, Bildungsangebote für jugendliche Geflüchtete anzubieten. Minderjährige Flüchtlinge gelten nach EU-Recht als besonders schutzbedürftige Personengruppe. Kürzungen missachten den damit verbundenen Grundsatz, dass das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt werden muss.
Claus-Ulrich Prölß ist Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats e. V.

Arbeitsgemeinschaft Offene Türen: „Kürzungen passen nicht zur kinderfreundlichen Kommune Köln“

Die über 50 Einrichtungen der Arbeitsgemeinschaft Offene Türen (AGOT) Köln sind in vielfältiger Weise von den Finanzplanungen der Stadt betroffen. Massive Einsparungen bei der Integration geflüchteter Kinder und Jugendliche aus den Unterkünften in die offene Kinder- und Jugendarbeit, keine Ferienangebote mehr für Kinder, deren Familien sich Urlaubsreisen nicht leisten können und Reduzierung der Platzzahlen im Bereich der Hausaufgabenhilfe für bildungsbenachteiligte Kinder. Ausbleibende Tarifanpassungen bedrohen darüber hinaus viele Einrichtungen in ihrer Existenz. Insgesamt passen diese Kürzungen nicht zu einer kinder- und jugendfreundlichen Kommune, wie Köln es von sich behauptet.
Marc Haine ist Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Offene Türen (AGOT) Köln

Kölner Spielewerkstatt: „Die Kürzung trifft junge Menschen direkt!“

Der im Haushaltsentwurf geplante Wegfall von Personalstellen für zahlreiche Vereine trifft uns schmerzhaft und nachhaltig. Wenn es so kommt, würden dringend benötigte niederschwellige Spiel- und kunstpädagogische Angebote wie etwa Höhenberg/Vingst stark eingeschränkt. So trifft die Kürzung direkt junge Menschen und entzieht ihnen eine Möglichkeit der Partizipation und individuellen Entwicklung. Gerade in Zeiten steigender Radikalisierung und mangelnden Vertrauens in das politische System müssen wir die Strukturen erhalten und die jungen Menschen auch in den Außenbezirken mit aufsuchender Sozialarbeit erreichen und ihnen eine Brücke in die Stadtgesellschaft anbieten, um so eine demokratische Kommune bleiben zu können!
Christoph Horstkotte ist Geschäftsführer des Vereins Kölner Spielewerkstatt

Theater ImPuls: „Das trifft Kinder, die kaum Zugang zu Bildung haben“

Die geplanten Kürzungen im städtischen Haushalt sind für uns existenzbedrohend, denn mit dem Wegfall einer halben Personalstelle sind wir nicht mehr in der Lage, ausreichend Förderanträge zu stellen. Daher befürchten wir einen erheblichen Nachteil der Fördermittel, um theaterpädagogische Projekte in Förder-, Hauptschulen und Jugendeinrichtungen weiterhin kostenlos anbieten zu können. Das würde vor allem Kinder und Jugendliche treffen, die ohnehin schon einen erschwerten Zugang zu kulturellen Bildungsangeboten und sozialer Teilhabe haben.
Silke Dunkel ist im Vorstandsteam von „Theater ImPuls“

Kinderschutzbund Köln: „Mehr Kinder werden Hilfefälle“

Die vorgesehenen Kürzungen im Haushaltsentwurf der Stadt Köln und im Landeshaushalt betreffen leider wieder einmal Förderungen, die verhindern, dass Kinder und ihre Familien in eine Notlage geraten. Wenn die ohnehin nicht gut ausgestatteten Präventionsangebote wegfallen, werden noch mehr junge Menschen zu Hilfefällen werden. Der Kinderschutzbund wird darum kämpfen müssen, wie viele andere Trägervereine auch, dass er alle seine Angebote einhalten kann. Gemeinsam müssen wir im Blick behalten, dass besonders Familien mit niedrigem Einkommen oder in unverschuldeter Notlage nicht von wichtigen Hilfen abgeschnitten werden.
Lars Hüttler ist Geschäftsführer des Kölner Kinderschutzbunds

Diakonie Köln: „Integration nächster Generationen droht zu scheitern“

Bei uns im Diakonischen Werk wären von den geplanten Kürzungen im Haushalt vor allem die Beratungsangebote des Fachdiensts Migration betroffen, die auch viele Familien mit minderjährigen Kindern nutzen. Dort zeigen wir ihnen Perspektiven auf, damit Integration gelingen kann. Das Beratungsangebot müssten wir künftig drastisch reduzieren oder ganz einstellen. Dann droht die Integration nächster Generationen zu scheitern: Kinder besuchen keine Kita, ältere keine Schule. Im schlimmsten Fall droht die Verelendung auf der Straße, da die Familie untertaucht, um nicht abgeschoben zu werden
Martina Schönhals ist Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Köln und Region gGmbH

RheinFlanke: „Mädchenangebot in Porz steht vor dem Aus“

Konkret steht bei uns, der RheinFlanke, das Mädchenprojekt am Urbacher Weg in Porz durch die geplanten Einsparungen vor dem Aus. Zudem fällt es schwer, die fehlenden Personalstunden in der Jugendeinrichtung Grembox über Kölner Stiftungen auszugleichen, da dort sehr viel mehr Anträge eingehen als in den Jahren zuvor. So kommt es zu einer deutlichen Reduzierung unseres offenen Angebotes in einem Brennpunkt-Stadtteil. Welche zusätzlichen Einsparungen auf uns zukommen, werden wir in den nächsten Tagen erfahren. Es herrscht eine große Verunsicherung bei den Mitarbeitenden in Bezug auf ihre Arbeitsplätze.
Pia Strohmeyer, Geschäftsführerin der RheinFlanke gGmbH