„Wenn die Mutter krank ist, leidet die Familie“
Die Flucht nach Deutschland ist der Familie zwar gelungen. Aber das ist auch schon alles. Hier in Köln brach der Schmerz aus. Über die Entbehrungen auf der Flucht, die Angst, den Tod eines der fünf Kinder. Kein Wunder, dass die Mutter in Depressionen fiel, der Vater unter der Perspektivlosigkeit leidet, weil er nicht arbeiten kann. So kümmert sich die 17-jährige Tochter um vieles, kauft ein, kontrolliert die Hausaufgaben der Geschwister, kocht für die Familie.
In die Beratungsstelle des Kölner Flüchtlingsrates war das Mädchen vor geraumer Zeit gekommen, um Fragen zum Aufenthaltsrecht zu klären. Schnell wurde dem Team um Nahid Fallahi aber klar, dass die gesamte Familie auch psychologische Hilfe braucht. Es hat vier Wochen gedauert, bis sich die Familie in der Nippeser Beratung an der Turmstraße 3-5 vorstellte. „Oft ist die Scham groß, die Eltern scheuen den Schritt in ein System, das sie nicht kennen“, sagt Fallahi.
Seit 1984 setzt sich der Kölner Flüchtlingsrat für den Schutz und die Rechte der Flüchtlinge, für ihre Integration, für Toleranz und Völkerverständigung ein. Er zählt damit zu den ersten Flüchtlingsräten in Deutschland. 2007 hat er mit dem Verein „Zurück in die Zukunft“ das Flüchtlingszentrum „Fliehkraft“ gegründet, in dem unter anderem Deutsch-, Mal-, Kochkurse – meist samt Kinderbetreuung angeboten werden, sowie Beratungen zu Aufenthaltsrecht und Asyl, Familienzusammenführung und Arbeitserlaubnis, psychische und familiäre Probleme.
So können Sie helfen
Mit „wir helfen: weil alle Kinder eine Chance brauchen“ bitten wir um Spenden für Projekte, die benachteiligte Kinder in der Region unterstützen. Bislang sind: 1 046 187,79 Euro eingegangen.
Die Spendenkonten lauten:
wir helfen e.V. – der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e.V.
Kreissparkasse Köln, IBAN:
DE03370502990000162155
Sparkasse Köln-Bonn, IBAN:
DE21 37050198 0022252225
Kontakt: „wir helfen“, Amsterdamer Straße 192, 50937 Köln,
www.wirhelfen-koeln.de
Gerade die von „wir helfen“ unterstützte psychologische Beratung des Flüchtlingsrats ist nötig. Die Universität Erlangen-Nürnberg hat in einer Studie herausgefunden, dass jeder dritte syrische Flüchtling an einer psychischen Erkrankung leidet – viele an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ähnliche Erfahrungen macht Fallahi, die 61-jährige Journalistin und Autorin, die selbst vor vielen Jahren aus dem Iran nach Deutschland geflohen ist: „50 Prozent sind traumatisiert, und wenn die Mutter erkrankt ist, leidet die ganze Familie.“ Oft seien die Flüchtlinge von ihren Eltern getrennt wie der 16-jährige Afghane, der seine Familie im Iran zurücklassen und mit Schleppern alleine weiterziehen musste. Hier in Deutschland hat er einen Vormund, obwohl er nicht weiß, was das ist. „Neue Gesetze, neue Menschen, ein neues Land“, sagt Fallahi, „das ist für einen Jungen viel zu viel.“
Die Beratung kann keine Wunder wirken, aber ein Grundstein dafür sein, dass das Trauma aufgearbeitet wird. Nur Betreuungsplätze gibt es deutschlandweit, aber auch in Köln viel zu wenige. Dabei wäre schnelle Hilfe wichtig: Denn Traumata können am besten überwunden werden, wenn sie möglichst schnell behandelt werden. Die Betroffenen benötigen zudem Stabilität und Schutzräume, weil sie in Situationen geraten sind, die sie nicht kontrollieren konnten. Aber das Leben in den Notunterkünften ist meist alles andere als optimal, weil es dort wenig Privatsphäre gibt.
Viel zu wenige Therapien
Die Familie aus Afghanistan hat mittlerweile einen Aufenthaltsstatus erhalten und konnte aus einer Massenunterkunft in eine Wohnung umziehen. Eine Arbeit haben die Eltern allerdings noch nicht – die Mutter muss erst ihre Depression überwinden.
Unklar ist auch die Zukunft des Flüchtlingszentrums Fliehkraft: Die Kosten für Miete und Personal hätten sich drastisch erhöht. Derzeit müssten die Mitarbeiter fast so viel Zeit aufwenden, um Anträge zu schreiben, mit denen Sponsoren gewonnen werden sollen, wie für die Arbeit mit Flüchtlingen.