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StreetworkDer Alltagsheld vom Kölnberg

Lesezeit 5 Minuten

Warten auf das begehrte warme Mittagessen im Jugendzentrum Meschenich.

Meschenich – Der Spielplatz in Alt-Meschenich ist eigentlich ein kleines Idyll. Etwas versteckt liegt er zwischen Büschen und Bäumen. Aber da, wo dieser Tage morgens Kinder im Sand spielen, ging es eine Zeit lang abends zur Sache. Der Platz war Treffpunkt einer Gruppe von Jugendlichen, die dort Alkohol tranken, bis spät in die Nacht laut Musik hörten, Marihuana rauchten, viel Müll hinterließen und auch schon mal unsanft gegen eine Tür der Nachbar traten.

Retter der Nachbarn

Bei den Anwohnerinnen und Anwohnern lagen die Nerven blank, sie wussten sich nicht zu helfen, trauten sich ein Gespräch mit den jungen Leuten nicht zu. Amir Raksh-Bahar, der für das Kinder- und Jugendzentrum in Meschenich arbeitet und seit 2015 Streetworker am Kölnberg ist, war die Rettung für die Nachbarn, weil es ihm gelang, eine Brücke zu den Jugendlichen aufzubauen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Amir Raksh-Bahar bei der Arbeit

„Ich weiß, es klingt pathetisch, aber er ist ein Held des Alltags“, sagt Nachbarin Daniela Kensing und lacht. Für Raksh-Bahar war das Gespräch dagegen kein Zauberwerk, denn er ist am Kölnberg aufgewachsen, kennt die Menschen und deren Probleme. Ihm gelang es, für die Jugendlichen einen alternativen Aufenthaltsort zu finden, wo sie niemanden stören. Der 31-Jährige ist ein Glücksfall für den Kölnberg – und ganz Meschenich. Denn er arbeitet nicht nur im Kinder- und Jugendzentrum mit einer halben Stelle, sondern ist den Rest seiner Zeit als Streetworker im Viertel unterwegs. Immer dort, wo den Nachbarn der Schuh drückt.

60 Nationen im Viertel

Und der drückt oft in einem Viertel, in dem mehr als 4000 Menschen aus 60 Nationen leben. Wo die Arbeitslosigkeit hoch ist und viele Menschen mit Hartz IV auskommen müssen, Jugendliche oft schlechte Chance auf einen Ausbildungsplatz und einen Job haben. Wo es Prostitution und Drogenhandel gibt, die dem Kölnberg ein negatives Image einbringen. Wo die Infrastruktur schlecht ist: Es gibt kein Kino, kein Theater, kein Schwimmbad. Und mit dem Bus dauert es 40 Minuten bis in die Kölner Innenstadt. Ein Ticket kostet knapp drei Euro, das ist für manche Familie richtig viel Geld.

„Die Jugendlichen im Viertel fühlen sich oft diskriminiert. Es gibt Taxifahrer, die fahren sie nicht nach Hause, wenn sie die Adresse Kölnberg genannt bekommen“, sagt Raksh-Bahar, „oft hören die Jugendlichen, dass sie nichts taugen.“ Dabei empfinden die Menschen das Viertel nicht als Problemviertel. „Der Kölnberg ist für viele eine große Familie.“ Besonders für Menschen, die neu in Deutschland sind, ist die Hochhaussiedlung ein guter Ort, um anzukommen. „Man muss zu den Menschen gehen, wenn man sie erreichen will“, sagt der ausgebildete Erzieher.

Nach dem Essen wird gespielt.

Wenn man mit dem 31-Jährigen eine Runde am Kölnberg dreht, wird der ausgebildete Erzieher oft gegrüßt und angesprochen. Hier ein Plausch, dort ein Telefonat. Man merkt: Er kennt die Menschen, ist in mehrfacher Weise ein Vorbild. Zum einen hat Raksh-Bahar seinen beruflichen Weg gemacht. „Die Jugendlichen wollen das auch schaffen“, sagt die Leiterin des Jugendzentrums, Azbiye Kokol, über ihren Mitarbeiter.

