Projekt SingpauseMusik für alle!
„Morgens um halb zehn in Deutschland ...“ Die hierzulande bislang wohl bekannteste Pause ist der Werbebranche geschuldet: Dann, wenn allerorten mit einer Haselnussschnitte pausiert wird – um anschließend wieder gestärkt durchzustarten.
Wer an diesem Mittwoch das von Musikjournalist Manuel Unger moderierte Konzert der rund 300 Grundschüler in der Zirkushalle des „Lino-Clubs“ in Lindweiler erlebt hat, der wünscht sich insgeheim, dass eine neue Art der Unterbrechung Geschichte schreiben wird: Die sogenannte „Singpause“ – die das Potenzial dazu hätte, dass tausende Kinder gestärkt ins Leben starten können.
Vorbild Düsseldorf
Das in Düsseldorf vor 13 Jahren eingeführte und inzwischen längst etablierte, sozial-integrative Musik-Konzept startete zu Beginn dieses Schuljahres auch an vier Grundschulen im Kölner Norden. Die Initialzündung dafür gab der Verein „Unisono. Förderverein für Musik in Longerich/Lindweiler e.V.“, dessen Mitglieder, allesamt Profi-Musiker oder Chorsänger, „mit Sorge beobachten, dass die musikalische Bildung von Kindern im Ärgsten liegt, Chöre vergreisen und auch in den Familien kaum noch miteinander gesungen wird“, wie Vorsitzender Manfred Kraus im Anschluss an das einstündige Konzert erklärte.
Höchste Zeit also, die Musik als eine der wichtigsten Säulen unserer Bildung an das Kind zu bringen. Und zwar an möglichst jedes. Warum das nötig – und wofür das gut ist, versteht, wer kurz zuvor in die begeisterten Augenpaare der Kinder geschaut, ihre beschwingten Bewegungen beobachtet und ihren Gansteckenden Gemeinschaftssinn miterlebt hat – zum Beispiel beim „Gummibär“-Lied: „Ich kenn ’nen Bär, der hat kein Fell und brummt nicht mal eventuell, er wohnt in einer Tüüüte, ach, du meine Güüüte“. Keine Frage: Singen fördert die Gemeinschaft und das Glücksgefühl, macht selbstbewusst und motiviert.
Beschwingte Unterbrechung
Das erste Kölner „Singpausen“-Konzert ist das Ergebnis dessen, was die jungen Schülerinnen und Schüler der Sternsinger-Schule, der Marienschule, der GGS Gartenstadt sowie der Schule Soldiner Straße innerhalb eines Schuljahres gemeinsam mit ihren nach der Ward-Methode ausgebildeten Singleiterinnen in den Unterrichtspausen erarbeitet haben: Musikalische Grundkenntnisse und ein breites, internationales Liedrepertoire. Zweimal pro Woche für je 20 Minuten.
Die Idee dahinter ist nicht neu und geht zurück auf die US- amerikanische Musikpädagogin Justine Ward, die in den 1920er-Jahren eine Methode für Grundschulen entwickelte, die zum Ziel hat, alle Kinder und nicht nur eine kleine Gruppe Etablierter durch Singen und rhythmische Bewegungen zu bilden – und ihre Begeisterung für Musik zu wecken.
Musikalische Alphabetisierung
So bietet auch die darauf basierende „Singpause“ quasi eine musikalische Alphabetisierung für alle Kinder, egal welcher Herkunft oder welcher Vorerfahrung. Sie lernen dabei sich musikalisch mit der gleichen Selbstverständlichkeit auszudrücken wie in ihrer Muttersprache – was gelebte Integration bedeutet. Das Charmante daran: „Da das Projekt in den Schulen stattfindet, erreichen wir jedes Kind, keines kann weglaufen und die Hürde des Anmeldens entfällt“, sagt Manfred Kraus.
Singendes Köln
Bleibt die Frage, wie sich das kostenlose Angebot finanziert: Die Singleiter müssen bezahlt, Materialen angeschafft und Konzerte finanziert werden. Bislang trägt „Unisono“ gemeinsam mit „wir helfen“, der RheinEnergie- und Imhoff-Stiftung die Kosten für die ersten eineinhalb Jahre – und acht Klassen. Weitere Sponsoren werden dringend gesucht, denn die Vision der „Unisono“-Mitglieder lautet: „Wir wollen das Projekt unendlich machen, im Idealfall sind eines Tages alle Kölner Grundschulen mit allen Klassen dabei“. Vielleicht erleben dann auch die Kölner, was in Düsseldorf schon Realität ist: Stimmt man in der Straßenbahn ein „Singpausen“-Lied an, singen alle Kinder mit. Eine schöne Vision.