LinoluckynelliZusammenhalt der Zirkuskinder
Es war schon viel früher um das Publikum geschehen. Doch als sechs kleine Artisten im Pinguinkostüm watschelnd, auf Tonnen und Bällen rollend, die Manege erobern, gab es kein Halten mehr auf den ausgefüllten Zuschauer-Rängen. Schrille Pfiffe, frenetische Begeisterungsrufe und anhaltender Applaus erfüllten das Zirkuszelt am Longericher Heckweg. Die Stimmung bei der Premiere von „Tuer5“, der neuen Show des „Kinder-und Jugendcircus Linoluckynelli“, war auf dem Siedepunkt angelangt und kühlte auch bis zum Ende der zweieinhalbstündigen Vorstellung um keinen Grad ab.
Magie des Miteinanders
Was die 103 Artisten zwischen fünf und 27 Jahren ihren 550 Zuschauern vergangenen Freitag boten, war mehr als Artistik. Es war Magie des Miteinanders. Im Zirkus des Zusammenhalts packte jedes Ensemblemitglied mit an – ob als Begrüßungsredner, Platzanweiser, Umbau-Monteur oder Zuckerwatten-Verkäufer.
So lieferte die bezaubernd märchenhafte Show „Tuer5“ gleich zweierlei Einblicke: In die artistische Arbeit der fünf Auftrittsgruppen (Minolinos, Dos Linos, Ninolinos, Linoluckynelli und La Voga) und in die Philosophie des Zirkusprojekts, das im nächsten Jahr 40-jähriges Jubiläum feiert.
Kindern eine Bühne geben
Einen Einblick in einen kleinen Ausschnitt der rund sechs-monatigen Vorbereitungen erhielt auch Hedwig Neven DuMont zwei Wochen vor dem großen Auftritt. Da besuchte die „wir helfen“-Vorsitzende an einem Donnerstagnachmittag das von ihrer Aktion von Stunde Null an geförderte Zirkus-Projekt auf dem Campus des Sozialen Zentrums „Linoclub e.V.“ in Lindweiler. Sie war spontan angetan von der astreinen Artistik, die ihr dort während der Probe in der 700 Quadratmeter großen Zirkushalle geboten wurde. Und vom Zusammenhalt der Zirkuskinder, die konzentriert und passioniert miteinander jonglierten, balancierten, stemmten und (ver-)zauberten.
„Auch wenn wir drei hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter von vier professionellen Artisten unterstützt werden, ist es nicht unser primäres Ziel, die Kinder und Jugendlichen zu Berufsartisten auszubilden. Wir wollen ihnen in erster Linie eine Bühne geben“, sagt „Linoluckynelli“-Leiterin Aline Siefener.
Jedes Kind findet seinen Platz
Eine Bühne, auf der die jungen Artisten ihren ersten Erfolge erleben. Auf der sie – als Kind egal welcher sozialer, finanzieller, religiöser oder ethnischer Herkunft – soziale Gerechtigkeit erfahren. Auf der sie künstlerisches Können entwickeln, ebenso wie Selbstvertrauen, Selbstdisziplin und Teamfähigkeit.
„Wir finden für jedes Kind entsprechend seiner Neigungen, Interessen und Fähigkeiten einen Platz im Zirkus“, verspricht Hans-Josef Saxler, Geschäftsführer des Sozialen Zentrums Lino-Club e.V., das „Linoluckynelli“ 1979 als einen der ersten deutschen Kinderzirkusse gründete. Seit 2001 ist er als spezialisierte Jugendeinrichtung anerkannt, neben 18 weiteren Projekten, die der „Linoclub“ als freier katholischer Träger und gemeinnütziger Verein im Kölner Norden unterhält.
Eine große Zirkusfamilie
Vor der Zirkushalle geben zwei Bodenartistinnen des La Voga-Ensembles ihrer Nummer den letzten Schliff – unter anerkennenden Blicken von Hedwig Neven DuMont und drei „Linoluckynellis“, die sich von ihrem Hochseil-Training auf dem Gras neben ihnen erholen. „Das Miteinander hier funktioniert unfassbar gut“, sagt Nina, und richtet Ihren Blick wie zum Beweis auf das Zirkus-Grüppchen auf der Wiese.
Die 15-jährige Schülerin der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Chorweiler gehört seit elf Jahren zur „Zirkusfamilie“, inzwischen trainiert sie gemeinsam mit ihrer Freundin Christina, 15, jüngere „Linoluckynelli“-Gruppen. Und weiß dadurch auch schon genau, in welche Richtung es beruflich gehen wird: „Irgendwas mit Kindern und Pädagogik“.
Ort der Begegnung
Wer die Zirkushalle in Lindweiler besucht, spürt schnell: Der Campus des „Lino Club e.V.“ ist ein Ort der Begegnung der besonderen Art. All denjenigen jungen Menschen, die den Weg zu diesem Ort nicht finden, stellt das Soziale Zentrum „Circus in Motion“ zur Verfügung. Der große Bus, ausgestattet mit Zirkuszelt und Requisiten, fährt regelmäßig Stadtteile an, die kein bis kaum kulturelle Angebote für sechs- bis 21-Jährige haben. Dieser Zirkus kann eben beides: Verzaubern und verbinden.