Andererseits ist Raksh-Bahar Sohn einer iranischen Familie, die nach Deutschland einwanderte, als er wenige Monate alt war. Den Migrationshintergrund hat er mit vielen Menschen am Kölnberg gemein. Und weil er in der Hochhaussiedlung aufwuchs, vertrauen ihm die Menschen. „Ein Fremder braucht Jahre, um hier Fuß zu fassen“, sagt er.

Seit 2015 hat Raksh-Bahar in Meschenich viel erreicht. Er vermittelt Jugendlichen Praktika und Bewerbungstrainings, hilft bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, begleitet Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen zum Arzt oder zu Behörden. Er sorgt für Übersetzungen bei amtlichen Schreiben und bringt Jugendliche auf die richtige Bahn.

Manchmal auch machtlos

Da war das Mädchen, das die Schule abbrechen wollte, und das Raksh-Bahar motivieren konnte, weiter zu machen. Oder der 13-Jährige, der klaute, aber zum Erzieher Vertrauen aufbaute. Er kam dahinter, dass der Junge Hunger hatte, machte ihm Lunchpakete und nahm ihn mit zu einem Ausflug ins Phantasialand. Manchmal ist aber auch der Streetworker machtlos, kann sich die Probleme der Anwohner nur anhören: Etwa bei der Familie aus dem Iran, deren Vater sich selbstständig machen wollte und auch das Geld mitgebracht hatte. Als geduldeter Flüchtling durfte er aber kein Geschäft betreiben, musste sein Geld aufbrauchen, bis er auf Hartz IV zurückfiel. Schließlich wurde die Familie von Köln nach Dessau in Sachsen-Anhalt verlegt.

Der Rapper Serkan betreut die Jugendlichen in einem Tonstudio.

Wegen der schlechten Infrastruktur will Raksh-Bahar den Jugendlichen Angebote machen. Zum Beispiel hat er einen Linienbus zu einem Fußball-Bus umgebaut, in dem die Jugendlichen Spiele der Bundesliga und der Champions-League schauen können. 40 bis 50 Jugendliche kommen regelmäßig. Sie würden ansonsten vielleicht auf der Straße abhängen. Derzeit unterstützt Raksh-Bahar seinen Freund Serkan, der am Kölnberg ein Café betreibt, ein schmuckes Tonstudio aufzubauen. Hier sollen bald Jugendliche Hip-Hop machen und ins Internet stellen können.

Ehrfrucht vor Kunstrasen

Sein Meisterwerk ist aber vermutlich der Kunstrasenplatz, den er auf dem heruntergekommenen Basketball-Areal im Herzen des Kölnbergs eingerichtet hat. 80 000 Euro hat Raksh-Bahar von verschiedenen Stiftungen gesammelt, darunter auch die Lukas-Podolski-Stiftung. Seit 2016 findet hier mehrmals in der Woche Fußball- und Basketballtraining statt, zu dem etwa 50 Mädchen und Jungen kommen. Väter spielen mit ihren Kindern, Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien treffen auf andere junge Menschen.

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Rapper Serkan ist beliebt bei den Jugendlichen.

Einmal hat Raksh-Bahar einen Jugendlichen beobachtet, der aus Ehrfurcht vor dem Kunstrasen seine Schuhe ausgezogen hat. Die FC-Fangruppe „Wilde Horde“ hat die Wände des Platzes mit Graffiti geschmückt und Flyer im Stadion verteilt, mit denen um Spenden geworben wurde. Zudem hat der Streetworker in einem Container neben dem Jugendzentrum einen festen Anlaufpunkt etwas außerhalb des Kölnbergs geschaffen. 

12000 Euro fehlen noch

Damit die Arbeit vor Ort noch mehr Kontinuität erhält, wünscht sich Raksh-Bahar eine volle Stelle für seine aufsuchende Arbeit. „wir helfen“ hat für das laufende Jahr eine halbe Stelle gesichert. Nun würden noch 12 000 Euro fehlen, damit die halbe Stelle in eine ganze umgewandelt werden kann.

Eines scheint sicher: Die Arbeit ginge dem Streetworker vom Kölnberg sicher nicht aus.

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